Die EU-Versandapotheke hat sich abgemeldet, aber viele Ex-Kunden und Geschäftspartner mit offenen Rechnungen hinterlassen. Und weil die ehemalige Inhaberin Dr. Bettina Habicht nicht Insolvenz angemeldet hat, laufen immer wieder Forderungen bei ihr ein. Das Außergewöhnliche: Ex-Mitarbeiter helfen den geprellten Kunden, an ihr Geld zu kommen. Und mit dem Online-Bezahldienst Paypal hat die Apothekerin ein weiteres Schwergewicht auf der Gegenseite.
Ende Februar wurden alle Mitarbeiter der Versandapotheke freigestellt, nachdem die Behörde Habicht die Versanderlaubnis entzogen hatte. Knapp einen Monat später wurde auch das Vor-Ort-Geschäft der Apotheke am Telering aufgegeben, Habicht arbeitet aktuell als Filialleiterin in einer anderen Cottbuser Apotheke – ist im Hintergrund aber schon mit einem anderen Projekt beschäftigt.
Die etwa 55 Mitarbeiter aus dem Versandgeschäft waren bei der Firma Equa Consulting angestellt, für die beim Amtsgericht Cottbus bereits Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt wurde. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird aber seine liebe Mühe haben, das Firmengeflecht aus Equa Consulting, der EU-Versandapotheke, der Immobilienverwaltung S.I.T.E.F. und dem „Zuzahlungsclub“ Valerevital zu entwirren. Die zuständige Kanzlei gibt sich bislang zugeknöpft.
Doch was passiert in der Zwischenzeit mit den Ex-Kunden der EU-Versandapotheke? Habicht hat zwar versucht, diese – aus welchem Antrieb auch immer – zur niederländischen Shop-Apotheke zu lotsen, aber Altschulden dürfte davon kaum betroffen sein. Und Insider schätzen die Verbindlichkeiten der EU-Versandapotheke – außerhalb des Millionenstreits mit dem Großhändler Phoenix – auf einen mittleren sechsstelligen Betrag.
Neben Dienstleistern mit offenen Posten sind vor allem geprellte Kunden betroffen. Die Zahlung per Rechnung hatte die EU-Versandapotheke mit Sitz in Cottbus schon Monate vor dem Aus abgeschafft. Da die Lieferfähigkeit aufgrund der bröckelnden Liquidität sich immer weiter verschlechterte, warteten Anfang des Jahres tausende Kunden auf ihre bestellten und bezahlten Medikamente.
Die Kommunikation mit der abgeschalteten Versandapotheke gestaltet sich zwar schwierig, Habicht reagiert Betroffenen zufolge aber durchaus auf Forderungen, wenn diese energisch genug vorgetragen werden. Dabei hilft das „Helpdesk“, die Plattform ehemaliger Mitarbeiter, die für diesen Service der besonderen Art sogar einige ehemalige Domains der Versandapotheke gekapert haben – Habicht verfügt offenkundig nicht über die Rechte der Domains.
Etwa 1000 Anfragen von Ex-Kunden sollen bereits eingegangen sein. Circa neun von zehn haben demnach über Paypal bezahlt. Der Online-Dienst bietet einen sogenannten Käuferschutz. Wenn der Kunde ein Problem meldet, wird der Verkäufer von Paypal aufgefordert, den Versand der Ware nachzuweisen. Bleibt dies aus, wird immer zu Gunsten des Käufers entschieden und der Verkauf rückabgewickelt. Paypal hat Zugriff auf beide Seiten.
Etliche Kunden der EU-Versandapotheke konnten von ihrem Käuferschutzrecht innerhalb von 180 Tagen Gebrauch machen und ihr Geld zurückfordern. Paypal kommt nur an das Geld, wenn das hinterlegte Konto gedeckt ist. Mit dem strengen luxemburgischen Bankgeheimnis im Nacken konnte eine Sprecherin des Unternehmens keine konkreten Angaben zu Einzelkunden machen. Doch dem Vernehmen nach ist das Paypal-Konto der EU-Versandapotheke mit einem höheren fünfstelligen Betrag im Minus und inzwischen gesperrt. Paypal Berlin hat angeblich sogar schon Klage gegen Habicht eingereicht.
Das Helpdesk richtet sich auch an Mitglieder des Zuzahlungsclubs Valerevital aus dem Umfeld der EU-Versandapotheke. Gegen Zahlung einer Mitgliedsgebühr hatte Valerevital die gesetzliche Zuzahlung ganz oder teilweise erstattet. Doch der Verein hat seine Tätigkeit anscheinend ebenfalls vollständig eingestellt. Laut der Plattform Helpdesk warten daher zahlreiche Kunden noch auf ihre vertraglich zugesicherten Rückerstattungen, obwohl die Jahresbeiträge vor nicht allzu langer Zeit eingezogen worden seien. Zur Hilfestellung ist auf der Plattform sogar die neue Anschrift des Vereins angegeben.
Parallel kämpfen die Ex-Mitarbeiter für ihre eigenen Interessen: Insidern zufolge wollen mindestens zehn ehemalige Angestellte gegen ihre Entlassung vor dem Arbeitsgericht klagen und Habicht sowie ihren Ehemann Sven Schumacher später in einem Zivilprozess haftbar machen.
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