Er steht für Digitalisierung wie kein anderer: Sascha Lobo, Buchautor und Kolumnist bei Spiegel Online erklärte bei der Digitalkonferenz VISION.A von APOTHEKE ADHOC, wie die digitale Vernetzung und Datenströme die Gesundheitswirtschaft verändern können.
„Wir leben in einer Zeit des exponentiellen Fortschritts“, so Lobo. Der Takt der technologischen Entwicklungen habe angezogen, alles passiere sehr schnell. Das Smartphone sei zwar erst 2007 erfunden worden, habe jedoch bereits die Gesellschaft revolutioniert. 62 Prozent nutzten das Internet inzwischen über mobile Endgeräte.
Mit der Nutzung von Smartphones seien unvorhersehbare Mengen von Daten entstanden, ganze Datenströme. Diese ließen sich auch in der Gesundheitswirtschaft einsetzen. Lobo nennt als Beispiel eine geplante App von Google: „Deep Dish Learning“. Sie soll anhand des Fotos einer Mahlzeit erkennen können, wie viele Kalorien das Gericht enthält.
Mit dem Smartphone trägt man laut Lobo zudem eine „Sensorenflut in der Tasche”. Mit den Daten, die das Gerät erheben kann, könne inzwischen eine Grippeerkrankung des Nutzers vorhergesagt werden. Menschen seien zudem „datenbegeistert“ und würden trotz aller Bedenken zur Privatsphäre die gemessenen Datenströme ins Netz stellen: „Auch Gesundheitsdaten werden geteilt, wenn man sich davon einen Vorteil verspricht“, so Lobo.
Ob dieser Umgang mit Daten gut oder schlecht sei, wolle er nicht bewerten. Sicher sei aber, dass es keine natürliche Grenze für das Teilen der eigenen Datenströme gebe. Selbst eine Plattform, in der Nutzer Auskunft zu ihren Geschlechtskrankheiten geben und diese Informationen mit Freunden teilen können – hulahq.com – funktioniere.
Überhaupt seien Plattformen der nächste Entwicklungsschritt der Wirtschaft, sagt Lobo. Er spricht von „Plattform-Kapitalismus“. Eine Plattform bezeichnet demnach ein digitales Ökosystem, in dem Kundenbeziehungen gepflegt werden können. Die große Bedeutung der Plattformen bestehe darin, dass sie über die Datenströme ihrer Nutzer verfügen können.
Nutzerdaten können etwa verwendet werden, um die Effizienz der Gesundheitsversorgung zu steigern. „Damit ließe sich ein Problem lösen, dass Apotheker aus ihrem Alltag kennen: dass sich Patienten nicht an ihre Medikation halten.“ Dazu reicht unter Umständen die Smartwatch oder das Smartphone: Mit dem eingebauten Bewegungssensor könne geprüft werden, ob der Patient die Tablette genommen habe. In den USA sei zudem eine Tablette gegen Schizophrenie zugelassen worden, in der ein Sensor eingebaut sei, berichtet Lobo. Der Sensor informiert darüber, ob der Patient das Medikament ordnungsgemäß eingenommen hat.
Werden die Daten des Tablettensensors etwa an den Apotheker weitergeleitet, kann der direkt eingreifen, wenn der Patient Fehler bei der Einnahme macht. Doch der Besitz dieser Daten bedeute auch Macht und die Möglichkeit, Sanktionen bei Nicht-Einhaltungen zu verhängen, warnt Lobo. Das könne beispielsweise problematisch werden, wenn die Krankenkassen Zugang zu diesen Datenströmen haben.
Lobo schließt: „Digitale Vernetzung ist überall, selbst in Produkten, in denen wir es nicht erwarten, wie in der Medizin.“ Pfizer arbeite an einer Tablette mit Nano-Robotern, die so programmiert werden sollen, dass sie Krebszellen attackieren. „Das von vielen herbeigesehnte Medikament könnte also eine Software sein.“
Bei den technologischen Entwicklungen sieht Lobo die Rolle der Apotheker im Menschlichen: „Sie sollten der Wegweiser Ihrer Patienten sein.“ Apotheker müssten Patienten in der Digitalisierung der Gesundheit zur Seite stehen – und über die Vorteile und die Nachteile aufklären, die etwa der Zugang zu seinen Gesundheitsdaten mit sich bringt. Dazu sei es unverzichtbar, auf dem neuesten Stand zu bleiben. „Es gibt keine Alternative: Sie müssen sich mit der Digitalisierung auseinandersetzen, wenn Sie die Zukunft nach Ihren Interessen mitgestalten wollen.”
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