DocMorris gewährt Kunden weiterhin entgegen geltendem Recht Rx-Boni. Die niederländische Versandapotheke quittiert den Erhalt der Zuzahlung, ohne diese tatsächlich bei den Kunden zu kassieren. Das hat ein Apotheker nachgewiesen und die Zur Rose-Tochter verklagt. Das Landgericht Ravensburg hat eine einstweilige Verfügung gegen DocMorris erlassen.
Ein wichtiges Ziel hat DocMorris in diesem Jahr erreicht: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) prüft, ob die deutsche Preisbindung auch für ausländische Versandapotheken gilt. In dem Verfahren geht es um eine Kooperation zwischen DocMorris und der Deutschen Parkinson Vereinigung (DPV). Die Wettbewerbszentrale hatte gegen das Bonusmodel geklagt. Eine Entscheidung wird im Frühjahr 2016 erwartet.
Doch bei DocMorris ist man anscheinend nicht gewillt, eine Entscheidung aus Luxemburg abzuwarten. Wie ein Testkauf belegte, stellte die Versandapotheke nur etwa die Hälfte der gesetzlichen Zuzahlung in Rechnung, quittierte den Kunden aber den vollen Betrag. Auf der Quittung findet sich der Hinweis, diese diene nur der Vorlage bei der Krankenkasse.
Weil auf dem Kundenkonto eine Gutschrift verrechnet wird, führt DocMorris aus Sicht des LG letztlich die Krankenkassen hinters Licht. Denn die Versicherten könnten durch die Vorlage dieser Quittungen über angeblich geleistete Zuzahlungen eine Zuzahlungsbefreiung erreichen, obwohl die Belastungsgrenze noch gar nicht erreicht sei. Mehr als 2 Prozent seines Bruttoeinkommens muss laut Gesetz niemand für gesetzliche Zuzahlungen ausgeben.
Die Richter sahen zusätzlich einen steuerrechtlichen Aspekt: Kunden könnten durch Vorlage der Zuzahlungsquittungen für ärztlich verordnete Arzneimittel eine außergewöhnliche Belastung geltend machen und damit bei der Einkommenssteuer sparen, so das LG in seiner Begründung.
DocMorris hat mit diesem Bonus-Modell damit aus Sicht des Gerichts gegen die „fachliche Sorgfalt“ verstoßen. Gemeint ist der Standard an Sorgfalt, den ein Unternehmen gegenüber Verbrauchern „nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Marktgepflogenheiten einhält“. Als Verstoß gegen diese fachliche Sorgfalt sahen die Richter hier, dass mit dem Angebot eine Anlockwirkung eingesetzt wird, um den Verbraucher von einer informierten Entscheidung abzuhalten.
Angewandt auf den konkreten Fall: Kunden könnten durch die Boni veranlasst werden, ihre Arzneimittel nur deshalb bei DocMorris zu beziehen, „weil sie aufgrund der überhöhten Zuzahlungsquittungen die Belastungsgrenze erreichen oder eine Steuerersparnis erzielen könnten“, heißt es im Beschluss vom 14. Oktober, der ohne mündliche Verhandlung erlassen wurde. Gegen die einstweilige Verfügung kann DocMorris Widerspruch einlegen. In anderen Verfahren um Rx-Boni hat die Versandapotheke den Rechtsstreit in der Hauptsache weitergeführt.
Der Anwalt des klagenden Apothekers, Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas von der Freiburger Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen, sagte: „Aus rechtlicher Sicht dürfte dies eine Anstiftung zum flächendeckenden Betrug darstellen, da hier Quittungen über Beträge ausgestellt werden, die tatsächlich nicht beglichen werden mussten.“
Douglas würde sich wünschen, dass DocMorris jetzt auch von den Krankenkassen Gegenwind erhält: „Aus meiner Sicht ist es nun an den Krankenkassen, jede Verschreibung gegenüber DocMorris zu retaxieren. Es kann nicht sein, das Apotheker wegen formaler Bagatellen zur Kasse gebeten werden, ausländische Anbieter aber mit derartigem Verhalten durchkommen“, sagte Douglas. Eine Erklärung von DocMorris, wie man sich nun verhalten wolle, liege noch nicht vor.
Allerdings hat die Zur Rose-Tochter schon mehrere rechtskräftige Urteile gegen sich ignoriert und die verhängten Ordnungsgelder nicht gezahlt. Das Landgericht Köln hat daher bereits Vollstreckungsmaßnahmen gegen DocMorris eingeleitet. Da die Forderungen hierzulande – etwa gegen das in Deutschland ansässige Abrechnungszentrum – aber an andere niederländische Gesellschaften abgetreten sind, gestaltet sich die Pfändung der geschuldeten Beträge offenbar schwierig. Die Summe der rechtskräftig verhängten Ordnungsgelder gegen DocMorris sollen sich mittlerweile auf eine Million Euro belaufen, auf die die Staatskasse noch immer wartet.
APOTHEKE ADHOC Debatte