Gratiszugaben zu Impfstoffen

Versender darf Ärzte beschenken

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Berlin -

Bei der Abgabe preisgebundener Arzneimittel sind selbst geringwertige Zugaben verboten. Das gilt laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aber nicht in jedem Fall: Apotheken dürfen Ärzten demnach kostenlos Kanülen zur Verfügung stellen, wenn sie sie in großem Umfang mit Impfstoffen beliefern.

Die Schloss Apotheke, einer der führenden Impfstoffversender, hatte gegenüber Ärzten damit geworben, ab einer Bestellmenge von 100 Impfdosen bestimmte „Serviceartikel“ gratis dazuzugeben. Dabei handelte es sich um Applikationshilfen, Injektionspflaster, Alkoholtupfer und Kanülensammler. Der Apothekenverkaufspreis der Produkte lag zwischen 2,22 und 3,22 Euro, der Gesamtwert bei rund 13 Euro.

Die Wettbewerbszentrale hatte in der Werbung einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und die Anti-Korruptionsstraftatbestände im Strafgesetzbuch (StGB) gesehen und Apotheker Markus Kerckhoff verklagt. Der hatte nur bezüglich preisgebundener Impfstoffe die geforderte Unterlassungserklärung abgegeben. Weil für die allermeisten Impfstoffe kein Festpreis besteht, reichte das der Wettbewerbszentrale aber nicht aus und man traf sich vor Gericht.

Im März hatte das Oberlandesgericht Köln (OLG) in zweiter Instanz entschieden, dass die Zugaben handelsüblich seien – und damit kein HWG-Verstoß. Auch eine illegale Absprache zwischen Praxis und Apotheke konnten die Richter nicht feststellen. Das OLG hatte Revision zum BGH nicht zugelassen. Dagegen hatte die Wettbewerbszentrale noch Beschwerde in Karlsruhe eingelegt, diese wurde jedoch jetzt zurückgewiesen. Damit wird das Urteil des OLG rechtskräftig.

Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde wie üblich nur mit den allgemeinen Formulierungen zurückgewiesen: keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und keine divergierenden Urteile anderer Gerichte. Damit bleiben die Ausführungen des OLG zu der Frage maßgeblich, warum es sich bei den Gratis-Serviceartikeln eben nicht um unzulässige Zugaben handelt.

Diese Kernfrage war im Verlauf des Verfahrens unterschiedlich bewertet worden. Das Landgericht Köln hatte hierzu in erster Instanz noch entschieden, dass die vom BGH bei der Zuwendung an Verbraucher gezogene Wertgrenze von einem Euro auch gegenüber Angehörigen der Fachkreise zugrunde zu legen sei. Kerckhoffs Seite hatte darauf hingewiesen, dass von einer unsachlichen Beeinflussung keine Rede sein könnte angesichts der Kosten für die Impfstoffe zwischen 1500 und knapp 5000 Euro. Bei der Wettbewerbszentrale war man dagegen davon ausgegangen, dass die Wertgrenze bei Zugaben ein pauschaler Wert von einem Euro beträgt und nicht in Relation zur gehandelten Ware zu sehen ist.

Das OLG sah keinen Verstoß gegen das Zuwendungsverbot nach § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG). Zwar sei bei den Kanülen von einer Werbegabe im Sinne der Vorschrift auszugehen, diese sei aber zulässig. Das kostenlose Beifügen von Serviceartikeln wie Kanülen und Injektionspflaster in Packungen mit jeweils 100 Stück bei der Bestellung von 100 Impfdosen sei handelsüblich, „im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Gepflogenheiten“. Die unentgeltliche Leistung werde von der Apotheke auch nicht als eine Besonderheit des Angebotes herausgestellt. „Die Auswahl-Auflistung liest sich weniger als Werbemaßnahme denn als Checkliste für das beim Impfen notwendige Zubehör“, so die Richter.

Auch wenn es sich laut Wettbewerbszentrale um einen speziell gelagerten Einzelfall handelt, ist man in Bad Homburg erstaunt über die Entscheidung aus Karlsruhe: „Es ist für uns unverständlich, dass sich der BGH nicht mit dem Fall befassen will, da er zuletzt in Fragen der Handelsüblichkeit von Zuwendungen eher streng war“, so Rechtsanwältin Christiane Köber aus der Geschäftsführung der Wettbewerbszentrale. So habe der BGH in einem anderen Verfahren den Service einer Augenarztklinik nicht freigezeichnet, die ihren Kunden den kostenlosen Transport vor und nach einer anstehenden Operation angeboten hatte.

Im vorliegenden Fall ging es um eine Werbeaktion gegenüber Fachkreisen, weshalb sich aus der Entscheidung wohl nicht ableiten lässt, dass der BGH von seiner absoluten Wertgrenze von einem Euro bei der Gewährung von Zugaben abweicht. Mit der Gewährung von Rx-Boni hat das Urteil ohnehin nichts zu tun, da es hier zwar um verschreibungspflichtige, aber nicht preisgebundene Arzneimittel ging.

Die Wettbewerbszentrale könnte noch den Versuch unternehmen, vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu ziehen, hat diesen Schritt auf Nachfrage aber bereits ausgeschlossen. Damit wird die Entscheidung des OLG Köln rechtskräftig.

Kerckhoff freut sich, dass jetzt „Klarheit in diesem Bereich geschaffen wurde“. Immerhin stand auch ein Verstoß gegen das Anti-Korruptionsgesetz (§§ 299a, 299b StGB) als Vorwurf im Raum. Den hat das OLG aber ebenfalls verworfen, weil keine Unrechtsvereinbarung bestand. „Eine Zuwendung zur Herbeiführung allgemeinen Wohlwollens ohne Bezug zu einer bestimmten Bevorzugung/Vorteilsgewährung im Wettbewerb“ sei nicht ausreichend. Kerckhoff nimmt das Verfahren sportlich: „Dafür sind wir in einem Rechtsstaat, dass man solche Sachen klärt.“ Sein Vertriebskonzept ist jetzt höchstrichterlich abgesegnet und wird weiterhin so angeboten.

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