Versandapotheken

Zur Rose: Veto für die Apotheke Patrick Hollstein, 04.10.2014 09:54 Uhr

Berlin - 

Auch wenn sich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am Ende nicht dafür interessierte: Die Ohrfeige, die das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt (OVG) Zur Rose im Herbst 2010 verpasste, war schallend. Nahezu sämtliche Tätigkeiten und Leistungen habe die Versandapotheke aus der Hand gegeben, stellten die Richter fest und kassierten die vorübergehend Versanderlaubnis. Um nicht noch einmal in eine solche Situation zu geraten, überarbeitete die gleichnamige Kapitalgesellschaft später ihren Kooperationsvertrag. Seit 2012 hat Apotheker Ulrich Nachtsheim ein Vetorecht bei seinem Komplettdienstleister.

In Deutschland dürfen nur öffentliche Apotheken Arzneimittel versenden, und die dürfen nur von Apothekern betrieben werden. Weil der Versand aus der Schweiz nicht zulässig ist, hatte sich Zur Rose 2004 eine besondere Konstruktion ausgedacht: In Halle/Saale eröffnete eine Tochterfirma der Ärzte-AG – mit Unterstützung von Stadt und Land – ein Logistikzentrum, das formal nur als Dienstleister für die gleichnamige Filialapotheke von Nachtsheim tätig ist.

Zur Rose erbringt laut Firmenunterlagen aus dem Jahr 2010 für die Apotheke eine ganze Reihe von Dienstleistungen: „Bereitstellung/Vorhaltung von Arzneimitteln, Leistungen im Rahmen der Verpackung und des Versands der Arzneimittel, Abrechnung der versandten Arzneimittel gegenüber Krankenkassen und Kunden sowie Betreiben eines Call-Centers“. Außerdem ist die GmbH demnach für Marke, Marketing und Vertrieb zuständig.

Das OVG kam zu dem Schluss, dass nicht davon auszugehen sei, dass Nachtsheim die Versandapotheke „in rechtlichen und wirtschaftlichen, nicht einmal in allen pharmazeutischen Fragen, selbstständig und eigenverantwortlich leitet”. Weil der Apotheker das Konzept nicht ohne Zustimmung des Kooperationspartners weiterführen dürfe, sei die GmbH mehr als ein untergeordneter Dienstleister, so die Richter damals.

Auch die Tatsache, dass die vertraglich vereinbarte Vergütung von der Rezept- und Packungszahl abhänge, sahen die Richter als Indiz dafür, dass die Versandapotheke in Wahrheit von den Schweizern betrieben wird.

2,4 Millionen Euro zahlte Nachtsheim 2009 für die Kooperationsleistungen, das waren fast 10 Prozent des Umsatzes, plus 100.000 Euro für die Miete. Für schwarze Zahlen reichte es nicht: Marketingaufwendungen von 5,7 Millionen Euro drückten die Kapitalgesellschaft tief ins Minus.

Das BVerwG interessierte sich für diese Fragen nicht – denn der Apotheker, der gegen die Konstruktion vorgegangen war, war aus Sicht der Richter ohne den konkreten Nachweis eigener Umsatzeinbußen schlichtweg nicht klagebefugt. Arzneimittel- und Apothekengesetz dienten nicht dem Schutz der individuellen Interessen von Wettbewerbern, so der Tenor.

Für Zur Rose wurde damit das Aus in Deutschland auf den letzten Metern abgewendet. Um nicht noch einmal wegen der engen Verflechtungen belangt zu werden, wurde der Kooperationsvertrag bereits während des Verfahrens angeblich mehrfach nachgebessert. Für die Einhaltung aller apothekenrechtlich relevanten Vorschriften beim Dienstleister ist seit 2012 ein pharmazeutischer Qualitätskontrollbeirat zuständig, in dem Apotheke und Kapitalgesellschaft gleichermaßen vertreten sind.

Ohne Zustimmung des Beirats darf die Geschäftsführung in Person von CEO Walter Oberhänsli beispielsweise weder das Qualitätskontrollsystem verändern noch einen neuen Subunternehmer beauftragen, zumindest wenn solchen Maßnahmen „wichtige Gründe aus dem Bereich des Apothekenrechts entgegenstehen“.

Sofern der Kooperationsvertrag tangiert wird, können die Kontrolleure auch Auskunft zu Wareneinkauf, Betriebsabläufen, Rüstung der Artikel und Beifügung der Einnahmevorschriften sowie Erstellung von Lieferpapieren und Adressetiketten verlangen. Dasselbe gilt für die Vorbereitung der Verpackung und Änderungen der Softwarekonfiguration.

Wenn das Fremdbesitzverbot oder die Regelungen der Apothekenbetriebsordnung zum Versandhandel tangiert sind, ist der Beirat gegenüber der Geschäftsführung sogar weisungsberechtigt. Sind sich Gesellschafter und Apotheke uneins, entscheidet die Stimme letzterer. Ob diese Klausel angesichts der Kräfteverhältnisse jemals zur Wirkung kommen wird, ist freilich ungewiss.