Logistikzentren als Hotspots?

Ver.di: Amazon verheimlicht Covid-Ausbruch

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Berlin -

Amazon und die Ver.di werden wohl so schnell keine Freunde mehr: Seit Jahren kritisiert die Gewerkschaft die Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren, auch dieses Jahr hatte sie die Amazon-Beschäftigten anlässlich des Black Friday wieder zum Streik aufgerufen. Nun erhebt sie jedoch weitaus schwere Vorwürfe: Bei zwei Amazon-Logistikzentren solle es sich um Corona-Hotspots handeln – und Amazon versuche, das zu verheimlichen.

Ver.di erhebt erneut schwere Vorwürfe gegen Amazon. Hatte die Gewerkschaft dem Versandgiganten bisher stets zur Last gelegt, seinen Mitarbeitern eine tarifvertragliche und existenzsichernde Entlohnung vorzuenthalten, geht es diesmal um deren Gesundheit: So sollen sich im Logistikzentrum Graben rund 300 der insgesamt 1800 Mitarbeiter mit Sars-CoV-2 infiziert haben. Fünf Ver.di-Mitglieder liegen demnach auf der Intensivstation. Und auch im Standort Koblenz soll laut Ver.di das Virus grassieren: Dort seien noch vor Kurzem 63 Mitarbeiter infiziert und 140 in Quarantäne gewesen, zitiert die Süddeutsche Zeitung (SZ) eine Gewerkschaftssekretärin. Allerdings habe der Konzern von den 2800 Mitarbeitern am Standort nur 800 testen lassen.

Amazon wiederum weist die Vorwürfe von sich und gibt die Zahl der Infizierten in Graben deutlich geringer an. Es handele sich nur um 30 Fälle. Zur Infiziertenzahl in Koblenz machte der Konzern keine Angaben, bestätigte aber, dass dort noch bis vor Kurzem die Nachtschicht ausgefallen sei, weil 400 Mitarbeiter in Quarantäne mussten. Über die Äußerungen der Gewerkschaft zur Lage in Graben ist Amazon empört: „Dieses Niveau der bewussten Täuschung der Öffentlichkeit mit falschen Zahlen zu unserem Standort in Graben bei Augsburg haben wir noch nicht gesehen“, wird ein Sprecher zitiert.

Tatsächlich widerspricht auch das für Graben zuständige Gesundheitsamt im Landkreis Augsburg der Darstellung der Gewerkschaft: Der Standort sei kein Hotspot, die Behörde könne keine konkreten Zahlen nennen, dort aber auch keine Fallhäufung feststellen. Die Gewerkschaft wiederum verteidigt ihre Zahl von 300 Infizierten: Sie beruhe auf Hochrechnungen, die auf Aussagen von Beschäftigten zurückgehen und dann aus verschiedenen Arbeitsschichten zusammengerechnet werden. Die Mitarbeiter des Zentrums lebten – anders als beispielsweise bei den Schlachtereibetrieben von Tönnies – in einem größeren Einzugsgebiet von Kaufbeuren bis München und würden deshalb von unterschiedlichen Gesundheitsämtern erfasst. „Den Gesundheitsämtern fällt nicht sofort auf, dass Amazon Hotspot ist“, zitiert die SZ Gewerkschaftssekretärin Sylwia Lech.

Die Zustände in Koblenz wiederum stehen schon seit Wochen in der Kritik: Bereits Anfang November wurde berichtet, dass wegen einer Quarantäne-Maßnahme die gesamte Nachtschicht ausfallen musste. Rund 1600 Menschen arbeiten dort normalerweise, momentan seien es wegen des Weihnachtsgeschäfts aber rund 2500. Die Quarantäne der Nachtschicht habe Amazon in Kooperation mit dem dortigen Gesundheitsamt als „extreme Vorsichtsmaßnahme“ beschlossen, nachdem die Infiziertenzahlen im Gebäude nach oben schnellten, berichtete die Rhein-Neckar-Zeitung. „Amazon zeigt sich sehr kooperativ. Wir sind auf einem guten gemeinsamen Weg, um die Infektionsketten zu unterbrechen“, wird dabei ein Sprecher des Gesundheitsamtes zitiert.

Ver.di hat Amazon seit Beginn der Covid-19-Pandemie immer wieder unzureichenden Schutz seiner Mitarbeiter vor dem Virus vorgeworfen. Bereits im April forderte die Gewerkschaft die Schließung des Zentrums Winsen südlich von Hamburg, nachdem sich dort 68 der rund 1800 Mitarbeiter infiziert hatten. Allerdings seien dortige Mitarbeiter von einer viel höheren Dunkelziffer ausgegangen und hätten sich über unzureichende Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen beschwert. Auch diese Vorwürfe weist Amazon zurück: So würden vor Arbeitsbeginn die Temperatur der Mitarbeiter gemessen, der Abstand kontrolliert und täglich zwei Masken pro Mitarbeiter verteilt. Außerdem werde darauf geachtet, dass sich die Mitarbeiter der unterschiedlichen Schichten nicht begegneten, und auch in der Kantine seien Plexiglasscheiben zwischen den Tischen installiert worden.

Ähnlichen Vorwürfen sieht sich Amazon in seinem Heimatland ausgesetzt: Dort hatten Mitarbeiter das Unternehmen jüngst wegen eines Todesfalls verklagt. Amazon habe durch unzureichende Sicherheitsvorkehrungen in seinem Logistikzentrum in Staten Island, New York, die Gesundheit seiner Mitarbeiter gefährdet, so der Vorwurf. Anfang November wies ein Gericht die Klage jedoch zurück. Bereits einen Monat zuvor hatte der Konzern Zahlen zu Sars-CoV-2-Infektionen in seinen Standorten veröffentlicht, um der Kritik an seinen Sicherheitsmaßnahmen zu begegnen: Demnach hätten sich bis Anfang Oktober insgesamt 19.867 der rund 1,372 Millionen Beschäftigten in der Logistik sowie in der 2017 übernommenen Lebensmitteleinzelhandelskette Whole Foods mit Kundenkontakt infiziert, also rund jeder 70. Mitarbeiter. Das klingt erst einmal viel, sei jedoch angesichts der pandemischen Lage in den USA sehr niedrig. Die Zahl der Infizierten liege 42 Prozent niedriger, als es im Bevölkerungsdurchschnitt zu erwarten gewesen wäre.

 

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