Mit dem Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) wurden Rx-Boni verboten beziehungsweise aus dem Preis- ins Sozialrecht überführt. Seit Dezember 2020 dürfen daher keine Preisnachlässe auf Kassenrezept gewährt werden, entsprechend brachen die Umsätze der niederländischen Versender ein. Mittlerweile gibt es eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau – und neue Begehrlichkeiten.
Mit dem VOASG hatte die Politik auf das Rx-Boni-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Oktober 2016 reagiert. Weil der einheitliche Abgabepreis mit dem Luxemburger Richterspruch für ausländische Versender de facto gestrichen wurde, wurde er ins Sozialgesetzbuch (SGB V) überführt. Damit gilt die Preisbindung wieder, allerdigs nur noch im GKV-Bereich.
In der Folge brach das Rx-Geschäft der Versender massiv ein, was sich am Beispiel von Shop Apotheke nachvollziehen lässt: Wurden 2020 noch 219 Millionen Euro in dem Bereich erzielt, waren es 2021 noch 143 Millionen Euro und 2022 noch 130 Millionen Euro. Anders ausgedrückt: Zwei Drittel des Wachstums im OTC-Bereich wurden bei Shop Apotheke 2021 durch Rückgänge im Rx-Segment aufgezehrt.
Der DocMorris-Mutterkonzern Zur Rose machte erstmals für 2022 Angaben zum Rx-Geschäft. Demnach wurden in diesem Bereich 215 Millionen Franken erlöst, was auch etwas mehr als 200 Millionen Euro entspricht. Im Vorjahr waren es noch 244 Millionen Franken gewesen. Ganz überwiegend handelt es sich um Papierrezepte. Erste E-Rezepte trudeln zwar ein, spielen laut Management der beiden Versender aber noch keine große Rolle.
Immerhin: Nach dem Einbruch unmittelbar zu Beginn des Jahres 2021 mit Einbußen von bis zu einem Drittel hat sich der Rx-Umsatz stabilisiert. Und beide Versender erzielen immer noch einen beträchtlichen Teil ihrer Erlöse mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln. Bei Shop Apotheke sind es 14 Prozent vom Umsatz hierzulande, bei Zur Rose sogar 20 Prozent. Welcher Anteil jeweils auf GKV und PKV entfällt, war auf Nachfrage nicht zu erfahren.
Tatsächlich wirbt Shop Apotheke nach wie vor für den „Privatrezept-Bonus“: Je nach Preis gibt es für jedes bestellte rezeptpflichtige Medikament auf Privatrezept eine Gutschrift, die dann beim nächsten OTC-Kauf eingelöst werden kann:
Bei drei Packungen kann so ein Maximalbonus von 30 Euro pro Rezept erzielt werden. Gut möglich, dass hier Rezepte über klassische Selbstzahlerpräparate wie etwa Kontrazeptiva eingereicht werden.
Zusätzlich hatte Shop Apotheke eine strategische Partnerschaft mit Zava an Land gezogen: „Rezepte online anfragen“, heißt es in der Rubrik „Online-Arzt-Service“ der Versandapotheke. Für eine Behandlungsgebühr zwischen 9 und 29 Euro werde das gewünschte Rezept ausgestellt – „kein Warten auf Termine, kein Wartezimmer, an 7 Tagen die Woche möglich“. Geliefert werde dann nicht nur versandkostenfrei, sondern inklusive „Privatrezept-Bonus“. Zwar hatte der Bundesgerichtshof (BGH) das Modell zuletzt für unzulässig erklärt, noch ist es aber auf der Website zu finden.
Und als ob das nicht genug wäre, hat Shop Apotheke auch schon Gutscheine an Kassenpatienten verschickt: „Zusätzlich 2,50 Euro Bonus für Ihre nächste Kassenrezept-Einsendung“, hieß es in einem Kundenschreiben aus dem vergangenen Mai. Der Gutschein sollte zusammen mit mindestens einem Kassenrezept per Post eingeschickt werden. Der Bonus werde direkt verrechnet, sofern nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel mitbestellt werden. Restbeträge würden dem Kundenkonto gutgeschrieben.
DocMorris wiederum wirbt gegenüber Stammkunden mit einem Treuebonus auf Rezept. Mitglieder des Treueprogramms erhalten am Monatsanfang eine Gutschrift auf ihrem „Treuekonto“. Berücksichtigt werden dabei nur postalische Bestellungen – für das E-Rezept gibt es also nach wie vor keine Boni. Das Guthaben wird mit dem Kauf rezeptfreier Produkte verrechnet, alternativ ist eine Auszahlung ab einem Wert von 20 Euro möglich oder spätestens zum Quartalsende.
Gesetzlich Versicherte erhalten einen Bonus in Höhe von 50 Prozent der Zuzahlung – also 2,50 bis maximal 5 Euro. Zuzahlungsbefreite erhalten immer 2,50 Euro. Diesen Betrag erhalten auch Privatversicherte, allerdings sind in diesem Fall Arzneimittel unter einem Wert von 5 Euro vom Bonusprogramm ausgenommen. Bei freiverkäuflichen Produkten gibt es einen „Treuevorteil“ von 1 Prozent.
Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) hat bereits angekündigt, gegen die wieder eingeführten Rx-Boni der beiden großen Holland-Versender vorzugehen. Einen anderen Prozess hat DocMorris schon verloren: Der Versender klagte gegen die Paritätische Stelle des GKV-Spitzenverbandes und des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), der nicht nur Sanktionen verhängen, sondern widerspenstige Versender sogar von der Versorgung ausschließen kann. Doch das Sozialgericht Berlin spielte nicht mit.
Beide Versender wollen es offensichtlich drauf ankommen lassen und hoffen auf eine erneute Vorlage beim EuGH: „DocMorris setzt sich weiter für den Bonus auf Rezept ein“, heißt es auf der Website der Zur Rose-Tochter. Man halte das jetzige Bonusverbot für europarechtswidrig. „Wir werden uns mit allen Mitteln weiter für Sie und die Versicherten einsetzen und hoffen, ihnen in Zukunft wieder einen Bonus auf Rezept gewähren zu dürfen. Bitte unterstützen Sie uns dabei, indem Sie uns weiterhin Ihre Rezepte und Bestellungen anvertrauen.“
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