Lieferprobleme

Valsartan: Wettlauf gegen die Zeit

, Uhr aktualisiert am 29.04.2019 11:01 Uhr
Berlin -

Erleichterung in der Apotheke: Der Großhändler hat Valsacor geliefert. Zuletzt war TAD als letzter verbliebener Hersteller mit seinem Valsartan-haltigen Präparat ausgefallen. Offenbar könnte es bald mehr Nachschub geben. Die Teva-Töchter Ratiopharm und AbZ stehen in den Startlöchern, Hexal und 1 A Pharma wollen in wenigen Monaten wieder lieferfähig sein. Nun geht es darum, wer die Nachfrage zuerst bedienen kann – bevor sie gänzlich zusammenbricht.

Valsartan-Generika sind seit dem Skandal um verunreinigte Wirkstoffe knapp. Fast alle Hersteller waren betroffen und mussten ihre Ware reihenweise vom Markt nehmen. Zunächst waren nur noch Mylan und TAD lieferfähig; beide Firmen hatten die Substanz nicht beim betroffenen chinesischen Lieferanten bezogen; bei Aurobindo waren nur bestimmte Chargen von den Rückrufen betroffen. Doch im November musste auch Mylan eine bis dahin nicht bekannte Verunreinigung melden. So blieb neben dem Originalhersteller Novartis TAD als einziger Anbieter übrig.

Aktuell sei wieder Ware angekommen, berichtet eine Inhaberin. Allein in ihrer Apotheke können jetzt acht Patienten mit Valsacor versorgt werden, die auf ihren Blutdrucksenker gewartet haben – die Abholer liegen bereit. Allerdings seien nur die Präparate mit 160 mg Wirkstoff geliefert worden. Die Varianten mit 80 und 320 mg Wirkstoff sind nach wie vor defekt.

Dass der Engpass damit bereits überwunden ist, darf allerdings bezweifelt werden. Denn der Hersteller räumt selbst ein, dass es Probleme gibt: „Wir bedauern, dass es bei der Bereitstellung von unseren valsartanhaltigen Produkten auf dem deutschen Markt aktuell zu Lieferengpässen kommt“, sagte ein Unternehmenssprecher. Die Situation sei maßgeblich durch die europaweiten Rückrufe zahlreicher verunreinigter Blutdrucksenker verschiedener Anbieter bestimmt.

Den plötzlichen Ausfall von 17 Herstellern zu kompensieren, sei eine große Herausforderung, so der Sprecher. „Mit einer Erhöhung der Produktion konnten wir seit Sommer 2018 die Auswirkungen der Krise nach besten Kräften abfangen und beliefern den deutschen Valsartan-Markt inzwischen mit 87 Prozent des heutigen Gesamtmarktvolumens.“ TAD sei nicht der Verursacher des Versorgungsengpasses. „Dank der erwiesenen Qualität unserer Produkte gehören wir zu den wenigen Herstellern, die von den Verunreinigungen nicht betroffen sind und uneingeschränkt auf dem Markt bleiben dürfen.“

Das Problem: Valsartan spielt immer noch eine wichtige Rolle im Markt. Bis zu 800.000 Packungen werden laut Iqvia pro Monat abgegeben, im Februar waren es rund 632.000 Packungen. Damit ist der Wirkstoff die Nummer 2 nach Candesartan. Müssten die verbliebenen Anwender nun ebenfalls auf einen anderen Wirkstoff umgestellt werden, könnte dies das Aus für Valsartan bedeuten. Denn noch einen Wechsel wird vermutlich kaum ein Arzt seinen Patienten zumuten wollen.

Die Uhr tickt also. TAD hat gegenüber Apotheken einen Ausfall bis Ende Mai angekündigt. Auch andere Hersteller melden, erst in einigen Wochen beziehungsweise Monaten wieder voll lieferfähig zu sein. Bei Teva ist man zuversichtlich: „Wir sind dran“, sagt eine Sprecherin. Nach Stand vom Mittwoch werde erwartet, „zeitnah – in den nächsten Wochen – wieder lieferfähig zu sein“. Ratiopharm und AbZ hatten wie andere Hersteller verschiedene Stärken und Packungsgrößen der Valsartan-haltigen Präparate aus dem Markt genommen.

Von den Lieferschwierigkeiten sind auch Stada und Aliud betroffen. „Grund hierfür ist eine derzeit generelle Verknappung der Wirkstoffe“, sagt eine Sprecherin. Um Engpässe möglichst zu vermeiden, greife man beim Wirkstoff Valsartan auf insgesamt drei Wirkstoffhersteller zurück. Dadurch konnte seit dem Rückruf im vergangenen Sommer die Lieferfähigkeit zwischenzeitlich wieder hergestellt werden. Da die Wirkstoffproblematik jedoch weltweit auftrete, sei die Verfügbarkeit bei Ausfall des Hauptanbieters auch bei mehreren Quellen begrenzt.

Sowohl Stadapharm als auch Aliud können dem Bad Vilbeler Konzern zufolge nach wie vor gewisse Mengen an Valsartan als Monopräparat sowie Valsartan HCT liefern. „Aufgrund der allgemeinen Engpässe und des daraus resultierenden erhöhten Bedarfs sind die uns zur Verfügung stehenden Mengen jedoch vermutlich schnell abverkauft“, so die Sprecherin. Da Aliud derzeit keine Rabattverträge zu Valsartan-haltigen Präparate begleite, sei die Nachfrage ohnehin sehr gering. Stada habe deshalb verschiedene Größen und Stärken außer Vertrieb gelistet. „Wir gehen aktuell davon aus, voraussichtlich ab Juli wieder lieferfähig zu sein.“

Zu Verzögerungen könne auch die Kontrolle der Ware führen: „Seit Bekanntwerden möglicher NDMA- sowie NDEA-Verunreinigungen bei einzelnen Wirkstofflieferanten unterliegt die Produktion dieser Produkte einem verschärften Kontrollkonzept“, so die Sprecherin. Dies beinhalte die Überprüfung jeder Wirkstoffcharge. Stada habe eine spezifische von Behörden autorisierte Analyse-Methode zur quantitativen Bestimmung von NDMA und NDEA eingeführt. „Somit unterliegen die neu in den Markt gebrachten Chargen unserem erweiterten Kontrollkonzept und damit verbundener ständiger Überprüfungen.“

Bei Mylan heißt es, die Verunreinigung von Valsartan-haltigen Präparaten mit Spuren von Nitrosamin sei weltweit eine Herausforderung für pharmazeutische Hersteller. Als Vorsichtsmaßnahme habe man den Vertrieb eingestellt und arbeite seitdem mit den Aufsichtsbehörden an der Einschätzung und Bewertung der Situation. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind wir davon überzeugt, dass unsere Wissenschaftler die Faktoren, die zur Verunreinigung mit Nitrosamin führen können, isoliert und identifiziert haben. Wir sind dabei, entsprechende Maßnahmen umzusetzen, die sicherstellen, dass zukünftige pharmazeutische Wirkstoffe die von den Aufsichtsbehörden auferlegten neuen hohen Standards erfüllen“, so eine Sprecherin.

Auch bei Hexal tut sich etwas: Dem Mutterkonzern Novartis zufolge soll bei den eigenen Generikamarken in den kommenden Monaten wieder Ware verfügbar sein. „Wir arbeiten daran, die generischen Valsartan-Produkte unseres Konzerns gegen Mitte des Jahres im Markt zur Verfügung stellen zu können“, heißt es in einer Stellungnahme. Im Juli 2018 wurden die Filmtabletten Valsartan Hexal sowie Valsartan Hexal comp und Valsartan 1 A Pharma zurückgerufen. Seitdem waren sie nicht wieder lieferfähig. Das Originalpräparat Diovan ist weiter erhältlich, aber mit erheblichen Mehrkosten für die Patienten verbunden. Das Produkt sei „vollumfänglich lieferfähig“, so Novartis.

Andere Hersteller können keine Aussagen geben, wann wieder Ware erhältlich sein wird: Derzeit sei nicht absehbar, ab wann es wieder Valsartan Hennig geben werde, sagt Tom Waldmüller, der bei dem Familienunternehmen für das Rx-Marketing verantwortlich ist. „Das ist für alle Beteiligten sehr bedauerlich.“

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