Versandapotheken

Ansturm auf Zur Rose-Aktien Patrick Hollstein, 30.06.2017 11:06 Uhr

Berlin - 

Die Finanzbranche hat zum Sturm auf den Apothekenmarkt geblasen. Das Interesse an den Aktien von Zur Rose ist so groß, dass die Preisspanne eingegrenzt und der Börsengang um einen Tag vorgezogen wurde.

Vor einer Woche hatte Zur Rose die Details für den Börsengang bekannt gegeben. 1,67 Millionen Aktien sollen neu ausgegeben werden, dadurch verwässert sich der Anteil der bisherigen Aktionäre auf 72 Prozent. Ursprünglich lag der Korridor für den Ausgabepreis bei 120 bis 140 Schweizer Franken, wegen der starken Nachfrage einer großen Zahl wurde die Preisspanne jetzt auf 135 bis 140 Franken eingegrenzt. Außerdem wurde die Vorbereitungszeit um einen Tag auf den 4. Juli verkürzt. Voraussichtlich ab 6. Juli werden die Aktien an der SIX Swiss Exchange (SIX) gehandelt.

Damit geht der Börsengang in Rekordzeit über die Bühne: Erst am 19. Juni hatten die Aktionäre im Rahmen einer außerordentlichen Generalversammlung den Weg freigemacht. Sie hatten sogar einer Verwässerung ihrer Anteile auf 50 Prozent zugestimmt, die nun zu drei Vierteln ausgeschöpft wurde.

Damit zeichnet sich ab, dass Zur Rose mit dem Börsengang rund 230 Millionen Franken vor und 200 Millionen Franken nach Abzug der Kosten an frischem Kapital einwerben wird. Insgesamt wird die DocMorris-Mutter mit rund 870 Millionen Franken bewertet. Das entspricht ungefähr dem Umsatz der Gruppe im vergangenen Jahr (880 Millionen Franken) und dem 400-Fachen des operativen Ergebnisses (EBITDA). Legt man den Ertrag von 2015 zugrunde, kommt man auf Multiple von knapp 60.

Zum Vergleich: Der Konkurrent Shop-Apotheke erlöste durch den Börsengang im vergangenen Herbst rund 95 Millionen Euro netto, dafür verwässerten sich die Anteile der Altgesellschafter auf 60 Prozent. Der Ausgabepreis lag zwar am unteren Ende des Korridors von 28 bis 35 Euro. Der aus der Europa Apotheek abgespaltene OTC-Versender wurde aber trotzdem mit etwas mehr als 250 Millionen Euro und damit mit dem Doppelten des Umsatzes aus dem Vorjahr (126 Millionen Euro) bewertet. Auf EBIDTA-Ebene ließ sich wegen des Minus von 6,7 Millionen Euro kein Multiple berechnen.

Im Vergleich zu Zur Rose konnte Shop-Apotheke zwar weder schwarze Zahlen noch ein annähernd so diversifiziertes Geschäftsmodell vorweisen – Zur Rose ist mit zwei Versandapotheken und einem Praxisgroßhandel am Start, Shop-Apotheke zu 85 Prozent in Deutschland und zu 95 Prozent im OTC-Versand aktiv.

Dafür hatten die deutschen Unternehmen im niederländischen Exil aber die bessere Wachstumsstory: Zur Rose legte im vergangenen Jahr um 6 Prozent zu, selbst wenn man nur den Versandhandel betrachtet, ist das Plus nur einstellig. Nicht umsonst versprach CEO Walter Oberhänsli noch schnell die Übernahme einer kleineren deutschen Versandapotheke mit rund 40 Millionen Euro Umsatz.

Shop-Apotheke dagegen konnte im Vorfeld des Börsengangs ein ungebrochenes Wachstum von zuletzt 48 Prozent vorweisen sowie eine erste zarte Präsenz in Ländern wie Österreich, Belgien und Frankreich. Um die versprochene Internationaliserung zu unterstreichen, wurde kurz vor Börsengang noch der Zukauf der belgischen Versandapotheke Farmaline verkündet.

An der Börse fliegen CEO Michael Köhler und seinem Team nach wie vor die Herzen zu: Der Börsenkurs kletterte im Mai auf 45 Euro und liegt aktuell mit 40 Euro deutlich über dem Ausgabepreis. Oberhänsli muss nun beweisen, dass er diese Erfolgsgeschichte des Konkurrenten mit einem Jahr Verspätung wiederholen kann.

Beiden Versandapotheken gemeinsam ist, dass sie zum Zalando der Apothekenbranche werden wollen. Die Argumente sind dieselben: Der fragmentierte europäische Apothekenmarkt sei reif für die digitale Disruption. Zugleich räumen sowohl Shop-Apotheke als auch Zur Rose ein, als Versandapotheken von den Marktzugangsbeschränkungen zu profitieren und belastbare Wettbewerbsvorteile vorweisen zu können: Anders als unabhängige Apotheken habe man Expansionsmöglichkeiten und Zugang zum Kapitalmarkt. Anders als andere deutsche und niederländische Versandapotheken habe man eine Marke. Anders als Pharmahändler habe man keine Interessenkonflikte. Und anders als Internetriesen wie Amazon sei man eine Apotheke und habe entsprechende Erfahrungen, hieß es zuletzt von Zur Rose.