Interview

Vitalsana-PTA: Call-Center im Schleckerland

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Die niederländische Versandapotheke Vitalsana bestreitet Vorwürfe, maßgebliche pharmazeutische Aktivitäten in Deutschland auszuführen. Doch jetzt meldet sich eine PTA zu Wort, die nach eigenen Angaben in Kornwestheim bei Stuttgart in einem Call-Center der Bertelsmann-Tochter Arvato für Vitalsana tätig war. Im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC berichtet sie über pharmazeutische Beratung, Zeitvorgaben und ein weiteres Call-Center in der Schlecker-Zentrale in Ehingen.

ADHOC: Sie haben als PTA für Vitalsana in Kornwestheim gearbeitet. Wurde dort auch pharmazeutisch beraten?
PTA: Am Anfang durften nur die Apotheker beraten, weil Vitalsana Angst vor Testanrufen der Konkurrenz hatte. Aber nach ein paar Monaten haben auch wir PTA beraten, natürlich.

ADHOC: Wie muss man sich die Beratung vorstellen?
PTA: Wenn ein Kunde Beratung wünscht, müssen die Telefonisten im Call-Center an das pharmazeutische Personal abgeben. Aber weil das Verbinden zu lange dauert, wird den Kunden die Durchwahl gegeben mit der Bitte, noch einmal anzurufen. Ich habe das immer als schlechten Service empfunden, aber so lautete die Anweisung von oben.

ADHOC: Hatten Sie auch Zeitvorgaben?
PTA: Strenge Vorgaben sogar: Für ein Telefonat hatten wir 2 Minuten und 50 Sekunden, für die Eingabe von Rezepten oder Bestellscheinen vier bis sechs Minuten und für die Kontrolle der Rezepte nur eine Minute. Wer die Limits nicht einhielt, wurde zu Einzelgesprächen mit den Chefs bestellt.

ADHOC: Wie viele Kollegen hatten Sie?
PTA: Zu Spitzenzeiten waren wir in Kornwestheim rund 120 Angestellte. Mittlerweile sind es aber nur noch etwa halb so viele. Viele Mitarbeiter, die für Arvato bei Vitalsana arbeiten, haben Verträge mit Zeitarbeitsfirmen. Wenn wir von den Kunden gefragt wurden, haben wir aber gesagt, dass sie mit Vitalsana in Holland verbunden sind.

ADHOC: Was passiert denn überhaupt in Heerlen?
PTA: Das Scannen der Rezepte, der Versand und die Retouren. In Kornwestheim werden Rezepte und Bestellscheine bearbeitet. Wir mussten alle Patientendaten sowie Rechnungs- und Lieferanschrift eingeben und Rücksprache mit den Patienten und Ärzten halten.

ADHOC: Welche Rolle spielt Schlecker?
PTA: Schlecker hatte im Juni 2008 auch in der Zentrale in Ehingen ein eigenes Call-Center eingerichtet. Die PTA und PKA wurden zunächst bei uns in Kornwestheim geschult und haben dann in Ehingen Buchhaltung, Rezeptkontrolle und -bearbeitung gemacht und nebenher telefoniert.

ADHOC: Mit Kunden?
PTA: So weit ich weiß, wurde da auch beraten. Aber das Call-Center im Schleckerland gibt es seit Oktober nicht mehr.

ADHOC: Warum nicht?
PTA: Das weiß ich nicht. Schlecker wollte damals vor allem einen Draht nach Kornwestheim. Aus Ehingen haben wir von den Kollegen Anweisungen bekommen, zum Beispiel zum Austausch von Rabattarzneimitteln.

ADHOC: Welchen Einfluss hat Schlecker in Kornwestheim?
PTA: Von Ehingen aus hatten Schlecker-Mitarbeiter Zugriff auf das System und konnten alle Vorgänge kontrollieren. Auch in Kornwestheim gab es regelmäßig Kontrollen, aber nicht von Schlecker. Allerdings haben dort oft potentielle Kunden von Arvato das Call-Center besichtigt und uns bei der Arbeit über die Schulter geschaut.

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