Kommentar

Der Sanicare-Sumpf Carolin Bauer, 20.04.2016 14:14 Uhr

Berlin - 

Schon wieder steht Sanicare in den Schlagzeilen. Der immer offener ausgetragene Streit zwischen den Inhabern wirft immer neue Fragen auf. Aus einem Apotheker werden zwei, Anteile an der OHG werden verschoben, anscheinend ohne finanzielle Gegenleistung. Dann taucht plötzlich eine Ehefrau auf, die gerichtlich gegen das Geschacher vorgehen will. Die Fehde könnte für Deutschlands größte Versandapotheke existenzbedrohend sein.

Nach der Insolvenz von Sanicare trat Dr. Volkmar Schein überraschend als neuer Inhaber auf den Plan – ein bis dahin in der Versandhandelsszene vollkommen unbekannter Apotheker aus dem Saarland. Den Zuschlag erhielt er, weil er zwar keine Erfahrung hatte, dafür aber das Geld auf dem Konto. Und konnte damit einen anderen Interessenten ausstechen: Der eigentlich Höchstbietende konnte in der letzten Runde nicht nachweisen, dass er tatsächlich über die finanziellen Mittel verfügte. Schein offenbar schon.

Dass er die Investition überhaupt stemmen konnte, könnte seinen Beziehungen zum saarländischen Verbund Pharm-Net geschuldet sein. Schein ist Vorsitzender des Aufsichtsrats, Pharm-Net-Vorstand und -Hauptaktionär Detlef Dusel kam als kaufmännischer Leiter bei Sanicare an Bord. Auch Christoph Bertram, der ebenfalls Aufsichtsratmitglied ist, wurde schnell eingebunden. Dass sich das Gespann plötzlich uneins ist, öffnet den Raum für allerlei Spekulationen im Markt.

Version 1: Hier sind zwei Hasardeure auf ein Unternehmen mit 300 Mitarbeitern losgelassen worden, die aus alter Verbundenheit heraus mit Anteilen jonglieren und Geschäfte per Handschlag besiegeln. Ein solches Verhalten wäre bei der Größenordnung mindestens unprofessionell und unverantwortlich.

Version 2: Schein hat sich mit seinen Finanzpartnern überworfen, die ihn jetzt abservieren wollen. Erst wird ihm ein Partner an die Seite gestellt, dem er die Hälfte der Anteile übertragen muss. Dann soll Schein ganz aus der OHG gedrängt werden. Apothekenrechtlich hoch fragwürdig.

Doch der Apotheker wehrt sich, seine Frau kommt als Joker ins Spiel, die den Verfügungen über das gemeinsame Konto nicht zugestimmt haben will. Die Verträge, die ihren Mann um seine Anteile und sie um das Familienvermögen bringen, sollen jetzt für ungültig erklärt werden. Warum Schein Bertram den Großteil des Unternehmens quasi gratis überschrieben haben soll, bleibt eine Ungereimtheit.

Version 3: Sanicare hatte einen geheimen Investor, Schein war von vornherein nur ein Strohmann, der außer Kontrolle geraten ist. Weil alle Beteiligten Schaden nehmen, wenn das Konstrukt auffliegt, fordert er mehr von seinen Hintermännern, als ursprünglich zugesagt wurde. Jetzt wird es für alle gefährlich, die mit Sanicare zu tun haben. Die Kammer ist ohnehin schon misstrauisch, was da in Bad Laer eigentlich vor sich geht.

5 Prozent hält Schein jetzt noch an der OHG. Damit haftet er – wie jeder andere Beteiligte – im Außenverhältnis mit seinem gesamten Vermögen für die Geschicke von Sanicare und könnte etwaigen Schaden nur im Innenverhältnis gegenüber Bertram geltend machen.

Dass ein kleiner Apotheker aus dem Saarland aus dem Stand Deutschlands größte Versandapotheke kauft und dann seinem Partner offenbar erst knapp die Hälfte und dann fast den ganzen Laden überlässt, sieht von außen betrachtet zumindest merkwürdig aus.

Der „Apotheker in seiner Apotheke“ ist bei Versendern dieser Größenordnung grundsätzlich eine merkwürdige Figur. Wenn aber wie jetzt bei Sanicare die handelnden Personen offenbar beliebig wechseln, stimmt das misstrauisch. Dass zu den Finanzströmen innerhalb der Gruppe keine Angaben gemacht werden, ist auch nicht als vertrauensbildende Maßnahme zu sehen. Vielmehr deutet dies auf einen finanzstarken Hintermann hin, der selbst keine Versandapotheke betreiben will oder darf.