Verkehrte Welt: Auch wenn formal die US-Apothekenkette Walgreens den europäischen Pharmahandelskonzern Alliance Boots übernommen hat – die entscheidenden Posten sind durch Stefano Pessina und seine Gefolgsleute besetzt. Den Chefsessel hat sich der Italiener selbst gesichert, um die rund 8200 Walgreens-Geschäfte kümmert sich der ehemalige Boots-Chef Alex Gourlay. Für den kompletten Groß- und Einzelhandel außerhalb der USA ist Ornella Barra verantwortlich. Sie zieht jetzt auch in den Vorstand des US-Großhändlers AmerisourceBergen (ASB) ein.
AmerisourceBergen gehört neben Cardinal Health und McKesson zu den drei führenden Großhändlern in den USA, die zusammen auf einen Marktanteil von 95 Prozent kommen. 2001 aus der Fusion von AmeriSource und Bergen Brunswig hervorgegangen, liefern die 26 Vertriebszentren heute nach Konzernangaben jede fünfte Arzneimittelpackung in den USA aus.
Kein Jahr nach dem Einstieg von Walgreens bei Alliance Boots hatten Pessina & Co. im Frühjahr 2013 die letzte große strategische Lücke geschlossen: Mit ASB wurde eine Einkaufspartnerschaft für zehn Jahre geschlossen, parallel stieg WBA beim US-Großhändler ein. Mit dem Erwerb von bis zu 23 Prozent der Anteile kann der erste globale Apothekenkonzern den Partner dauerhaft an sich binden.
In der Folge bekam WBA einen Sitz im Vorstand, der nach dem Abgang von Konzernchef Greg Wasson jetzt an Ornella Barra geht. „Ihre umfassende Erfahrung im Pharmagroß- und -einzelhandel und ihre strategischen Einblicke werden ein Zugewinn für unser Führungsteam sein, insbesondere weil wir unser globales Geschäft ausbauen werden“, sagte ASB-Aufsichtsratschef Richard C. Gozon. Vorstandschef Steven H. Collins lobte Barras „tiefe Verständnis für unsere Kunden, einschließlich Apotheker, und die Anforderungen an die Leitung eines globalen Unternehmens“.
Barra ist von Hause aus Apothekerin; 1984 hatte sie in Genua den Großhändler DiPharma gegründet, den sie zwei Jahre später in Pessinas Alleanza Farmaceutica einbrachte. Während sich der Patriarch seitdem um die Strategie kümmert, ist sie für das Tagesgeschäft zuständig.
Durch die Allianz mit ASB wurden – parallel zu den transatlantischen Fusionen Boots/Walgreens und Celesio/McKesson – im bis dato nicht vertikalisierten US-Markt die Karten neu gemischt: ASB schnappte Cardinal Health den Großkunden weg – und damit 20 Milliarden US-Dollar Umsatz. Der Konkurrent wiederum holte sich die Apothekenkette CVS als Kunde von McKesson – rund 12 Milliarden Dollar. Der Celesio-Mutterkonzern sicherte sich schließlich mit Rite Aid die dritte Megakette.
Bislang hatten die Einzelhandelsriesen ihre Bestellungen für bestimmte Zeiträume an einen oder mehrere Partner vergeben. Im Vordergrund standen Markenpräparate; die Bulkware zur Konfektionierung in der Apotheke kauften die Ketten direkt bei den Herstellern. Die neue Strategie im global denkenden Pharmahandel ist es aber, bei den Generikaherstellern gemeinsam und womöglich sogar auf globaler Ebene einzukaufen, um diesen so einen zusätzlichen Rabatt abzuknöpfen.
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