Amazon als Megaapotheke? Fabian Kaske, Geschäftsführer der Pharma-Marketingagentur Dr. Kaske, geht nicht davon aus, dass der Internetgigant den deutschen Markt einfach so überrollt. Seiner Meinung nach wird der US-Konzern auch in Zukunft mit Apotheken zusammenarbeiten – schon weil er selbst zu wenig von der Materie versteht. Aktuell sieht er vielmehr das rasante Wachstum der niederländischen Versandapotheken als Herausforderung für die Branche.
Laut Kaske erwirtschaftet Amazon derzeit 45 Prozent seines Umsatzes durch Händler, die die Plattform nutzen, um ihre Artikel zu vertreiben. Dafür erhält der Konzern eine Provision. Dieses Geschäftsmodell wachse derzeit deutlich stärker als der eigene Warenumsatz, den Amazon selbst erlöst. Um 49 Prozent legt das Provisionsgeschäft zu, um 19 Prozent der Direktumsatz.
Vor diesem Hintergrund ist laut Kaske davon auszugehen, dass Amazon auch in Zukunft kein Interesse daran hat, die Umsätze ins eigene Haus zu holen, da sich der Konzern dann weite Teile der Logistik selbst übernehmen müsste. Die erfolgreichsten beziehungsweise am höchsten bewerteten Unternehmen der Welt seien reine Vermittler, so Kaske: Airbnb, Facebook und Uber nennt er als Beispiele.
Dazu kommt, dass Amazon sich nach wie vor schwer tut, den Apothekenmarkt zu verstehen. Amazon falle es schwer, dieselbe Beratungsqualität wie Versand- oder gar Vor-Ort-Apotheken zu bieten. Er nennt Tebonin als Beispiel, das auf dem Portal in der Kategorie „Drogerie & Körperpflege“ unter Nahrungsergänzung, genau genommen „Vitamine, Mineralien & Ergänzungsmittel“ angeboten werde. „Hier fehlt es an Verständnis.“
Kaske beobachtet, dass auch die Industrie das Schreckgespenst derzeit verdrängt hat. „Das Thema interessiert noch jeden, aber die Angst hat sich gelegt.“ Amazon werde nach einhelliger Meinung in fünf bis zehn Jahren relevant sein. Derzeit sorge vor allem das rasante Wachstum von DocMorris und Shop-Apotheke für Beunruhigung: „Die niederländischen Versandapotheken wachsen derzeit brutal, hier könnten wir ganz schnell oligopolistische Strukturen sehen, vielleicht schon übernächstes Jahr“, so Kaske.
Das Plus hat nicht nur mit den TV-Kampagnen zu tun, sondern vor allem mit der „super aggressiven Preispolitik“ der beiden Versender. „Wir sehen durch die Bank teils drastische Preissenkungen. Hier wird massiv an der Preisschraube gedreht.“
Die Erlöse der Shop-Apotheke legten im ersten Halbjahr um 53 Prozent auf 126 Millionen Euro zu. In Deutschland erhöhte sich der Umsatz nach vorläufigen Zahlen um 31 Prozent auf rund 92 Millionen Euro. Damit wuchs die börsennotierten Versandapotheke aus Venlo nach eigenen Angaben doppelt so schnell wie der deutsche OTC-Versandhandelsmarkt. DocMorris legte im ersten Quartal um 15 Prozent zu, vor allem der OTC-Bereich entwickelte sich positiv.
Amazon setzt laut Kaske in Deutschland 13,2 Milliarden Euro um, von Dritten über die Plattform generierte Erlöse inklusive. Zum Vergleich: Alle Versandapotheken zusammen kommen gerade einmal auf 877 Millionen Euro. Anders ausgedrückt: Um unter die Top-10 der Versandapotheken zu kommen, müsste der Konzern gerade einmal 0,2 Prozent seines Umsatzes mit Apothekenartikeln erzielen. Auch Drogeriemarken hat Amazon ins Visier genommen.
Für seine potenziellen Partner bringt der Gigant laut Kaske gewaltiges Kundenpotenzial mit: 44 Millionen Deutsche kaufen regelmäßig bei Amazon. Zum Vergleich: Bei allen anderen Webshops wie Zalando, Otto und Conrad kommen nur 7,6 Millionen regelmäßige Käufer zusammen. Und das Beste für Amazon: 17 Millionen Kunden sind mittlerweile bei Prime – haben sich also mehr oder weniger fest an den Konzern gebunden. In München testet der Konzern mit Bienen-Apotheker Michael Grintz das Schnelllieferkonzept „Prime Now“.
Widerstand gibt es allerdings gegen die Nutzung von Amazon durch Apotheken: Laut Hermann Vogel jr. werden bei der Zusammenarbeit wichtige datenschutzrechtliche Vorgaben verletzt. Der Inhaber der Winthir-Apotheke in München führt einen Musterprozess gegen einen Apotheker.
In den USA suchte der Konzern unlängst nach einem Manager, der den Geschäftsbereich Apotheke aufbauen soll. Gemeinsam mit einem Team solle er einen Strategie entwickeln und Sondierungsgespräche mit der Industrie aufnehmen, berichtete CNBC. Angesiedelt sein werde die Abteilung in der Sparte Verbrauchsartikel des täglichen Bedarfs.
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