Virostatika

Truvada: Streit um Generika Nadine Tröbitscher, 03.08.2017 09:33 Uhr

Berlin - 

Truvada (Tenofovir/Emtricitabin, Gilead) ist das am häufigsten eingesetzte „Backbone“ in der antiretroviralen Therapie (ART). Seit dem 1. August sind Generika gelistet, die deutlich unter dem Listenpreis des Originals liegen. Aber sind diese eigentlich zulässig? Gilead hat ein Schutzzertifikat für Deutschland, das den Patentschutz bis 2020 verlängern kann.

In einem Urteil des Bundespatentgerichtes heißt es: „Der Antragstellerin wird ein ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel für das Erzeugnis 'Tenofovir Disoproxil und die Salze, insbesondere das Fumarat, Hydrate, Tautomere und Solvate davon in Kombination mit Emtricitabin' mit einer Laufzeit vom 26. Juli 2017 bis zum 21. Februar 2020 erteilt.“ Gilead meint: „ Deshalb sind Generika für die Fixkombination aus unserer Sicht nicht zulässig – entsprechende rechtliche Schritte behalten wir uns vor.“

Dennoch, zum 1. August haben sieben Generikahersteller ihre Präparate gelistet. Konkurrenz bekommt Gilead von Aliud, Betapharm, Hexal, Hormosan, Mylan, TAD und Zentiva. Auch erste Rabattverträge wurden bereits geschlossen. Aliud konnte sich mit der DAK einigen, Zentiva hingegen Rabattverträge mit mehreren Partnern schließen können, darunter DAK, Barmer und einige AOKen, wie die AOK Nordost und Bremen. Ware können die Apotheken bislang jedoch noch nicht über den Großhandel bestellen.

Mit Truvada hat Gilead im vergangenen Jahr etwa 3,6 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Die Kombination aus Tenofovir-Disoproxylfumarat (TDF) und Emtricitabin bildet als „Backbone“ die Basis des individuellen Therapieregimes und wird mit weiteren Wirkstoffen kombiniert. TDF und Emtricitabin gehören zur Gruppe der Nukleosidischen-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) und bewirken einen DNA-Kettenabbruch. Das Therapieregime kann mit einem Proteaseinhibitor (PI) wie Invirase (Saquinavir) oder Prezista (Darunavir) und/oder einem Entry-Inhibitor (EI) wie Celsentri (Maraviroc) als Dreifachbehandlung komplettiert werden.

Die Dreierkombination greift an verschiedenen Stellen in der Virusvermehrung an und gilt als hochaktive antiretrovirale Therapie. Der EI verhindert ein Eindringen des Virus in die Zelle über den Co-Rezeptor CCR5, die NRTI sorgen für einen Kettenabbruch während der Umschreibung der Virus RNA und der PI hemmt die Reifung des neuen Virus. Für den Einsatz von Maraviroc ist ein Tropismustest vor Therapiebeginn notwendig, dieser gibt an, über welchen Co-Rezeptor das Virus in die Zellen gelangt – CXCR4 oder CCR5. Zudem liegen für den Wirkstoff vermehrt Resistenzen vor.

TDF kommt bei etwa 70 bis 80 Prozent der HIV-Patienten zum Einsatz. Die NRTI-Kombination Truvada ist auch für die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) als Schutz vor Ansteckung zugelassen, die Kosten tragen die Krankenkassen jedoch nicht. Das Generikum von Hexal ist als einziges Nachahmerpräparat für die PrEP indiziert.

Gilead hat mit Descovy einen eigenen „Truvada-Nachfolger“ am Markt. TDF wurde durch Tenofovir-Alafenamid (TAF) ersetzt, das plasmastabil ist und somit geringer dosiert werden kann. Die Kombination aus Emtricitabin und TAF ist zudem besser verträglich.