Versandapotheken

Ströer kauft Vitalsana

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Berlin -

Vitalsana hat einen neuen Besitzer: Der Mediakonzern Ströer übernimmt die ehemalige Schlecker-Tochter für 4,5 Millionen Euro. Vor einem Jahr hatte Geschäftsführer Winfried Filzek noch dementiert, dass die Versandapotheke zum Verkauf steht. Damals war der Prospekt bereits an die Banken gegangen.

„Onlineapotheken sind stark marketinggetriebene Geschäftsmodelle. Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren zur Erreichung einer attraktiven Marge ist daher der direkte Zugang zu den richtigen Medienangeboten mit hoher Reichweite in den Kernzielgruppen“, kommentierte Ströer-COO Christian Schmalzl. „Vor dem Hintergrund unserer medialen Stärke sehen wir signifikante organische und anorganische Wachstumschancen. Vitalsana passt perfekt in das Ökosystem von Ströer.“

Schmalzl erwartet signifikante Synergien sowohl auf der Media-, als auch auf der Produktseite. Vor allem für die bereits bestehenden Angebote im 'Health & Beauty Vertical' erschließe man einen zusätzlichen attraktiven Vertriebskanal. „Mit unseren Medien treiben wir den Umsatz in unserem neuen Kanal Onlineapotheke und mit unserem neuen Kanal Onlineapotheke treiben wir den Umsatz für unsere Health & Beauty Angebote wie Asam Beauty und BodyChange.”

Ströer sieht sich mit Out-Of-Home-Medien in der Lage, die Gesamtbevölkerung als Basiszielgruppe für Onlineapotheken umfassend anzusprechen. „Darüber hinaus fokussieren Versandapotheken besonders auf die Kernzielgruppe 40plus, welche exakt über die reichweitenstärkste deutsche Internetplattform t-online.de und StayFriends erreicht werden.“ Die im vergangenen Jahr übernommene Plattform t-online.de sei „inhaltlich die ideale Plattform für Health- und Well Being-Produkte“.

Nach der Pleite der Drogeriekette Schlecker war die Zukunft der ehemals hauseigenen Versandapotheke lange ungewiss. Schließlich übernahm das Management im September 2012 die Führung selbst: Der ehemalige Chefcontroller von Schlecker, Marcus Breyer, und Filzek führen Vitalsana seitdem in Eigenregie.

Breyer ist dabei mit zwei Dritteln an der gemeinsamen Holding HBF Capital beteiligt, Filzek zu einem Drittel. Vitalsana sowie der Großhändler ApDG sind hundertprozentige Töchter der Gesellschaft. Chefapotheker bei Vitalsana ist der DocMorris-Gründer Jacques Waterval. Um die Geschicke des Großhändlers kümmert sich Andreas Karras.

Dem Verkaufsprospekt zufolge hat Vitalana 1,6 Millionen Kunden, die für 2014 angegebene Wachstumsrate von 13 Prozent pro Monat wäre allerdings über Marktniveau. 2014 soll es insgesamt 188.000 Bestellungen gegeben haben. Demnach bestellt jeder Kunde 3,2 mal pro Jahr. Das Warenlager wurde 2014 den Verkaufsunterlagen zufolge im Durchschnitt monatlich umgeschlagen.

Für 2014 wurde ein Umsatz von 26,6 Millionen Euro ausgegeben, aktuell sollen es laut Ströer-Mitteilung rund 30 Millionen Euro sein. Nach einem organischen Wachstum von knapp 5 Prozent wurde für die kommenden Jahren jeweils ein Plus von 7 Prozent angepeilt. Deutlich mehr Musik wäre im Geschäft, würden drei Millionen Euro in den Betrieb investiert, hieß es im Prospekt.

Dann wäre schon im laufenden Jahr ein Plus von knapp 10 Prozent drin. 2016 würde der Umsatz den Prognosen zufolge um 35 Prozent steigen, im Jahr darauf sogar um 40 Prozent. Bis 2017 könnte Vitalsana den Umsatz demnach auf 55,3 Millionen Euro mehr als verdoppeln. Entsprechend attraktiver wäre die Ertragslage: 2015 würde zwar das operative Ergebnis (EBIT) noch von knapp 430.000 Euro auf etwa 110.000 Euro fallen. Unter dem Strich könnte also ein Minus stehen. Für 2016 wurde aber schon ein EBIT von 1,1 Millionen Euro avisiert, im Jahr darauf sogar von 2,7 Millionen Euro.

Schlecker hatte Vitalsana im August 2007 über eine spanische Tochtergesellschaft gegründet. Im Februar 2008 nahm die Versandapotheke mit Sitz im niederländischen Heerlen nach einer Testphase und juristischen Auseinandersetzungen ihren regulären Geschäftsbetrieb auf. Im Juni lagen die Kataloge dann auch bei den früheren Schlecker-Töchtern „Ihr Platz“ und „drospa“. Im August 2008 wurden die ersten Pick-up-Aufsteller in den Filialen installiert.

2010 soll Vitalsana nicht nur gewachsen sein, sondern erstmals Gewinne erzielt haben: In den ersten beiden Jahren hatten sich Verluste von knapp 20 Millionen Euro angehäuft. Im Herbst 2010 meldete ein Konzernsprecher den Break-even.

Wegen der mutmaßlich zu engen Bindung an Schlecker musste sich Vitalsana einer Klage der Wettbewerbszentrale erwehren. Weil maßgebliche Tätigkeiten der Versandapotheke von der Schlecker-Zentrale im baden-württembergischen Ehingen aus gesteuert wurden, lautete der Vorwurf auf Betrieb einer Apotheke ohne Betriebserlaubnis. Doch die Frage, wann das Fremdbesitzverbot berührt ist, wurde nich endgültig entschieden – die Pleite der Drogeriekette kam einer letztinstanzlichen Klärung zuvor.

Vitalsana war traditionell schwach im Rx-Geschäft. Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hatte der Versandapotheke bereits Ende 2009 verboten, Kunden für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel Gutscheine im Wert von 3 Euro zu gewähren. Anders als die Konkurrenz aus den Niederlanden hatte Vitalsana danach nicht mehr für Rx-Boni gekämpft, sondern sich auf das OTC-Geschäft konzentriert.

Die OTC-Fixierung – 90 Prozent der Erlöse werde mit Produkten der Selbstmedikation und Körperpflege erwirtschaftet – wirkte sich beim Verkaufsprozess offenbar positiv aus. Nach einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Bundesgerichte müssen sich auch ausländische Versandapotheken an die deutschen Preisvorschriften halten. Der Gesetzgeber hatte im Anschluss eine entsprechende Klarstellung vorgenommen.

Seitdem ist das Rx-Geschäft auch für die „Holland-Versender“ schwieriger geworden. Auch das Pick-up-Konzept hat sich nie wirklich durchgesetzt. Zuletzt hatte die Drogeriekette dm die Bestellterminals der Versandapotheke „Zur Rose“ abgebaut. Die dm-Filialen dienen seitdem nur noch als Abholstellen. Das Rezeptsammeln in den Filialen hat – möglicherweise auch wegen fehlender Boni – nicht funktioniert. Vitalsana hatte seine Präsenz vor Ort mit der Schlecker-Pleite ohnehin eingebüßt.

Einzige Hoffnung der EU-Versandapotheken ist das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zum Geltungsbereich der Preisbindung sowie ein entsprechendes Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland. Sollten die Luxemburger Richter entscheiden, dass die deutschen Preisvorschriften nicht für ausländische Versandapotheken gelten, wäre das Rezeptgeschäft mit einem Schlag wieder attraktiv.

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