Zur Rose will an die Börse – mindestens 200 Millionen Schweizer Franken sollen noch in diesem Jahr in die Kasse gespült werden. Gute Nachrichten sind hilfreich, um Investoren zu gewinnen. In der Ankündigung des Börsengangs wird daher das Wachstum im Rx-Geschäft in Deutschland gefeiert – und der Zukauf einer kleineren Versandapotheke angekündigt.
Im ersten Quartal legte der Umsatz von DocMorris um 17 Prozent zu, inklusive der Versandapotheke Zur Rose in Halle wuchs das Segment Deutschland um 15 Prozent. Dies unterstreiche das große Potenzial der Zur Rose-Gruppe, schreibt das Management. Auch in den Monaten April und Mai sei ein vergleichbar hohes Wachstum gegenüber dem Vorjahreszeitraum erzielt worden, wobei sich insbesondere der Umsatz im Bereich der rezeptpflichtigen Medikamente weiter erhöht habe.
Der Rx-Versandhandel sei für DocMorris ein „attraktives Kerngeschäft, in dem potenziell zweistellige Wachstumsraten erzielt werden können“, heißt es von Zur Rose. „Mit mehr als 20 Millionen chronisch Erkrankten bietet der deutsche Markt dafür substanzielle Expansionsmöglichkeiten.“ Vor diesem Hintergrund werde die im Herbst 2016 lancierte, breit angelegte TV-gestützte Medienkampagne in Deutschland fortgesetzt, um die Neukundengewinnung weiter voranzutreiben.
Die Zahl neu gewonnener Kunden für rezeptpflichtige Arzneimittel hat sich im ersten Quartal laut Zur Rose im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mehr als verfünffacht. „Die Kampagne führt dabei auch zu einem erheblichen Konversionseffekt bei DocMorris-Kunden von rezeptfreien Arzneimitteln beziehungsweise Produkten.“ Das EuGH-Urteil zur Rx-Boni begünstige diese Entwicklungen zusätzlich.
In Frauenfeld geht man davon aus, dass in den kommenden Jahren im deutschen Apothekenmarkt eine „Phase der Strukturbereinigung, unter anderem mit einer Konsolidierung im Bereich des Versandhandels von Arzneimitteln“ stattfinden wird. „Die Gruppe will eine aktive Rolle in dieser Marktkonsolidierung einnehmen.“
Aus diesem Grund habe man bereits mit dem Eigentümer einer auf rezeptfreie Medikamente fokussierten deutschen Versandapotheke eine Absichtserklärung im Hinblick auf die Übernahme seines Geschäftsbetriebs unterzeichnet, schreibt das Management. Der Vertrag soll noch im dritten Quartal unterzeichnet werden, sofern die Buchprüfung keine Überraschungen ergibt und bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Mit wem Zur Rose verhandelt, wurde nicht verraten. Kommt der Deal zustande, würde der Umsatz des Segments Deutschland um mehr als 10 Prozent erhöht, heißt es. Damit kommt ein Versender mit einem Umsatz von 30 bis 40 Millionen Euro in Frage – Volksversand und Apodiscounter fallen in diese Kategorie.
„Mit ihrem skalierbaren Geschäftsmodell verfügt die Zur Rose-Gruppe als führende Versandapotheke Europas über zahlreiche Wachstumsmöglichkeiten“, schreibt das Management. Beide Marken wiesen in ihren jeweiligen Märkten den höchsten Bekanntheitsgrad auf. Diese hervorragende Ausgangsposition wolle man nutzen, um mittels verstärkter Marketingaktivitäten die langfristig ausgerichtete und bereits etablierte Wachstumsstrategie fortzusetzen.
Zur Rose profitiert dabei nach Ansicht des Managements von „unumkehrbaren, langfristigen Markttrends“: Gemeint sind die älter werdende Gesellschaft, der steigende Kostendruck sowie der in Gesundheitsthemen zunehmend informierte und sensibilisierte Verbraucher. Hinzu die Digitalisierung, bei der der Gesundheitssektor signifikant hinter anderen Konsumgüterindustrien zurückgeblieben sei. „Diese Trends unterstützen ein weiterhin hohes strukturelles und kontinuierliches Wachstumspotenzial in den nächsten Jahren für die Zur Rose-Gruppe und ihr innovatives Geschäftsmodell.“
Schließlich biete die fortschreitende Liberalisierung in anderen europäischen Märkten für Zur Rose Chancen, das Geschäft auf weitere Märkte auszudehnen. In den meisten europäischen Ländern sei der Versand von rezeptfreien Arzneimitteln uneingeschränkt möglich. „Das Logistiksystem der Gruppe verfügt bereits heute über eine hohe Skalierbarkeit, womit weiteres Wachstum bedient werden kann.“
Noch in diesem Jahr sollen daher über einen Börsengang mit Kapitalerhöhung mindestens 200 Millionen Franken gewonnen werden. „Mit diesen Mitteln will die Zur Rose-Gruppe die sich im Markt bietenden Wachstumschancen in verstärktem Maß wahrnehmen, um ihre starke Stellung im europäischen Arzneimittelversand weiter auszubauen.“
So soll das Geld vor allem für den Ausbau der Marktführerschaft in Deutschland, die internationale Expansion in bestehende und neue Märkte, vorrangig durch Akquisitionen, Digitalisierungsinitiativen sowie die Refinanzierung der im Dezember 2017 fällig werdenden Unternehmensanleihe im Umfang von 50 Millionen Franken genutzt werden.
Zugleich sollen weitere Aktien im Wert von 30 Millionen Euro platziert werden. Das Management will rund 3 Prozent abgeben, unter anderem um Steuerverbindlichkeiten zu begleichen. Die übrigen 5 Prozent, dies sich im Besitz des Managements befinden, sind für ein Jahr gesperrt, das knapp 21-prozentige Paket der Unternehmerfamilie Frey für sechs Monate. Weiterer Großaktionär ist mit 6 Prozent die saudi-arabische Investorengruppe Al Faisaliah. 64 Prozent der Anteile befinden sich im Besitz von Kleinanlegern, darunter 2000 Ärzte, sowie institutionellen Investoren.
Am 19. Juni müssen die Aktionäre bei einer außerordentlichen Generalversammlung in Zürich über die geplanten Kapitalmaßnahmen abstimmen. Dabei sollen auch die Statuten von Zur Rose geändert werden. Bislang durfte kein Aktionär mehr als 3 Prozent der Stimmrechte auf sich vereinen. Aktuell werden die Aktien der Zur Rose-Gruppe nur außerbörslich auf den Plattformen der Berner Kantonalbank, der Zürcher Kantonalbank und der Lienhardt & Partner Privatbank gehandelt.
Der Aktienpreis von Zur Rose hat sich in den vergangenen zwölf Monaten mehr als vervierfacht. Hatten die saudischen Investoren den bestehenden Aktionären noch 76 Franken geboten, liegt der Wert mittlerweile bei fast 115 Franken. Das EuGH-Urteil hatte der Aktie einen Höhenflug beschert.
Auch bei der Shop-Apotheke ist der Knoten geplatzt, wie das Fachblatt „Der Aktionär“ kürzlich titelte: Wurden im Herbst die Aktien noch für 28 Euro ausgegeben, war der Kurs um den Jahreswechsel auf 24 Euro abgesackt. Im April startete die Aktie durch und liegt aktuell bei 44 Euro. Wie jetzt bei Zur Rose geplant hatte das Management knapp 50 Prozent der Anteile an die Börse gebracht. Insgesamt wurden nach Abzug der Kosten 95 Millionen Euro in die Kasse gespült.
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