Versandhandel

Urteil: Versender dürfen nicht am Personal sparen Alexander Müller, 15.08.2017 10:13 Uhr

Berlin - 

Der 25. September 2014 war kein guter Tag für die Versandapotheke Apotal. An diesem Donnerstag kamen die Kontrolleure der Apothekerkammer Niedersachsen zu einer amtlichen Besichtigung nach Bad Rothenfelde und nahmen auch das Logistikzentrum unter die Lupe. Zwei Dinge wurden von der Aufsichtsbehörde grundsätzlich bemängelt: Dass Apotal nicht pharmazeutisches Personal zum Packen der Päckchen einsetzt und dass die Versandapotheke ihre Vorratshaltung vernachlässigt. Gegen beide Bescheide der Kammer hat Apotal geklagt und in beiden Fällen am 19. Juli 2017 in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück (VG) verloren. Der weitere Verlauf dieser Verfahren ist für alle deutschen Versandapotheken von Bedeutung.

Bei der Besichtigung wurden die Mitarbeiter in der Kommissionierung stichprobenhaft nach ihrem Beruf gefragt. Acht von zehn Befragten erklärten demnach, weder zum pharmazeutischen Personal noch zu den Berufsgruppen der Apothekenhelfer oder PKA zu gehören. Alle waren mit der Aufgabe betraut, die bestellten Arzneimittel für den Versand vorzubereiten.

Die nächste Besichtigung am 9. März 2015 zeigte ein ähnliches Bild: Im Bereich der Kommissionierung wurden demnach zwölf Personen angetroffen, sie aus Sicht der Kammer nicht zu den dazu befugten Berufsgruppen zählten, namentlich Lageristen, Studenten und Mitarbeiter ohne Berufsausbildung.

Aus Sicht der Kammer handelt es sich bei der Zusammenstellung der Arzneimittel anhand der Bestelllisten im Lager einer Versandapotheke um eine Vorbereitung der Arzneimittel zur Abgabe. Dies sei aber pharmazeutischem Personal sowie PKA und PKA-Auszubildenden, Apothekenhelfern und Apothekenfacharbeiten vorbehalten. Die Kammer kündigte den Erlass einer arzneimittelrechtlichen Anordnung an, um Apotal in die Pflicht zu nehmen.

Die Versandapotheke widersprach in ihrer Stellungnahme und schilderte die Abläufe so: Zunächst werde jede Bestellung nach einem Vier-Augen-Prinzip von pharmazeutischem Personal geprüft, anschließend Packlisten ausgedruckt. Die dort gelisteten Arzneimittel würden sodann – ohne Kundenbezug – aus den Regalen geholt und in Schalen gelegt. Die hierbei eingesetzten Mitarbeiter führten, ähnlich einem Kommissionierautomaten, nur Handlanger- und Hilfstätigkeiten aus. Die Endkontrolle vor dem Versand der Päckchen werde dann wieder von pharmazeutischem Personal durchgeführt.

Im Juli 2017 legte Apotal noch einmal nach und gab zu Protokoll, dass sich die Abläufe zwischenzeitlich erheblich geändert hätten: Heute werde ein Kommissionierautomat eingesetzt, der die Arzneimittel in die bereits mit Rechnung versehenen Kartons lege, an fünf „manuellen Stationen“ würden sodann Arzneimittel von Mitarbeitern hinzugefügt, die nicht im Automaten lagerten. Die Endkontrolle der noch nicht verschlossenen Päckchen finde nach wie vor durch pharmazeutisches Personal statt, schrieb Apotal vor rund einem Monat.

Doch da lief das Verfahren längst. Die Kammer hatte der Versandapotheke im Juli 2015 per Bescheid aufgetragen, bei der Kommissionierung von Arzneimitteln nur pharmazeutisches oder anderweitig berechtigtes Personal einzusetzen. Anders als Apotal meine, handele es sich bei den beschriebenen Tätigkeiten nämlich nicht um einen schlichten Transport von Arzneimittel durch Lageristen, sondern um eine kundenbezogene Zusammenstellung der Medikamente als Vorbereitung der Abgabe.

Das VG Osnabrück folgte in seiner Entscheidung vom 29. Juli 2017 der Einschätzung der Kammer. Apotal verstoße durch die – ursprüngliche und neuere – Kommissionierungstätigkeit gegen apothekenrechtliche Vorschriften, heißt es im Urteil.

Das Gericht folgte auch der Auffassung der Versandapotheke nicht, mit den vorbereitenden Tätigkeiten sei nur die Rezeptur gemeint. In der ApBetrO werde ganz allgemein das Personal der Apotheke angesprochen, das entsprechend qualifiziert sein müsse. Das betreffe sämtliche Arten von Arzneimitteln und schließe die Versandapotheken mit ein.

Im Grunde sehe auch Apotal das so, befanden die Richter. Schließlich lasse die Versandapotheke die Endkontrolle ebenfalls von pharmazeutischem Personal durchführen. Dabei wäre dies gar nicht nötig, wenn es sich dabei lediglich um „vorbereitende Tätigkeiten“ handelte. „Daraus folgt weiter, dass mit dem Begriff der Vorbereitung der Arzneimittel zur Abgabe andere, nämlich letztlich alle Tätigkeiten gemeint sein müssen, die vor der Endkontrolle beziehungsweise Abgabe der Arzneimittel sind“.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, Apotal kann beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG) noch einen Antrag auf Berufung stellen. Es ist anzunehmen, dass die Versandapotheke diesen Schritt zumindest versuchen wird. Bislang hat sich Apotal hierzu nicht geäußert. Unternimmt die Versandapotheke nichts oder erklärt das OVG den Fall für abgeschlossen, wird das Urteil des VG rechtskräftig. Dann müsste Apotal die internen Prozesse umstellen – oder nur noch PKA im Lager beschäftigen.