Sie waren Freunde, sie waren Geschäftspartner: Dr. Volkmar Schein und Detlef Dusel, der ehemalige Sanicare-Chef und sein kaufmännischer Leiter. Doch dann ging die Beziehung in die Brüche und man traf sich vor Gericht wieder. Schein beging Suizid. Es ist die Geschichte einer langen Freundschaft, die tragisch endete.
Schein lernt Dusel als Privatperson kennen, dem Vernehmen nach in einem Skiurlaub. Die beiden werden Freunde und dann auch Geschäftspartner. Der Verwaltungsoberinspektor hat seinen Job beim Finanzamt an den Nagel gehängt und sich als Kapitalmanager selbstständig gemacht: Dusel sammelt Geld ein und investiert in Immobilien. Schein macht mit, er vertraut seinem Partner nicht nur bedingungslos, sondern vergöttert ihn geradezu, wie ehemalige Weggefährten sagen.
1993 übernimmt Schein die Sonnen-Apotheke in Herdorf in Rheinland-Pfalz, ab 1998 betreibt er die Hirsch-Apotheke im saarländischen Losheim am See. Er kommt in Kontakt mit 1A Gesund, im Jahr 2006 stellt er seinen Partner in der Gruppe vor. Beim Verbund herrscht damals Panik, protegiert der damalige Justiz- und Gesundheitsminister Josef Hecken doch die Ansiedlung von DocMorris in Saarbrücken. Die Apotheker wollen gewappnet sein für den Fall des Fremd- und Mehrbesitzverbots und beschließen die Gründung einer Firma, die selbst in Apotheken investieren soll. Mit der Gründung und Leitung der Pharm-Net AG wird Dusel beauftragt.
Als der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Mai 2009 der niederländischen Versandapotheke und ihren Unterstützern in Saarbrücken einen Strich durch die Rechnung macht, hängt der Haussegen bei Pharm-Net bereits schief. Der Dienstleister tritt zunehmend in Konkurrenz zu 1A Gesund. Die Apotheker stören sich an der Intransparenz, mit der Dusel als Vorstand und seine Freunde im Aufsichtsrat die Firma betreiben.
Der Manager ist bei Pharm-Net bereits zum Mitinhaber geworden. 2008 erhält er ein Drittel des Kapitals in Gestalt von stimmrechtslosen Vorzugsaktien. Nur drei Geschäftsjahre ohne die vereinbarte Mindestdividende von knapp 140.000 Euro – und Dusel könnte größter Stammaktionär in der Apotheker-AG werden.
Als Dusel und Schein ernsthaft mit der Idee hausieren gehen, eine eigene Bank zu gründen, läuft es ihren Mitstreitern eiskalt den Rücken herunter. So trennen sich 1A Gesund und Pharm-Net im Frühjahr 2010 im Streit. Bei der Kooperation ist man heilfroh, dieses Kapitel hinter sich zu lassen.
Die Gelegenheit, ein „ganz großes Rad“ zu drehen, bietet sich für das Duo, als die insolvente Versandapotheke Sanicare zum Verkauf steht. Im Dezember 2012 meldet Schein sein Interesse bei der Insolvenzverwaltung an. Der Pharmazeut übernimmt die Apotheke, Dusel wird kaufmännischer Leiter. Gemeinsam wollen die beiden Partner in Bad Laer die Nachfolge des verstorbenen Firmengründers Johannes Mönter antreten. Scheins Apotheke in Losheim übernimmt Anne Moeckel, die ebenfalls im Aufsichtsrat von Pharm-Net sitzt.
Schein und Dusel machen sich daran, die Versandapotheke zu sanieren. Auch die mehr als 100 Pharm-Net-Apotheken sollen profitieren: „Versandvernetzung“ lautet die Devise. An Selbstbewusstsein fehlt es dem Duo zu jener Zeit nicht – womöglich aber an Kapital. Denn zusätzlich zum Kaufpreis von 5,1 Millionen Euro sind erhebliche Investitionen erforderlich, um Sanicare wieder flott zu bekommen.
Für Dusel ist es nicht das erste Mal, dass er Geld besorgen muss. Im Juni 2014 wird der Apothekenbetrieb in eine OHG umgewandelt, mit Christoph Bertram kommt ein weiterer Apotheker an Bord. Er stammt aus einer alteingesessenen Apothekerfamilie, die im Saarland eine feste Größe ist. Als dritter Aufsichtsrat bei Pharm-Net gehört er ebenfalls dem inneren Kreis an.
Bertram bringt Geld und Bonität mit, beides wird bei Sanicare dringend benötigt. Vor Gericht gibt der Apotheker später zu Protokoll, dass es bei Sanicare überhaupt nur weiter ging, weil er ein Darlehen in Höhe von 2,5 Millionen Euro bei der Sparkasse Neunkirchen besorgt und sein gesamtes Vermögen eingebracht und verpfändet habe. Im Herbst 2015 überträgt Schein weitere 45 Prozent unentgeltlich an Bertram.
Was dann in Bad Laer passiert, werden nun die Gerichte überprüfen müssen. Es kommt zu Streit, Anwälte werden eingeschaltet. In Vollmacht Scheins sei Dusel fristlos gekündigt worden, Bertram habe die Entscheidung revidiert und den Arbeitsvertrag des kaufmännischen Leiters erneuert, sagt Roya Comtesse, die als Anwältin Scheins Witwe vertritt. Überhaupt sei der neue Partner dazu übergegangen, vollendete Tatsachen zu schaffen – dies alles mit dem Ziel, Schein aus der Firma zu drängen.
Involviert in diese Auseinandersetzungen gewesen sei weiterhin Dusel, so Comtesse. Welch machtvolle Position der kaufmännische Leiter bei Sanicare hat, zeigt sich daran, dass er im Juli 2016 von der OHG die Markenrechte der Versandapotheke und die Domain übernimmt. Mit seinem ehemaligen Freund und Partner verbindet ihn offenbar nicht mehr viel: Eine seiner Firmen erwirkt noch zu Lebzeiten Scheins bei Gericht einen Titel über 325.000 Euro, die der Apotheker angeblich schuldet. Der Gerichtsbeschluss wird rechtskräftig, da er an den Arbeitsplatz in Bad Laer zugestellt wird, den Schein zu dieser Zeit längst verlassen hat. Später sollen weitere Forderungen hinzukommen, sodass mittlerweile über einen siebenstelligen Betrag gestritten wird.
Bereits im Herbst 2015 zieht sich Schein aus dem operativen Geschäft zurück. Er geht zurück nach Losheim, monatelang ist er in einer Klinik im Schwarzwald in psychiatrischer Behandlung. Am 28. Juli 2016 nimmt er sich in seinem Haus das Leben.
APOTHEKE ADHOC Debatte