Die niederländische Versandapotheke Vitalsana darf in Deutschland kein
Call-Center zur Beratung ihrer Kunden nutzen. Der Bundesgerichtshof
(BGH) sieht darin einen Verstoß gegen das Fremdbesitzverbot. Allerdings
konnte der BGH in dieser Frage noch nicht abschließend entscheiden, weil
die entsprechenden Anträge vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (OLG)
zunächst konkretisiert werden müssen. Bereits entschieden hat der BGH
dagegen, dass die kostenpflichtige Hotline von Vitalsana unzulässig ist
und die Versandapotheke sich in der gemeinsamen Werbung mit Schlecker
nicht klar von der mittlerweile insolventen Drogeriekette abgegrenzt
hatte.
Die Wettbewerbszentrale hatte gegen Vitalsana geklagt, weil die ehemalige Schlecker-Tochter zahlreiche Tätigkeiten am Stammsitz der Drogeriekette ausgeführt hatte. Damit betreibe die Kapitalgesellschaft eine Apotheke in Deutschland ohne Betriebserlaubnis, so der Vorwurf.
Doch laut der Begründung des BGH hat die Wettbewerbszentrale in ihrer Klage nicht genau genug bestimmt, für welche Tätigkeiten Vitalsana aus ihrer Sicht eine Betriebserlaubnis benötigt hätte. Da die Anträge nur im Berufungsverfahren präzisiert werden können, hat der BGH diese Frage an das OLG Stuttgart zurück verwiesen.
Der BGH hat allerdings Hinweise zur erneuten Verhandlung gegeben: Kein Problem sehen die Richter etwa in der Einschaltung einer Drogeriekette als Pick-up-Stelle. Vitalsana dürfe auch ohne Betriebserlaubnis Marketingstrategien in Deutschland entwickeln oder Verhandlungen mit Krankenkassen oder Dienstleistern führen.
Unzulässig sei dagegen die Auslagerung der Beratung nach Deutschland, so der BGH. Dabei handele es sich um „pharmazeutisch relevante Tätigkeiten“, die über die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) geregelt seien. Betroffen sei dabei nicht nur die innere Organisation der Versandapotheke, sondern unmittelbar deren Kundschaft.
In den anderen Klagepunkten hatte der BGH bereits gegen Vitalsana entschieden. So darf die Versandapotheke keine kostenpflichtige Hotline anbieten: Den Patienten dürften keine zusätzlichen Kosten für die Beratung entstehen, so die Richter. Die zwischenzeitlich erfolgte zusätzliche gesetzliche Klarstellung sei für den Fall nicht entscheidend: „Es war auch zuvor nicht zulässig, allein eine Telefon-Hotline zur Verfügung zu stellen, die nur gegen Gebühr in Anspruch genommen werden kann“, so die Richter.
Die Höhe der Telefonkosten von 14 Cent pro Minute ist aus Sicht der Richter auch geeignet, Patienten davon abzuhalten, sich bei der Versandapotheke beraten zu lassen. Dies gelte umso mehr, da Kunden von Versandapotheken eher preisbewusst seien. Dass Vitalsana eine kostenlose Beratung per E-Mail anbiete, reiche nicht aus.
Die Wettbewerbszentrale hatte auch mit Erfolg Werbeflyer der Versandapotheke moniert. Für Kunden entstehe dabei der falsche Eindruck, Schlecker sei der Vertragspartner. Hinweise an anderer Stelle könnten diesen optischen Eindruck nicht korrigieren, bestätigte der BGH. Auch die Bestelladresse in Aachen sowie die in Deutschland übliche Vorwahl 0180 der Servicenummer deuteten auf einen Sitz in der Bundesrepublik hin, so die Richter.
Diese Täuschung sei wettbewerbsrechtlich relevant, „weil zahlreiche in Deutschland wohnhafte Verbraucher besonderen Wert darauf legten, Medikamente bei einer in Deutschland ansässigen Apotheke zu bestellen“. Diese Begründung der Vorinstanz hatte Vitalsana in der Revision auch gar nicht mehr angegriffen.
Vitalsana darf in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen außerdem nicht festlegen, dass für die Kunden bei Bestellungen niederländisches Recht gilt. Dies sei eine unangemessene Benachteiligung, da für die Kunden nicht klar ersichtlich sei, welche Rechtsvorschriften gelten. Insbesondere sei im deutschen Recht die Haftung des Apothekers klar geregelt.
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