Versandapotheken

Sanicare ohne Dusel APOTHEKE ADHOC, 04.09.2017 16:40 Uhr

Berlin - 

Überraschende Wende bei Sanicare: Detlef Dusel ist nach Informationen von APOTHEKE ADHOC künftig nicht mehr kaufmännischer Leiter der Versandapotheke. Was sein Ausscheiden für den Streit rund um das Unternehmen bedeutet, lässt sich derzeit nicht sagen. Im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) brach Dusel jetzt sein Schweigen und räumte auch ein, dass die Bertelsmann-Tochter Arvato maßgeblich in Sanicare investiert hat.

Im März 2013 wurde Sanicare von Dr. Volkmar Schein übernommen. Mit ihm kam Dusel nach Bad Laer – die Frage, wer schlussendlich bei der Versandapotheke das Sagen hatte, beschäftigt derzeit die Gerichte. Scheins Witwe hält Dusel für den eigentlichen Strippenzieher. Sie will nicht nur die unentgeltliche Übertragung von 95 Prozent der Anteile der BS-Apotheken OHG an Apotheker Christoph Bertram für unwirksam erklären lassen, sondern auch den Verkauf der Markenrechte an eine Firma, hinter der Dusel steht.

Dusel wurde zum 1. April 2013 zum kaufmännischen Leiter bestellt, er erhielt ein monatliches Gehalt von 16.500 Euro. Sein Arbeitsvertrag konnte mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden, seit vergangenem Jahr beträgt die Kündigungsfrist zwölf Monate. Weil außerdem im Arbeitsvertrag eine Abfindung von 450.000 Euro zuzüglich eines Monatsgrundgehalts pro Beschäftigungsjahr vereinbart war, kündigten Scheins Anwälte bereits im vergangenen Jahr das Arbeitsverhältnis. Einen Tag später war der kaufmännische Leiter von Bertram wieder eingesetzt.

Ende August hat sich Dusel nun mit Bertram auf eine Beendigung des Anstellungsverhältnisses geeinigt, er drängt auf rasche Auszahlung der im Aufhebungsvertrag vereinbarten Abfindung. Die Gründe für sein Ausscheiden sind nicht bekannt; genauso wenig lässt sich derzeit absehen, ob und wie das Verhältnis zwischen Sanicare und Dusels Firmen sich verändern wird.

Ungewöhnlich ist auch, dass Dusel ausgerechnet in dieser Phase sein Schweigen gebrochen hat. Im Interview mit der NOZ nahm er am Freitag erstmals Stellung zu den Vorgängen bei Sanicare. Die Übertragung der Anteile sei Scheins freie Entscheidung gewesen, so Dusel. Bertram habe für die erste Tranche von 50 Prozent seine persönliche Haftung und etwa 650.000 Euro eingebracht, für weitere 45 Prozent 2,5 Millionen. „Ohne das Geld wäre der Laden Ende 2015 pleite gewesen.“ Wenn Schein ursprünglich 5,1 Millionen für Sanicare bezahlt habe, sei das doch ein fairer Deal.

Wie es zur finanziellen Schieflage gekommen sei, wollte die NOZ wissen. „Schein tätigte zu viele Eigenentnahmen, deshalb drohte die Sparkasse mit Kreditkündigung“, so Dusel. Von 3,3 Millionen Euro Saldo habe Schein 1,6 Millionen Euro entnommen.

Auch dass Schein die Markenrechte für eine Million Euro verkauft und dann für 100.000 Euro pro Monat zurück lizenziert hatte, sieht Dusel – anders als die Gegenseite – nicht als Wucher: „Diese Gelder sind BS zum größten Teil wieder zugeflossen, zum Beispiel über Sponsoringverträge“, erklärt er das komplexe Konstrukt gegenüber der NOZ. Die Markenrechte seien als Kreditsicherheit hinterlegt worden. Schein habe gewusst, was mit dem Vertrag bezweckt wurde.

Zum Optionsvertrag mit Arvato erklärt Dusel im Interview, es sei legitim, den Konzern am Geschäftserfolg zu beteiligen: Sanicare sei zwar schuldenfrei sei, brauche aber Geld für Investitionen. „Arvato hat schon ganz maßgeblich investiert. Das hätte BS nicht tragen können.“

Arvato sei bei Sanicare von Anfang an für die Logistik dabei gewesen. Die Zusammenarbeit sei intensiv, kollidiere aber nicht mit dem Fremdbesitzverbot. Der Konzern sei ein maßgeblicher Gläubiger mit Sicherungsinteressen. Die Markenrechte seien sicher, so Dusel.

Dass der Optionsvertrag über 49 Prozent der Anteile an Dusels Firma noch nicht zustande gekommen sei, habe bei Arvato „konzerninterne Gründe“, so Dusel. „Für uns ist es kein Problem, ob der rechtliche Vollzug heute oder morgen kommt.“

Dusel war nach eigener Aussage „bis zum Schluss engstens mit Schein befreundet“. Dass es noch zu Lebzeiten Scheins zum Streit gekommen sei, habe nur an dessen Frau gelegen. „Im März 2016 war alles in Frieden, dann ging ihr Anwalt Comtesse zur Sparkasse Osnabrück, um zu erwirken, dass Auszahlungen von den BS-Konten nur noch mit Zustimmung von Volkmar liefen, das hat die Sparkasse nicht gemacht.“ Zu diesem Zeitpunkt sei Schein bereits sechs Monate nicht mehr in Bad Laer gewesen, habe sich ins Saarland zurückgezogen.

Dusel bestreitet, dass Schein geschäftsunfähig gewesen sei: „Volkmar war nicht krank“, zitiert ihn die NOZ mit Verweis auf „ein fröhliches Foto aus einem Sansibar-Urlaub“. Das Interview habe er gegeben, „damit rauskommt, wer diesen Betrieb tatsächlich zerstören will“, heißt es im Bericht. Die Klage der Witwe gegen die Betriebserlaubnis für Chefapotheker Heinrich Meyer sei „völlig bescheuert“: Meyer habe eine halbe Million Euro eingebracht und dafür 5 Prozent der Bertram’schen Anteile erhalten. Damit sei Schein gar nicht berührt.

Die Apothekerkammer habe die Betriebserlaubnis gründlich geprüft, „wie noch keine in Niedersachsen“, wird Dusel zitiert. Die Klage der Witwe wertet er als „Gesinnungsterrorismus“, schon 2016 habe ihr Anwalt Hermann Comtesse mit Attacken gedroht. „Aber Comtesse weiß, dass er am Ende verlieren wird.“