Vitalsana - Die Urteilsgründe Alexander Müller, 18.02.2011 10:09 Uhr
Aus Sicht des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLG) betreibt Vitalsana eine Apotheke in Deutschland ohne Erlaubnis. Bei den Aktivitäten der Versandapotheke hierzulande hatten die Richter keine Zweifel, dass sie „im Kernbereich der Apothekentätigkeit liegen und unmittelbar dem pharmazeutischen Bereich unterfallen“.
Beispielhaft wird das Call-Center der Versandapotheke im baden-württembergischen Kornwestheim angeführt, von dem aus die Beratung stattfindet. Zu den weiteren Leistungen zählen laut Urteil Vertragsverhandlungen, Arzneimittelbeschaffung, logistische Planung, Organisation der Retouren sowie zeitweise sogar die Rezeptannahme über ein Postfach in Aachen.
Wenn eine ausländische Versandapotheke dies alles gewissermaßen als Nebentätigkeiten nach Deutschland auslagern könnte, wäre aus Sicht der Richter eine Kontrolle des Anbieters unmöglich - schon wegen der fehlenden Zuständigkeit der Behörden. Vitalsana müsste also eine Betriebserlaubnis in Deutschland beantragen.
Doch die sei hierzulande personengebunden, damit der Apotheker die Verantwortung trägt „und auch tatsächlich wahrnehmen muss“. Laut Gesetz dürfe er die Leitung nicht einmal zeitweise an eine Gesellschaft übertragen, so das OLG mit Verweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Abgabeterminal Visavia.
Die vergleichsweise hohen Telefonkosten von 14 Cent pro Minute bei der Beratungshotline von Vitalsana sind aus Sicht der Richter mit der Beratungspflicht einer Apotheke nicht vereinbar. Auch wenn dem Kunden im Versandhandel freistehe, ob er sich beraten lasse, dürfe Vitalsana „keinerlei Hürden aufrichten“. Insbesondere zusätzliche Kosten könnten den Patienten jedoch davon abhalten, sich beraten zu lassen.
Dass Vitalsana sich dabei auf die eigenen Geschäftsbedingungen berufen wollte, ließen die Richter nicht gelten: „Es steht nicht in der Verfügungsbefugnis des Einzelnen, zwingende öffentlich-rechtliche Vorschriften zum Schutz der Volksgesundheit und der Gesundheit des konkret betroffenen Menschen vertraglich aufzuheben oder aufzuweichen“, heißt es in der Begründung.
In der Frage der Trennung zwischen Schlecker und Vitalsana bestätigte das OLG die Entscheidung der Vorinstanz: Der Verbraucher gewinne durch die monierte Vitalsana-Werbung den Eindruck, sein Vertragspartner sei die Firma Schlecker, heißt es in der Begründung.
Vitalsana hätte den Richtern zufolge klarer machen müssen, dass die Medikamente in den Niederlanden bestellt werden und bei einer Beanstandung nicht in der Schlecker-Filiale zurückgegeben werden könnten. Laut OLG hat sich Vitalsana in dieser Frage sogar vor Gericht selbst widersprochen: „Die Relevanz des Sitzes der Beklagten für die Verbraucherentscheidung - und damit ein Täuschungsmotiv - räumt die Beklagte selbst ein, indem sie ausführt, durch einen aufklärenden Hinweis könne es zu einer Schädigung ihres Geschäftes kommen“, heißt es in der Begründung.