Das Angebot des Portals „Potenzmittel-online-bestellen-kaufen“ ist begrenzt aber konsequent: Neben den Potenz-Klassikern gibt es Tabletten gegen Herpes, das Grippepräparat Tamiflu sowie Mittel gegen Gewichts- und Haarverlust, sonst nichts. Die Produkte können sofort bestellt werden - das Rezept wird online erstellt. Was wie einer der zahllosen dubiosen Pillenshops im Internet wirkt, gehört in Wahrheit zu einer legalen Versandapotheke mit Sitz in den Niederlanden.
Hinter einem Netzwerk aus mindestens zwei Dutzend Online-Auftritten wie „Viagra-kaufen“ oder „Abnehmen-online“ steht die Digitale Apotheek Nederland. Das Konzept der Spezialitäten-Shops: Für ein Rezept über eines der Lifestyle-Präparate genügt eine Patientenerklärung. Darin versichert der Kunde, wahrheitsgemäß auf vier medizinische Fragen zu antworten, und erklärt sich mit einer Kontaktaufnahme durch einen Arzt einverstanden. „Selten war Gemütlichkeit so preiswert“, heißt es auf einer Website.
„Die Fragebögen werden an unabhängige Ärzte weitergeleitet“, sagte der Inhaber Harald van den Born gegenüber APOTHEKE ADHOC. Diese stellten dann ein Rezept aus. Das sei in Holland vollkommen legal. Vorgeschrieben sei nur ein Telefonat zwischen Arzt und Patient, so der Apotheker. „Es wird immer Menschen geben, die im Internet Arzneimittel bestellen wollen, weil sie nicht zum Arzt gehen möchten.“
Vermutlich um möglichst viele von ihnen zu erreichen, bietet er seinen Online-Rezept-Service europaweit mit verschiedenen Gesichtern an: „Sexual-pharmacy“ und „Pillenpharm“ für die einen, „Potenzhilfen.info“ für die anderen. Keine eigenständige Online-Apotheke, sondern „Kundendienst für die Digitale Apotheek Nederland“ nennen sich die Seiten, die ihrerseits zum Teil formal von ausländischen Drittanbietern betrieben werden.
Das Beispiel Digital Apotheek macht deutlich, wie nah seriöse und zumindest fragwürdige Angebote von Internetapotheken beieinander liegen: Van den Born betreibt auch eine „normale“ Versandapotheke mit vollem Sortiment. Ohne Originalrezept geht hier gar nichts. Auf mehreren Lifestyle-Websites ist hingegen nach wie vor das Schlankheitsmittel Acomplia gelistet, das der Hersteller Sanofi bereits vor rund drei Wochen europaweit vom Markt genommen hat.
Abgesehen davon ist fraglich, ob die niederländische Rezept-Praxis überhaupt ohne weiteres exportiert werden darf. Ja, meint van den Born, da er ausschließlich mit niederländischen Ärzten kooperiere: „Es ist oft an der Grenze, aber was wir machen, ist rechtlich in Ordnung.“
Unter niederländischen Apothekern gilt das Konzept dagegen als zweifelhaft. Ärzte müssten sich an einen Kodex der Ärztekammer halten. Demnach müssen Mediziner die Ursache für die Erkrankung abklären, Diagnosen ließen sich nicht telefonisch stellen. Im Zweifelsfall müssten die Ärzte bei Zwischenfällen rechtlich einstehen.
Die Ärztevertreter in Deutschland sehen das Konzept ebenfalls kritisch und verweisen auf die Arzneimittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesauschusses. Demnach dürfen Rezepte nur ausgestellt werden, „wenn sich der behandelnde Arzt von dem Zustand des Versicherten überzeugt hat oder wenn ihm der Zustand aus der Behandlung bekannt ist“.
„Am Telefon kann ich mich nicht überzeugen“, sagte beispielsweise ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bayern gegenüber APOTHEKE ADHOC. Selbst bei ihm bekannten Chronikern sollte der Arzt Verschreibungen ohne vorherige Visite nur in absoluten Ausnahmefällen vornehmen, bestätigte ein Sprecher der KV Berlin. Laut Berliner Ärztekammer sollten Anamnese-Bögen bestenfalls im Vorfeld des Arzttermins zum Einsatz kommen, Ferndiagnosen seien dagegen schlicht unzulässig.
APOTHEKE ADHOC Debatte