Kommentar

Angriff auf Rx Patrick Hollstein, 04.11.2013 15:07 Uhr

Berlin - 

Für die neue Legislaturperiode haben die Apotheker große Erwartungen:

Die Politik soll nicht nur die gröbsten Ärgernisse im Alltag beseitigen

und das Honorar überall dort auffüllen, wo Geld fehlt. Sie soll auch den

Weg freimachen für die Weiterentwicklung des Berufsbilds. Die ABDA

steht vor der Herausforderung, genau das richtige Tempo zu finden und –

weder vor noch hinter sich – Leerräume zu lassen. Denn die Konkurrenz

steht bereit, um Lücken aufzufüllen und in ihrem Interesse zu nutzen.

Die Versandapotheken etwa haben zum Angriff auf Rx geblasen. Weil Boni für Rezepte politisch wie juristisch beerdigt wurden, müssen andere Köder ausgelegt werden: Wenn billiger nicht geht, muss man besser sein. Weil aber kein Versender näher am Kunden sein kann als ein Vor-Ort-Apotheker, der seinen Job gut macht, geht es für DocMorris & Co. in erster Linie um Geschwindigkeit.

Die Strategie beruht auf einem simplen Prinzip: Man gibt sich in der öffentlichen Wahrnehmung nicht länger als Gegner der Apotheker – sondern als Vorreiter einer hochwertigen Arzneimittelversorgung. Aus dem einstigen Angreifer ist ein Wettbewerber geworden, der sich anschickt vorbeizuziehen: Während der Berufsstand sich noch in seinen Gremien berät, bieten die Versender scheinbar heute schon die Lösungen für die Probleme von morgen.

Wenn im „politischen Manifest“ über die Vorteile eines Medikationsmanagements oder die Versorgung im ländlichen Raum fabuliert wird, dann liest sich das teilweise wie ein Konzeptpapier aus der ABDA-Zentrale in der Jägerstraße. Sogar das Thema „Vergütung“ für neue Dienstleistungen spricht DocMorris offensiv an – was der Versandapotheke, anders als der Standesvertretung – niemand übel zu nehmen scheint.

Auch wenn DocMorris in seinem Manifest den Eindruck erweckt, mehr zu vertreten als nur die eigenen Interessen: Illusionen machen sollte man sich nicht. Denn die Versandapotheke will nicht nur in bare Münze umwandeln, was in Holland sowieso Pflicht ist. Ihr geht es darum, den Rezeptfluss umzuleiten. Und diese Strategie funktioniert nur, wenn andere draußen bleiben müssen.

Schon die Chronikerprogramme von MedcoCelesio waren ein Gegenentwurf zum gemeinsamen Modell von ABDA und KBV. Schon damals konkurrierten zwei Konzepte, die zwar nach derselben Logik funktionieren, aber auf komplett unterschiedliche Kanäle setzen sollten.

Noch haben die Apotheker die Patienten hinter sich, die nicht per Videokonferenz von Holland aus beraten werden wollen. Doch sie sind zum Erfolg verdammt: Sollte ihr neues Berufsbild nicht auf absehbare Zeit über das Versprechen der Versandhändler hinaus kommen, dann könnte die Politik doch noch die Busse und Call-Center-Agenten auf die Reise schicken.