Versandapotheken

Von Gehe zu DocMorris

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Berlin -

Mehrere hundert Millionen Euro haben Shop-Apotheke und der DocMorris-Mutterkonzern Zur Rose an der Börse eingesammelt. Das Geld investieren die niederländischen Versender nicht nur in TV-Werbung und Preissenkungen, sondern auch in Personal. In Heerlen hat jetzt ein ehemaliger Gehe-Manager angeheuert.

Philipp Storb, bis Ende vergangenen Jahres Regionalleiter Nord bei Gehe, ist seit Anfang Juli als Vice President bei DocMorris für den kompletten Einkauf zuständig. Damit ist er für den Kontakt zur Pharmaindustrie und zum Großhandel verantwortlich: Die Hälfte bestellt DocMorris direkt bei den Herstellern, den Rest – direkt oder über die Tochterfirma Centropharm mit Sitz in Aachen – bei Groß- und Zwischenhändlern. 50 Prozent des Einkaufs entfallen auf die Top-5-Lieferanten.

Vor allem akuten Bedarf kauft DocMorris über den Großhandel ein. In Heerlen werden rund 15.000 unterschiedliche Produkte vorrätig gehalten, mit denen rund 70 Prozent der Bestellungen beliefert werden können. Der Rest wird auf Anfrage zeitnah beschafft und ausgeliefert. Der Lagerumschlag ist gewaltig: Zwischen 18.500 und knapp 90.000 Packungen verlassen täglich das Logistikzentrum, in Spitzenzeiten werden bis zu 25.000 Pakete mit 120.000 Packungen verschickt. Die Logistik übernehmen DHL, Hermes und Trans-o-flex.

Storb ist Wirtschaftsingenieur und war Ende 2009 von der Unternehmensberatung Kienbaum als Assistent von Geschäftsführer André Blümel nach Stuttgart gekommen. Im Herbst 2012 übernahm er die Leitung Key Account. Außerdem war er im Bereich National Gruppen und Versandhandel tätig. Seit Februar 2015 war er außerdem für den Bereich External Affairs zuständig, saß etwa im Brasilien-Board beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Im Frühjahr 2016 wurde ihm die Verantwortung für den Vertrieb in Hamburg, Delmenhorst, Porta Westfalica und Schwerin übertragen.

Storb wird zunächst gemeinsam mit Jörg Wienpahl arbeiten, der sich 2018 nach mehr als 15 Jahren bei DocMorris in den Ruhestand verabschieden wird. „Wir freuen uns sehr, dass Philipp Storb die nächsten Entwicklungsstufen unseres Unternehmens mitgestalten wird“, sagt DocMorris-CEO Olaf Heinrich. „Gleichzeitig bedanken wir uns schon jetzt für die über 15 Jahre Auf- und Ausbauarbeit, die Jörg Wienpahl in allen Entwicklungs- und Wachstumsphasen des Unternehmens erfolgreich begleitet hat.“

Ebenfalls Anfang Juli hatte es bei der Shop-Apotheke einen Neuzugang gegeben: Als Chief Brand Officer ist Dirk Brüse in Venlo für das komplette Markengeschäft zuständig. In seinen Bereich fallen Category & Content Management sowie die Internationalisierung des Geschäfts. Brüse war seit 2013 als Digital Director und seit 2015 als Chief Digital Director bei L‘Oréal Deutschland in der Sparte Cosmétique Active für die digitale Transformation der Marken Vichy und La Roche-Posay verantwortlich.

Zur Rose und Shop-Apotheke hatten zuletzt erfolgreiche Börsengänge hingelegt. Beiden Versandapotheken gemeinsam ist, dass sie zum Zalando der Apothekenbranche werden wollen. Die Argumente sind dieselben: Der fragmentierte europäische Apothekenmarkt sei reif für die digitale Disruption. Zugleich räumen sowohl Shop-Apotheke als auch Zur Rose ein, als Versandapotheken von den Marktzugangsbeschränkungen zu profitieren und belastbare Wettbewerbsvorteile vorweisen zu können: Anders als unabhängige Apotheken habe man Expansionsmöglichkeiten und Zugang zum Kapitalmarkt. Anders als andere deutsche und niederländische Versandapotheken habe man eine Marke. Anders als Pharmahändler habe man keine Interessenkonflikte. Und anders als Internetriesen wie Amazon sei man eine Apotheke und habe entsprechende Erfahrungen, hieß es zuletzt von Zur Rose.

Dem DocMorris-Mutterkonzern sind durch die Ausgabe von 1,4 Millionen neuen Aktien knapp 200 Millionen Franken zugeflossen. 72 Prozent der Anteile befinden sich in Streubesitz, Großaktionäre sind die Unternehmerfamilie Frey mit 14,5 Prozent und das saudische Königshaus mit 5,8 Prozent. Das Management hält 7,2 Prozent. Insgesamt wird die Gruppe mit rund 900 Millionen Franken bewertet, das entspricht ungefähr dem Umsatz im vergangenen Jahr (880 Millionen Franken) und dem 400-Fachen des operativen Ergebnisses (EBITDA). Legt man den Ertrag von 2015 zugrunde, kommt man auf Multiple von knapp 60.

Zum Vergleich: Der Konkurrent Shop-Apotheke erlöste durch den Börsengang im vergangenen Herbst rund 95 Millionen Euro netto, dafür verwässerten sich die Anteile der Altgesellschafter auf 60 Prozent. Der Ausgabepreis lag zwar am unteren Ende des Korridors von 28 bis 35 Euro. Der aus der Europa Apotheek abgespaltene OTC-Versender wurde aber trotzdem mit etwas mehr als 250 Millionen Euro und damit mit dem Doppelten des Umsatzes aus dem Vorjahr (126 Millionen Euro) bewertet. Auf EBIDTA-Ebene ließ sich wegen des Minus von 6,7 Millionen Euro kein Multiple berechnen.

Shop-Apotheke konnte zwar weder schwarze Zahlen noch ein irgendwie diversifiziertes Geschäftsmodell vorweisen – Zur Rose ist mit zwei Versandapotheken und einem Praxisgroßhandel am Start, Shop-Apotheke zu 85 Prozent in Deutschland und zu 95 Prozent im OTC-Versand aktiv. Dafür hatte man in Venlo aber die bessere Wachstumsstory: Zur Rose legte im vergangenen Jahr um 6 Prozent zu, selbst wenn man nur den Versandhandel betrachtet, ist das Plus nur einstellig. Nicht umsonst versprach CEO Walter Oberhänsli noch schnell die Übernahme einer kleineren deutschen Versandapotheke mit rund 40 Millionen Euro Umsatz.

Shop-Apotheke dagegen ein hohes Wachstum vorweisen sowie eine erste zarte Präsenz in Ländern wie Österreich, Belgien und Frankreich. Um die versprochene Internationalisierung zu unterstreichen, wurde kurz vor Börsengang noch der Zukauf der belgischen Versandapotheke Farmaline verkündet.

Im ersten Halbjahr legten die Erlöse um 53 Prozent auf 126 Millionen Euro zu. In Deutschland erhöhte sich der Umsatz nach vorläufigen Zahlen um 31 Prozent auf rund 92 Millionen Euro. Damit wuchs die börsennotierten Versandapotheke aus Venlo nach eigenen Angaben doppelt so schnell wie der deutsche OTC-Versandhandelsmarkt. Das Ergebnis vor Steuern lag bei minus 7,1 Millionen Euro nach minus 4,9 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2016.

Laut Fabian Kaske, Geschäftsführer der Pharma-Marketingagentur Dr. Kaske, sorgt das rasante Wachstum von DocMorris und Shop-Apotheke für Beunruhigung in der Industrie: „Die niederländischen Versandapotheken wachsen derzeit brutal, hier könnten wir ganz schnell oligopolistische Strukturen sehen, vielleicht schon übernächstes Jahr“, so Kaske. Das Plus habe nicht nur mit den TV-Kampagnen zu tun, sondern vor allem mit der „super aggressiven Preispolitik“ der beiden Versender. „Wir sehen durch die Bank teils drastische Preissenkungen. Hier wird massiv an der Preisschraube gedreht.“

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