Versandapotheken

Sanicare: Der geheime Bertelsmann-Deal Patrick Hollstein, 24.08.2017 11:03 Uhr

Berlin - 

Sanicare und Bertelsmann: Die Versandapotheke und der Medienkonzern machen seit Jahren gemeinsame Sache. Immer wieder gab es Gerüchte über Verflechtungen – vor drei Jahren griff der Gigant aus Gütersloh tatsächlich zu. APOTHEKE ADHOC liegen die Verträge vor, mit denen sich Bertelsmann die Markenrechte sicherte. Allerdings scheint der Deal geplatzt zu sein.

Im März 2013 wurde Sanicare von Dr. Volkmar Schein übernommen. Der mittlerweile verstorbene Apotheker aus dem Saarland zahlte 5,1 Millionen Euro an den Insolvenzverwalter. Sanicare war nach dem Tod des Gründers Johannes Mönter in wirtschaftliche Schieflage gerutscht.

Doch schon wenige Monate nach seinem Antritt in Bad Laer übertrug Schein die Markenrechte an die Firma Mercator, hinter der der kaufmännische Leiter von Sanicare, Detlef Dusel, steht. Im Kaufvertrag mit Datum vom 1. Oktober 2013 wurde ein Preis von einer Million Euro vereinbart. Schein sollte die Marken Sanicare, Aliva und Medicaria bis Ende 2017 nutzen dürfen. Weil er dafür aber monatlich 15.000 Euro plus 15 Cent pro Lieferposition zahlen sollte, will Scheins Witwe den Vertrag jetzt für nichtig erklären lassen. In der Summe seien so jährlich 1,2 Millionen Euro zusammengekommen. Der Fall liegt vor Gericht.

Dusel wusste offenbar genau, was er mit Sanicare vor hatte. Am 25. Oktober 2013, also vier Wochen nach der Übertragung, schloss er mit Arvato einen Optionsvertrag. In zwei Tranchen sollte der Konzern, der zu 100 Prozent zu Bertelsmann gehört, Geschäftsanteile von Mercator übernehmen können – und damit die Rechte an der Marke Sanicare.

Ein Jahr später, am 18. Dezember 2014, traf man sich beim Notar in Gütersloh wieder. Arvato wollte die erste Option ziehen und für rund eine Million Euro 49 Prozent der Anteile übernehmen. Für den überschaubaren Betrag sicherte sich der Konzern zwar noch keine Mehrheit, im Gesellschaftsvertrag wurden ihm aber weitreichende Mitsprache- und Vetorechte eingeräumt.

Dusel sowie Dr. Thorsten Winkelmann (Geschäftsführer Arvato Healthcare) und Thomas Leitner (Director Mail Order Pharmacy) unterzeichneten die Vereinbarung – nun gab es kein Zurück mehr. Mit einer Ausnahme: Dusel musste noch verschiedene Unterlagen beibringen, allen voran die Zustimmung der mittlerweile in eine OHG umgewandelten Apotheke zur Übertragung der Marken und Domains auf die Gesellschaft und eine Bestätigung der Sparkasse Osnabrück, dass sie bei Zahlung von einer Million Euro diese wesentlichen Vermögenswerte freigeben würde. Die Hausbank der Versandapotheke hatte zwei Darlehen durch Pfändungsrechte der Marken und Domains besichert.

Bis Ende Juni 2015 bekam Dusel Zeit, die Unterlagen vorzulegen. Doch der Deal platzte allem Anschein nach. Dass die beiden Apotheker ihre Zustimmung verweigerten, ist unwahrscheinlich: Schein hatte damals wohl noch keine Zweifel, dass Dusel gegen ihn arbeiten könnte. Und Christoph Bertram, der zu dieser Zeit mit 50 Prozent an Sanicare beteiligt war, ist noch heute nicht nur als Haupteigentümer der Apotheke an Bord, sondern auch als Geschäftsführer von Mercator.

Also die Sparkasse? Womöglich. Denn die Pfandrechte blieben bestehen, zumindest bis Frühjahr dieses Jahres. Ein halbes Jahr nach Scheins Freitod zahlte die Allianz nach einigem Hin und Her die Lebensversicherung in Höhe von fünf Millionen Euro auf das Konto der Apotheke aus – obwohl die Witwe darum gebeten hatte, den Betrag wegen der unklaren Eigentumsverhältnisse vorerst zu hinterlegen.

Die Bank zog direkt 4,5 Millionen Euro ein; bis heute wurde der Witwe keine Auskunft erteilt, in welcher Form und womit verrechnet wurde. Stattdessen gab die Sparkasse die Rechte an Mercator frei. Dusel packte die Markenrechte umgehend in eine neu gegründete Firma, die Domains blieben bei Mercator. Um die Firma war zu dieser Zeit ein weiterer Streit mit Ingrid Schein entbrannt, der vor einigen Wochen zugunsten der Witwe ausging. Als Geschäftsführer der neuen Firma wurde übrigens Sanicare-Chefapotheker Heinrich Meyer bestellt.

Mit Arvato arbeitet Sanicare nach wie vor zusammen. 2015 zahlte Sanicare den Anwälten zufolge rund 2,5 Millionen Euro an Arvato Systems, weitere 1,6 Millionen Euro gingen an Arvato Healthcare. In der Summe sind also 4,1 Millionen Euro von der Versandapotheke an den Bertelsmann-Konzern geflossen.

Der Konzern ist seit 2006 bei der Versandapotheke im Geschäft, in den Anfangsjahren ging es um EDV- und Callcenter-Dienstleistungen, 2011 kamen Logistik, IT-Infrastruktur und Online-Marketing dazu. Unter den neuen Eigentümern sollte „die zuvor schon enge Partnerschaft [...] noch zukunftsorientierter auf die Anforderungen des Technologiedienstleisters ausgerichtet“ werden, wie es in einer Mitteilung aus dem Jahr 2014 hieß. „Gemeinsam mit Arvato Systems treiben wir [...] unsere strategische Geschäftsentwicklung voran und werden damit in Zukunft im Gesundheitsmarkt weiterhin erfolgreich sein“, so Dusel damals.