Sanicare wird seit anderthalb Jahren von zwei Apothekern geführt. Doch hinter den Kulissen brodelt es gewaltig. Dr. Volkmar Schein und Christoph Bertram streiten um die Besitzansprüche. Die Fronten sind verhärtet, seit Monaten soll kein persönlicher Kontakt mehr bestehen. Die Kommunikation läuft über die Rechtsanwälte. Jetzt schaltet sich die Ehefrau von Schein ein. Sie will den Gesellschaftervertrag vor Gericht für ungültig erklären lassen.
Schein und Bertram kennen sich seit Jahren, sollen sogar Freunde gewesen sein. Bertram stieg im Herbst 2014 offiziell bei Sanicare ein, die Apotheke wurde in eine Offene Handelsgesellschaft (OHG) umfirmiert, an der beide je 50 Prozent hielten. Wie Schein gehört auch Bertram zu jener Gruppe saarländischer Apotheker, die sich um Detlef Dusel im Verbund Pharm-Net zusammengetan haben. Bertram hatte die Versandapotheke bereits zuvor in strategischen Fragen intensiv unterstützt.
Im November 2015 hat Schein weitere 45 Prozent an den BS-Apotheken unentgeltlich an Bertram übertragen. Schein hält damit nur noch 5 Prozent an Sanicare. Die geschlossenen Verträge seien aber ungültig, sagt Rechtsanwältin Roya Comtesse von der Kanzlei Comtesse & Comtesse in Saarbrücken, die die Ehefrau Scheins vertritt.
Comtesse beruft sich auf das Eherecht. Laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) kann ein Ehegatte nur mit Einwilligung des Partners über sein Vermögen im Ganzen verfügen. Ingrid Schein habe der Vereinbarung zwischen Schein und Bertram im Nachhinein explizit nicht zugestimmt und in einem Schreiben ausdrücklich ihre Einwilligung verweigert. Alle Beteiligten sowie die kreditgebenden Banken und die Apothekerkammer seien darüber informiert worden.
Bertram habe vor Gründung der OHG darauf bestanden, dass Schein mit seiner Frau einen Ehevertrag schließe, so Comtesse. „Hintergrund war, dass die Vorschrift des Paragraphen 1365 BGB ausgeschlossen werden sollte.“ Ein Ehevertrag sei aber nie zustande gekommen.
Im März und April soll es zwischen Vertretern Scheins und Bertrams zwei Verhandlungen gegeben haben, um eine gemeinsame Einigung zu finden. „Es konnte leider nicht einmal ansatzweise ein konstruktives Gespräch geführt werden“, so Comtesse. Nach Kenntnis von Scheins Frau sei ein maßgeblicher Grund, dass Bertram „aus der jetzigen Situation noch Kapital schlagen will, auf der eigenen Position beharrt und keinerlei Einigungswille vorliegt“.
Die Vertreter Bertrams hätten bei den Treffen versucht, Schein „aus seiner eigenen Apotheke zu verdrängen“, sagt Hermann Comtesse, der wiederum Schein als Rechtsanwalt vertritt. Der Apotheker sei zunächst nicht an einer gerichtlichen Auseinandersetzung interessiert gewesen, da diese mit hoher Wahrscheinlichkeit die Existenz der Versandapotheke in Frage stellen und hunderte Arbeitsplätze gefährden werde.
Da die Verhandlungen aber erfolglos abgebrochen worden seien, werde jetzt am Familiengericht Saarbrücken ein Verfahren angestrebt, das die Unwirksamkeit der Verträge feststellen solle. „Wir versuchen zunächst eine Einstweilige Verfügung zu erwirken“, so Roya Comtesse. Auch in einem Hauptsacheverfahren soll über die Inhaberschaft entschieden werden. Die Klage werde in dieser Woche eingereicht.
Für Bertram stellt sich die Situation anders dar: Er hält die Verträge für gültig. Das geht aus einem Rechtsgutachten der Kanzlei White & Case hervor, die ihn vertritt. Der Bezug auf das BGB sei demnach nicht relevant, so Bertram. „Wir haben eine finanzierende Hausbank, die die Verträge immer vorgelegt bekommen und durch ihre Rechtsabteilung geprüft hat.“ Bei der zweiten Übertragung habe er zudem eine deutliche Kapitalerhöhung geleistet. Das Geld sei in den Erhalt der Arbeitsplätze geflossen.
Schein hat sich bereits im Herbst aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Auf der Homepage wird Bertram als alleiniger Leiter der Versandapotheke vorgestellt. Schein hält sich in saarländische Losheim am See auf. Der Apotheker ist laut Comtesse erkrankt. Nach seiner Genesung werde er aber umgehend wieder die Arbeit in Bad Laer aufnehmen.
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