Versandhandel

Vorratspflicht gilt für Versandapotheken

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Berlin -

Versandapotheken sind wie jede andere Apotheke zur Vorratshaltung verpflichtet – auch wenn es sich dabei um sehr große Mengen verschreibungspflichtiger Arzneimittel handelt. Das hat das Verwaltungsgericht Osnabrück entschieden. Die Versandapotheke Apotal hatte gegen eine entsprechende Vorgabe der Apothekerkammer Niedersachen geklagt – vorerst ohne Erfolg.

Im September 2014 hatte die Kammer in Funktion als Aufsichtsbehörde die externen Lagerräume der Versandapotheke einer Kontrolle unterzogen. Bei Einsicht in das Warenwirtschaftssystem wurde festgestellt, dass zu drei Fertigarzneimitteln kein dem Wochenbedarf entsprechender Vorrat vorhanden war. Die Kammer ging dabei von den Verkaufsstatistiken der Jahre 2012 bis 2014 aus. Die wenigen vorhandenen Packungen waren nach Angaben des verantwortlichen Apothekers bei Apotal für bereits vorliegende Rezepte reserviert.

Ende November 2014 kündigte die Kammer eine Anordnung an, dass Apotal gemäß Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) eine Vorratshaltung zu betreiben habe. Demnach muss jede Apotheke Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte, die zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung notwendig sind, in einer Menge vorrätig halten, die mindestens dem durchschnittlichen Bedarf für eine Woche entspricht.

Apotal erwiderte, dass eine Vorratshaltung nur unter Berücksichtigung der Sonderregelung im Apothekengesetz zum Versandhandel in Betracht komme. Die dort geregelte Frist zum Versand innerhalb von zwei Tagen halte man immer ein – schließlich liefere der Großhandel bis zu zwölfmal täglich. Man könne daher kurzfristig auf Bestellungen reagieren. Die Kammer blieb hart und schickte im Juni 2015 die angekündigte Anordnung. Dagegen klagte die Versandapotheke.

Doch das Verwaltungsgericht Osnabrück (VG) hatte keine Probleme mit der Anordnung der Kammer. Laut Urteil besteht die Pflicht zur Vorratshaltung auch für Versandapotheken. Die Apothekerkammer habe zu Recht darauf hingewiesen, „dass es die ‚Versandapotheke‘ als eigenständige Apothekenform nicht gibt“. Die Versanderlaubnis knüpfe nämlich an eine Präsenzapotheke an. Dass Apotal (Bad-Apotheke, Bad Rothenfelde) das Versandgeschäft an einem ausgelagerten Standort betreibt, ändere hieran nichts. Die Regelung zur Vorratshaltung knüpfe an die öffentliche Apotheke an, unabhängig davon, ob zusätzlich noch ein Versand von Arzneimitteln erfolge, so die Richter.

Apotal konnte sich auch nicht mit dem Verweis auf die 2-Tage-Regelung retten. Diese sehe nämlich vor, dass bestellte Arzneimittel innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Eingang der Bestellung zu versenden seien. Dieser Passus soll aber den Richtern zufolge nur einen zügigen Versand der Arzneimittel gewährleisten, zu einer etwaigen Vorratshaltung sage die Regelung nichts. Letztere werde folglich sogar vorausgesetzt.

Der Nebensatz „soweit das Arzneimittel in dieser Zeit zur Verfügung steht“ ändere daran nichts. Der Apotheker werde damit nur von der Lieferfrist befreit, dass ein Arzneimittel ausnahmsweise nicht vorrätig ist. Auch in der Apotheke vor Ort mit der Pflicht zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung könne mal ein Arzneimittel „nicht zur Verfügung stehen“. „Aus dieser Formulierung eine Nichtgeltung der Vorratshaltung für die Versandapotheke insgesamt herzuleiten, geht daher zu weit“, so die Richter.

Dass auch die Großhändler einer Vorratshaltung unterliegen, dient laut Gericht lediglich dazu, die Voraussetzungen für eine Vorratshaltung der Apotheke zu schaffen. „Hierdurch wird der Apothekenleiter aber nicht seiner eigenen Verpflichtung zur Vorratshaltung enthoben“, stellen die Richter klar.

Apotal möge zu Recht darauf verweisen, dass sich Patienten bei Notfällen nicht an die Versandapotheke wendeten. Die Versandapotheke sei aber eben ein Betriebsteil einer öffentlichen Apotheke und unterliege damit dem Versorgungsauftrag. „Eine Nichtanwendbarkeit der Vorratshaltung auf Versandapotheken würde den Kläger ferner im Vergleich zu Inhabern, die nur eine Präsenzapotheke betreiben, ungerechtfertigt bevorzugen“, so die Richter.

Apotal hatte angeführt, dass die erforderliche Kapitalbindung für die Lagerhaltung gerade bei einer Versandapotheke beträchtlich sei. Ein jährlicher Umsatz von circa 96 Millionen Euro zum damaligen Zeitpunkt entspreche rund 1,84 Millionen Euro pro Woche. Bei einem angenommenen Finanzierungsbedarf für das Warenlager von 5 Prozent führe dies zu einer Belastung von 92.000 Euro. Damit werde der Versandapotheke die wirtschaftliche Existenz entzogen, hatte diese vorgetragen.
Die Kammer hatte dagegen auch mit der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) argumentiert. Der darin festgesetzte Zuschlag von 3 Prozent auf den Arzneimittelpreis als Teil des Apothekenhonorars, diene unter anderem zur Absicherung der durch die Vorratshaltung verursachten Kosten.

Das VG sah keinen Grund dafür, nur dem Betriebsteil der Präsenzapotheke die durch die Vorratshaltung entstehenden Lagerhaltungskosten zuzumuten. Sofern Apotal meine, dass die Lagerhaltungskosten für OTC-Arzneimittel – der Hauptumsatzbringer im Versand – höher seien als für verschreibungspflichtige, könne dahinstehen, ob dies zutrifft. Doch selbst wenn – bei Apotheken vor Ort werde auch nicht nach Rx-Anteil unterschieden.

Daher hatte es die Kammer laut Gericht zu Recht als Verstoß gewertet, dass Apotal bei der Besichtigung überhaupt keine Vorräte der drei betroffenen Produkte – Lantus, Humalog und Apidra – hatte.

Gestritten wurde auch noch, wie weit die Kammer Vorgaben zur geforderten Lagerhaltung machen durfte. Apotal fand diesen Teil des Bescheids zu weitgehend, da die Kammer es damit in der Hand habe, sich bei der nächsten Besichtigung die von ihr geforderte Analyse zur Ermittlung des durchschnittlichen Wochenbedarfs für einen repräsentativen Zeitraum vorlegen zu lassen. Dies sei ein unmittelbarer Eingriff in seine unternehmerische Entscheidung.

Rechtswidrig fand das VG den Bescheid deswegen allerdings nicht: Es kann dahinstehen, ob die Kammer hierdurch bereits regelnd eingegriffen oder lediglich bloße Hinweise erteilt habe. Der Ermessenspielraum der Versandapotheke bei der Ausgestaltung des Wochenvorrats sei aber jedenfalls nicht unzulässig einschränkt. Es sei schon nicht denkbar, einen durchschnittlichen Wochenbedarf ohne Analyse eines vergangenen Zeitraums zu bestimmen, so das Gericht. Ebenso sei es zwingend, das jeweilige Arzneimittel hierbei in den Blick zu nehmen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Apotal kann binnen Monatsfrist beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg die Zulassung einer Berufung beantragen.

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