Kommentar

Vor die Wand geradelt

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Berlin -

Schneller, schneller, schneller und immer an den Kunden denken. „Customer Centricity“ als Mantra und den „Botendienst völlig neu denken“ – die Schnelllieferdienste wollen die Arzneimitteldistribution revolutionieren. Jetzt hagelt es in kurzer Abfolge Wirkungstreffer: Mit Kurando scheint der erste ambitionierte Kurierdienst die Grätsche zu machen und die Aufsichtsbehörden stellen allen Quick-Commerce-Anbietern höchst unangenehme Fragen. Der Gorilla ist im Apothekenmarkt akut vom Aussterben bedroht, kommentiert Alexander Müller.

Noch vor einem Monat musste man sich fragen, ob die Schnelllieferdienste die große Revolution sind oder eine ganz große Luftnummer. Zu viel ist noch offen: Ist die Nachfrage wirklich so groß? Kann sich das Geschäft angesichts der üblichen Warenkorbgröße und OTC-Marge für die Apotheken lohnen? Dass das große Leistungsversprechen extrem kurzer Lieferzeiten nur mit anderthalb zugedrückten Augen eingehalten wurde, haben Testkäufe immer wieder bewiesen. Vor allem aber: Ist das alles überhaupt zulässig?

Was die wirtschaftliche Komponente betrifft, gibt es seit heute einen neuen Sachstand. Zwar gehört Kurando, was das Investitionsvolumen betrifft, nicht zu den Frontrunnern der neuen Branche, ein Millionenbetrag wurde hier aber – mutmaßlich – trotzdem in den Sand gesetzt. Zuvor hatte schon Medikamendo in Hamburg den Service nach kurzer Zeit wieder eingestellt. Fazit: Lohnt sich nicht. Dass in einer Start-up-Szene einige – ja sogar die Mehrheit – auf der Strecke bleiben, ist nicht ungewöhnlich und gerade im angelsächsischen Kulturkreis auch geradezu beliebt.

Härter treffen die rechtlichen Angriffe. Die Apothekerkammern knöpfen sich die Lieferdienste vor und strengen Verfahren an. Mit dem Berliner LAGeSo hat jetzt eine erste Aufsichtsbehörde die Verträge zwischen Apotheken und Lieferdiensten für nichtig erklärt. Die so Getroffenen schimpfen zwar noch über die Ahnungslosigkeit der Behörde und geben sich zuversichtlich, aber die Vorwürfe sind nicht von der Hand zu weisen.

Denn die Leistungen der Plattformen gehen deutlich über die eines Dienstleisters hinaus, der einer Apotheke beispielsweise die Website baut. Die Lieferdienste treten aktiv mit den Apothekenkund:innen in Beziehung. Diese erfahren irgendwann im Bestellprozess, welche (völlig austauschbare) Apotheke denn nun eigentlich für die Zusammenstellung der Lieferung zuständig ist, die dann wieder ein (völlig austauschbarer) Fahrer des Anbieters übernimmt. Die Kund:innen werden sehr schnell das Gefühl haben, Mayd, First A & Co. verkaufen ihnen die Arzneimittel.

Und die Plattformen – und das ist der zweite Angriffspunkt – verdienen ja auch tatsächlich mit. Die Umsatzbeteiligung geht der Aufsichtsbehörde ebenfalls zu weit. Tatsächlich machen sich die Apotheken an dieser Stelle erpressbar, eben weil sie wie gesagt leicht austauschbar sind. Das haben Amazon-Händler schon vor langer Zeit gelernt.

Zusammen mit der kritisierten Zuführung von Patienten und einer Beschränkung der freien Apothekenwahl unter einem gewährten Gebietsschutz kommen ganz schön viele existenzielle Fragen zusammen, die auf die Lieferdienste einprasseln. Mit der Einführung des E-Rezepts werden diese Fragen eher mit noch größerem Nachdruck gestellt werden, weil der Rx-Markt ein noch stärker regulierter ist. Ist das große Rattenrennen schon vorbei?

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