Wer ist hier der Größte? Alexander Müller, 21.07.2016 11:40 Uhr
An der Spitze, die Nummer 1, Marktführer: Der Größte der Branche zu sein, fühlt sich nicht nur gut an, sondern lässt sich auch im Marketing wunderbar einsetzen. Entscheidend dabei: Man muss den Platz an der Sonne auch tatsächlich haben. Bei der Versandapotheke Sanicare haben Mitbewerber da so ihre Zweifel – zumal es überhaupt keine offiziellen Zahlen zu dem Versandmarkt gibt.
Sanicare behauptet von sich, die „größte Versandapotheke in Deutschland“ zu sein. So heißt es zumindest am Ende eines Werbefilms, der im Fernsehen und auf der Internetseite des Versenders läuft. Einen Beleg für diese Aussage gibt es nicht.
Offen ist auch, worauf sich Sanicare mit dieser Aussage bezieht. Denn die „größte Versandapotheke“ zu sein, könnte auf den Umsatz abzielen, ebenso gut aber auf die Anzahl der verschickten Päckchen, den Kundenstamm oder sogar den Mitarbeiterstab. Im OTC-Markt schmücken sich viele Marken mit einem ersten Platz in einem selbst gewählten Teilsegment.
Bei den Versender gibt es zu jeder Kennzahl Quellen im Markt, kursieren verschiedene Rankings – die aber nicht zwangsläufig übereinstimmen müssen. Mit Sicherheit kann niemand sagen, welche Versandapotheke wirklich die größte ist. IMS Health arbeitet nach eigenen Angaben immerhin mit 60 Prozent der großen Versandapotheken zusammen, die für 90 Prozent des OTC-Umsatzes stehen sollen. Rankings werden von IMS aber nicht veröffentlicht.
Die im Markt verfügbaren Daten werden auch von Marktteilnehmern als unvollständig und nicht repräsentativ bezeichnet. Zwar gehört Sanicare unstreitig zu den Top 10 Versandapotheken des Landes. Aber mit Medikamente-per-Klick, Apotal und Medpex gibt es namhafte Konkurrenten, die ebenfalls der Spitze zuzurechnen sind und den Titel „größte Versandapotheke in Deutschland“ für sich beanspruchen könnten.
Nach Umsatz mag Sanicare in der Vergangenheit tatsächlich die größte Versandapotheke gewesen sein. Insidern zufolge hatte der 2012 verstorbene Inhaber Johannes Mönter einen Teil der Umsätze allerdings durch Ringgeschäfte und Weiterverkäufe generiert. Im aussagekräftigeren Vergleich der verschickten Päckchen gibt es – da sind sich Branchenkenner einig – heute größere Anbieter als Sanicare.
Die deutsche Konkurrenz hat jedenfalls offenbar Probleme mit dem Thronanspruch des Mitbewerbers aus Bad Laer. Die Wettbewerbszentrale hat Anfragen aus der Branche zu der Sanicare-Werbung bekommen. Die Versandapotheke sei nun zur Stellungnahme aufgefordert worden, heißt es aus Bad Homburg. Die Verantwortlichen sollen darlegen, warum sie berechtigt sind, die monierte Aussage zu tätigen. Denn wenn es keine offiziellen Zahlen gibt, wäre der Anspruch auf die Marktführerschaft irreführend.
Sanicare-Chef Christoph Bertram war bislang nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Der Apotheker war im September 2014 eingestiegen, seitdem wird Sanicare als Offene Handelsgesellschaft (OHG) geführt. Zunächst hielten Bertram und sein Kompagnon Apotheker Dr. Volkmar Schein je 50 Prozent der Anteile. Im November 2015 übertrug Schein weitere 45 Prozent an den BS-Apotheken unentgeltlich an Bertram. Dabei soll es eine deutliche Kapitalerhöhung gegeben haben. Schein hält demnach nur noch 5 Prozent an der OHG.
Doch darüber kam es zwischen den Geschäftspartnern zum Streit: Die Ehefrau von Schein wollte den Gesellschaftervertrag vor dem Familiengericht Neunkirchen für ungültig erklären lassen. Im Eilverfahren hatte sie keinen Erfolg, jetzt soll der Fall in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden.
Die Richterin verwies im Verfahren dem Vernehmen nach darauf, dass im Hauptsacheverfahren insbesondere der Wert von Sanicare anhand eines Gutachtens ausführlich eruiert und belegt werden müsse. Für die Marktstellung der Versandapotheke gebe es dann immerhin nachvollziehbare Zahlen. Das Verfahren kann sich allerdings noch Jahre hinziehen.