Weichert: Unfundiert und unzuständig Alexander Müller, 13.11.2013 15:22 Uhr
Die Datenschützer der Bundesländer sind unabhängig und dürfen sich zu allen datenschutzrechtlichen Themen frei äußern. Sprechen sie allerdings gezielte Warnungen aus, müssen sie sich auf fundierte Aussagen stützen und ihre Zuständigkeit im Blick behalten. Beides hat Dr. Thilo Weichert nach Auffassung des Verwaltungsgerichts in Schleswig nicht getan. Wegen seiner Aussagen zur Datenweitergabe des Rechenzentrums VSA kassierte der Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein vom Gericht eine einstweilige Anordnung – und deutliche Worte.
Weichert hatte mehrfach öffentlich scharfe Kritik an der Verschlüsselungstechnik der VSA geäußert. Zu den Vorwürfen zählte, das Rechenzentrum gebe keine anonymisierten, sondern pseudomisierte Daten heraus; eine Zuordnung der Patientendaten sei möglich und von der VSA beabsichtigt. Solche und weitere Anschuldigungen hatte Weichert gegenüber Medien wie „Spiegel“, „Bayern 2“, „Deutsche Welle“ oder „TAZ“ geäußert.
Die VSA hatte sich nicht nur gegen die Berichterstattung zur Wehr gesetzt, sondern war auch direkt gegen den Datenschützer vorgegangen. Mit der einstweiligen Anordnung hat das Rechenzentrum erreicht, dass Weichert die aus Sicht des Gerichts unfundierten Vorwürfe nicht mehr äußern darf. Das Verfahren ist allerdings noch nicht abgeschlossen.
„Unzureichende Tatsachengrundlage und kein Anlass für eine unzuständige Behörde“, befand das Verwaltungsgericht. Die Behauptung Weicherts, das Geschäftsmodell der VSA sei illegal, könne bei dieser zu wirtschaftlichen Einbußen führen, so die Richter. Gerade wegen dieser gravierenden Folgen, hätte er den Sachverhalt gründlich und sorgfältig prüfen müssen.
Für Weichert gab es laut dem Beschluss auch keinen Grund, sich öffentlich über die VSA auszulassen. Zuständig für das Rechenzentrum sei die bayerische Datenschutzbehörde. Diese habe „ermittelt, geprüft und mit dem Ergebnis abgeschlossen, dass keine datenschutzrechtlich unzulässigen Datenverarbeitungen [...] feststellbar sind“. Das seit September 2013 angewandte Anonymisierungsverfahren sei vom Landesamt für Datenschutzaufsicht sogar empfohlen worden.
Die Richter bezweifeln, dass Weichert selbst stichhaltige Beweise für seine Anschuldigungen hat. Der Datenschützer hatte bei seinen bayerischen Kollegen deren Abschlussbericht angefragt. Bei der summarischen Prüfung im Eilverfahren habe Weichert nicht glaubhaft gemacht, „dass seine Äußerungen auf einer ausreichend ermittelten Tatsachengrundlage beruhen“.
Mit den tatsächlichen technischen Voraussetzungen der Datenweitergabe hat sich das Gericht nicht befasst. Die abgeschlossene Prüfung der zuständigen Behörde spreche aber gegen die Annahme eines offensichtlichen Rechtsverstoßes, heißt es im Beschluss.
Dass die Datenschützer der Bundesländer in der Frage der Datenweitergabe nicht einig sind, rechtfertigt aus Sicht der Richter keine öffentliche Schelte eines einzelnen Unternehmens. Weichert hätte sich auch allgemein, ohne Nennung von Namen, äußern können, so das Gericht.
Dass Weichert inhaltlich an seiner Position festhält, werteten die Richter als Wiederholungsgefahr. Der Datenschützer hatte es auch abgelehnt, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Mit der einstweiligen Anordnung droht Weichert ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro, wenn er die Vorwürfe weiterhin verbreitet.
Gegen den Beschluss kann der Datenschützer innerhalb von zwei Wochen sofortige Beschwerde beim Verwaltungsgericht oder Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein einlegen – und wird dies nach Bekunden seiner Behörde auch tun.