Neuer Apothekerverband

VCA: Cannabis-Apotheker basteln eigenes E-Rezept

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Berlin -

Seit über zwei Jahren gibt es nun Cannabis auf Rezept. Die Zahl der Patienten steigt, genauso die der Anbieter. Das zugehörige Gesetz vom März 2017 wurde mit heißer Nadel gestrickt – entsprechend viel Nachbesserungsbedarf herrscht noch bei der Regulierung und entsprechend groß ist die Verunsicherung bei den Apothekern. Es gibt also genug Gründe, eine Vertretung zu organisieren, die sowohl die politischen und wirtschaftlichen Interessen der Apothekerschaft beim Thema Cannabis vertreten als auch einen Beitrag zu einer besseren Datengrundlage leistet. Der nun gegründete Verband der Cannabis Versorgenden Apotheken (VCA) will aber noch mehr: ein eigenes BtM-E-Rezept.

„Das Interesse ist riesengroß, man darf aber nicht verhehlen, dass es die Erwartungen auch sind“, sagt Markus Fischer. Der Bochumer Apotheker bildet gemeinsam mit seiner Hannoveraner Kollegin Astrid Staffeldt den geschäftsführenden Vorstand des Ende Januar gegründeten VCA. Mit den Erwartungen an Cannabis als Arzneimittel sind nicht wenige Apotheker noch überfordert: Fehlendes Wissen bei Apothekern und Ärzten trifft auf ablehnende Haltung bei den Kassen und Versorgungsprobleme bei den Anbietern. „Es hat sich herausgestellt, dass wenn man allein an der Front – also in der Offizin – ist, man niemanden hat, um sich auszutauschen“, hakt Staffeldt ein.

In der Unsicherheit ist nach Fischers Ansicht keine Schande. „Wenn man zum ersten Mal als Apotheker mit diesem komplexen Thema konfrontiert wird, kann man das nicht sofort stemmen“, sagt er. Deshalb hat sich der VCA auf die Fahnen geschrieben, fachkundige Apotheker zu vernetzen und weniger fachkundigen ein Ansprechpartner zu sein. „Wir wollen Kompetenzapotheken sein“, sagt Staffeldt. Die Zahl der Apotheken in Deutschland, die bereits eine Expertise in dem Bereich aufgebaut haben, sei sehr überschaubar: 50 seien es vielleicht, schätzt sie. Die Zahl der Apotheken, die sich mit Cannabis beliefern lassen, liege bei rund 3000 von über 19.000. Es ist also noch Luft nach oben. Dasselbe gilt für den VCA: Sieben Gründungsmitglieder gibt es. Der Verband hält nun Ausschau nach neuen Mitgliedern und hofft auf ein schnelles Wachstum.

Denn für die Apotheker sieht er in den Schwierigkeiten, die die Etablierung der Pflanze als Medizin mit sich bringt, auch eine große Chance für den ganzen Berufsstand. „Die Pflanze hat eine hohe Komplexität. Sie hat so viele verschiedene Wirkstoffe, dass man sie nicht wie ein Fertigarzneimittel behandeln oder verschiedene Sorten ohne weiteres wie Laborprodukte vergleichen kann“, erklärt er. Das Erkennen und die Analyse von Wirkstoffen sei aber die „Urkompetenz“ des Apothekers. „In den letzten zehn, fünfzehn Jahren wurden unsere Kompetenzen ja kaum noch gefordert und wir haben mittlerweile den Ruf bekommen, nur noch abgebende Zunft zu sein. Das ist deshalb eine tolle Chance zu zeigen, was wir wirklich können.“

Doch nicht nur in der Kollegenschaft herrsche Beratungsbedarf. Auch in Richtung Wissenschaft, Politik und Krankenkassen wollen die VCA-Apotheker Aufklärungsarbeit leisten. „Diese Pflanze beeindruckt uns als Pharmazeuten extrem“, sagt Fischer. „Wir wollen der Wissenschaft helfen, schnell und effektiv Wirkungen und Nebenwirkungen zu erforschen.“ Deshalb stellen sie gerade einen wissenschaftlichen Beirat zusammen. Der sei schon zur Hälfte besetzt – mit „sehr namhaften Leuten, die wir aber noch nicht nennen können“, so Fischer.

Auch politisch gebe es jedoch noch einiges zu tun. Man wolle sich dafür einsetzen, die „enormen bürokratischen Prozesse“ zu verringern und unter anderem schnellere Genehmigungen und einfachere Prüfungen in den Apotheken erreichen. Die Streitereien um Erstattung, Genehmigung und auch die Retaxationen durch die Kassen gingen letztlich zulasten der Patienten. „Seit ich so viel mit Cannabis zu tun habe, habe ich das erste mal in meinem Berufsleben eine Liste von Anwälten, die sich mit dem Thema auskennen, in der Apotheke hängen“, merkt Staffeldt an. „Das ist doch ein trauriges Zeichen.“

Doch der VCA will nicht nur nachbessern, sondern auch voranschreiten: Fischer kündigte am Donnerstag in Berlin an, der Verband arbeite daran, ein eigenes E-Rezept für Cannabis-Verordnungen an den Markt zu bringen. „Das Thema E-Rezept hat ja durch Herrn Spahn an Fahrt gewonnen. Da rennen wir sicherlich offene Türen ein“, sagt er. Es solle ein Blockchain-basiertes BtM-Rezept sein und die verschiedenen Akteure zusammenbringen. „Die bisherigen E-Rezept-Modelle konzentrieren sich ja eher auf die Kommunikation zwischen Arzt und Apotheker, wir wollen aber auch Anbieter und andere Stakeholder in den Prozess mit einbeziehen“, erklärt Fischer. Ansonsten hüllt er sich noch in Schweigen, mit wem das Projekt umgesetzt wird und wann mit der Einführung zu rechnen ist. Nur so viel lässt er sich entlocken: „Wir sind da mit einer Firma dran, die bereits sehr weit in der Entwicklung ist. Es liegt jetzt an uns, den zeitlichen Vorteil zu nutzen.“

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