Versandapotheken

DocMorris: Rx-Boni bei MyDealz Alexander Müller, 21.10.2015 10:30 Uhr

Berlin - 

Der Showdown zu Rx-Boni vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) steht noch aus. Doch die Versandapotheke DocMorris wartet die Entscheidung in Luxemburg nicht ab und gewährt ihren Kunden schon heute wieder Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel. Diesmal gibt es über einen Gutscheincode einen Zuschuss von fünf Euro zur gesetzlichen Zuzahlung – nach geltender Rechtslage eindeutig illegal.

Bei MyDealz tauschen sich Verbraucher über aktuelle Angebote, Gutscheine oder sonstige attraktive „Deals“ im Internet aus. Am 19. Oktober freute sich ein Nutzer, den anderen einen Tipp geben zu können: „Hier mal ein seltener Gutschein für verschreibungspflichtige Präparate.“ Die Aktion gelte bis Ende Oktober, heißt es in dem Eintrag. Gutscheine wurden demnach direkt an Bestandskunden verschickt.

Der Nutzer zitiert auch den Begleittext, der nach seinen Angaben von DocMorris selbst stammt: „Nur in Verbindung mit einer Rezepteinsendung. Der Gutscheinbetrag wird direkt mit dem Rechnungsbetrag verrechnet (z.B. mit Ihrer Zuzahlung auf Rezepte). Bei Sammelbestellungen wird der Gutscheinbetrag von der Gesamtrechnung abgezogen. Restguthaben verfallen. Nicht mit anderen Gutscheinen kombinierbar.“

Es gibt eine offizielle Begründung: Auf Nachfrage hieß es vom Unternehmen, der Gutschein sei als Entschädigung für die Unannehmlichkeiten während des Poststreiks an Bestandskunden verschickt worden. Jedoch ließ sich der Gutschein bis gestern auch ohne Login einlösen: Nach Eingabe des Gutscheincodes funktionierte wurde im Webshop von DocMorris die gesetzliche Zuzahlung um fünf Euro reduziert. Mittlerweile ist der Gutschein abgeschaltet: „Der Vorteilscode 5R118 kann nicht mit ihrer Kundenkennung verwendet werden“, heißt es jetzt.

Dazu hat DocMorris allen Grund, denn nach deutschem Recht sind Rx-Boni unzulässig. Der Gesetzgeber hatte mit der Novellierung des Arzneimittelgesetzes (AMG) im Jahr 2012 überdies klargestellt, dass sich auch ausländische Versandapotheken an die Preisvorschriften halten müssen, wenn sie hierzulande tätig sind. Zuvor hatte schon der Gemeinsamen Senats der obersten Bundesgerichte so entschieden.

DocMorris hatte immer wieder versucht, das Boni-Verbot zu umgehen und beispielsweise Compliance-Prämien, Wegegelder und Liefergarantien ausgelobt. Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) erwirkte in mehreren Fällen nicht nur einstweilige Verfügungen gegen die Versandapotheke, sondern setzte wegen erneuter Verstöße auch mehrfach Ordnungsgelder gegen DocMorris durch. Diese beliefen sich in Summe zuletzt auf 850.000 Euro.

Bislang hat DocMorris nicht bezahlt, da deutsche Gerichte im EU-Ausland nicht ohne Weiteres pfänden können. Das Landgericht Köln hat nach eigenen Angaben Vollstreckungsmaßnahmen gegen DocMorris eingeleitet. Bislang war aber auch dies anscheinend nicht von Erfolg gekrönt. Auch in dieser Sache könnte die EuGH-Entscheidung richtungsweisend sein. Bis es so weit ist, versucht DocMorris anscheinend weiter, auf Umwegen Rx-Boni zu gewähren.

Vor einem Jahr hatte DocMorris mit Gutschriften auf den Kundenkonten für Schlagzeilen gesorgt: Auf der Rechnung wurde ordnungsgemäß die Zuzahlung ausgewiesen. Eingezogen wurde von der Versandapotheke aber nicht der Rechnungs-, sondern ein sogenannter Zahlbetrag. Die Summe errechnete sich offenbar aus 2,50 Euro pro zuzahlungspflichtigem Arzneimittel.

Zuvor hatte DocMorris nach längerer Pause erneut einen Werbeprospekt an Kunden verschickt: „Jetzt Rezept einsenden & Bonus sichern“, hieß auf dem Flyer, der auch als strategische Provokation zu verstehen war. Auch dieses Modell ging vor Gericht. Eine Apothekerin aus Berlin hatte einen Testkauf durchgeführt und dabei belastendes Material zugeschickt bekommen.

Im Herbst gab es dann eine weitere Variante, die später ebenfalls untersagt wurde: Wer einen Coupon der Versandapotheke zusammen mit einer Rezeptkopie in die Niederlande schickte, sollte einen Einkaufgutschein von 10 Euro erhalten. Dabei musste ein Mindestbestellwert von 40 Euro für rezeptfreie Ware zusammenkommen. Auf den Coupons heißt es: „Sie wollen uns erst besser kennenlernen, bevor Sie uns ein Rezept anvertrauen? Kein Problem! Senden Sie uns einfach eine Rezeptkopie. Auch dafür erhalten Sie einen 10 Euro-Gutschein und zusätzlich unseren Katalog mit rezeptfreien Produkten.“

Der Verband der Europäischen Versandapotheken (EAMSP) sowie die niederländische Europa Apotheek Venlo (EAV) hatten sich über das Bonusverbot bei EU-Kommission beschwert. Die Brüsseler Behörde hatte daraufhin ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet – wegen der AMG-Novelle. Aus Sicht der EU-Kommission werden DocMorris & Co. damit diskriminiert. Die Bundesregierung sollte die vermeintliche Ausweitung des Geltungsbereichs der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) auf EU-Apotheken erklären.

Im Januar 2013 verteidigte das Bundesaußenministerium, damals unter der Leitung von Guido Westerwelle (FDP), die deutsche Preisbindung, da diese „keinerlei Diskriminierung zwischen deutschen und ausländischen Versandapotheken“ darstelle und „aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt“ sei. Die Kommission fand das „nicht in allen Punkten zufriedenstellend“ und schrieb im November 2013 erneut an die deutsche Regierung. Letztes Mittel der Kommission wäre eine Klage vor dem EuGH.

Doch dazu kam es nicht: DocMorris schaffte es nach vielen erfolglosen Versuchen schließlich doch noch, selbst ein Gerichtsverfahren nach Luxemburg zu bringen: Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) legte dem EuGH im März ein Verfahren zur Vorabentscheidung vor.

In dem Streit zwischen der Wettbewerbszentrale und der Deutschen Parkinson Gesellschaft (DPG) ging es um einen DocMorris-Boni für die Mitglieder des Patientenverbands. Der Vorsitzende Richter war sich wegen des Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission nicht sicher, ob er die Boni für unzulässig erklären sollte. Der Gemeinsame Senat hatte seinerseits keine europarechtliche Relevanz gesehen und eine Vorlage nach Luxemburg als überflüssig erachtet.

Jetzt liegt das Verfahren beim EuGH, die Stellungnahmen wurden bereits eingeholt. Neben der deutschen Regierung haben sich auch Schweden, Italien und die Niederlande zu dem Fall geäußert. Ob es überhaupt zu einer mündlichen Verhandlung in Luxemburg kommt, steht noch nicht fest. Die Richter können auch auf Aktenlage entscheiden.

Für DocMorris hängt sehr viel von der Entscheidung ab – es geht um nicht weniger als die Zukunft des Rx-Geschäfts. Sollte auch der EuGH das Boni-Verbot als zulässig bestätigen, wäre die letzte juristische Zuflucht der EU-Versender verloren. Und ohne Rabatte, das zeigt die Erfahrung, schickt kaum ein Patient sein Rezept in die Niederlande. Der Anteil der Versender am Rx-Markt ist verschwindend gering, seit 2013 ist das Geschäft mit Rezepten noch schwieriger geworden.