Valsartan: Pharmareferent verklagt Hexal APOTHEKE ADHOC, 22.05.2021 09:55 Uhr
Hexal steht ein weiteres Mal wegen Nitrosaminverunreinigungen im Blutdrucksenker Valsartan vor Gericht. Vor dem Landgericht München II ist ein Verfahren angelaufen, in dem ein ehemaliger Pharmareferent eine Million Euro Schadenersatz fordert, weil er den Hersteller für seine Krebserkrankung verantwortlich macht. Doch mit seiner ersten Aussage konnte er das Gericht noch nicht ganz überzeugen.
Bereits 2016 war dem heute 73-Jährigen aus Ahlen ein Analkanal-Karzinom diagnostiziert worden. Als zwei Jahre später die Verunreinigungen zahlreicher Valsartan-Generika mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) bekannt wurden, war der Fall für ihn klar: Er selbst hatte das Mittel von Hexal erhalten. Von den Verunreinigungen habe er aus der Presse erfahren. Eine Million Euro Schadenersatz fordert er von Hexal auf Grundlage von §84 Arzneimittelgesetz (AMG). Der regelt den Schadensersatz für Patienten, die durch ein Arzneimittel geschädigt wurden.
Am Mittwoch fand in München der erste mündliche Verhandlungstermin statt, der Kläger erschein persönlich und legte seine Sicht der Dinge dar: Hexal sei bereits seit 2012 über die Verunreinigungen informiert gewesen, habe die betroffenen Produkte aber erst viel später vom Markt genommen. Er selbst nehme seit 2007 Blutdrucksenker und sei 2011 auf das Präparat von Hexal zu 160 mg umgestellt worden, weil seine Krankenkasse einen Rabattvertrag mit dem Unternehmen habe. Wenn er gewusst hätte, dass das Mittel verunreinigt sei, hätte er es niemals genommen. Den Krebs habe er mittlerweile unter größten Leiden besiegt, doch die psychischen Folgen inklusive der Angst vor einem Rückfall würden bleiben.
Hexal weist die Vorwürfe zurück. Schon durch sein Alter habe er ein erhöhtes Krebsrisiko gehabt, außerdem sei er 40 Jahre lang exzessiver Raucher – bis zu zwei Schachteln am Tag – gewesen. Eine besondere Rolle könnte in dem Verfahren noch die jüngst vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) veröffentlichte Studie spielen, auf die Hexal ebenfalls verwies: Demnach konnte bei mehr als 25 Millionen Menschen, die zwischen 2012 und 2017 mindestens ein Rezept für Valsartan eingelöst haben, in Summe kein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen festgestellt werden – weder für eine dreijährige Langzeitanwendung, noch in Abhängigkeit der Dosierung. Dieses Ergebnis untermauert die Daten einer dänischen Studie, die zu einem ähnlichen Resultat kam, und ebenfalls vor Gericht von den Hexal-Vertretern zitiert wurde.
Doch auch der Kläger muss noch nachlegen: Sein Vortrag war nach Angaben des Gerichts „nicht ausreichend substantiiert“. So habe er insbesondere zur Anwendung noch nicht genug Angaben gemacht, speziell zu Verordnung, Erwerb und Einnahme des Valsartans. Außerdem sei noch nicht hinreichend klar, in welchem Zeitraum er welche Chargennummern erhielt. Der Kläger hat nun bis zum 30. Juni Zeit, eine weitere Stellungnahme abzugeben, danach hat Hexal eine Frist bis zum 4. August. Das Gericht hatte eine gütige Einigung angestrebt, zu der sich der Kläger bereit zeigte. Hexal hingegen lehnte den Vorschlag ab. Mitte bis Ende August dürfte dann laut Gerichtsangaben mehr Klarheit über den Fortgang des Verfahrens herrschen.
Es ist nicht das einzige Verfahren, in dem sich Hexal Vorwürfen erwehren muss, dass seine Valsartan-Präparate Krebs verursacht hätten. Bereits seit vergangenem Herbst läuft am Landgericht Konstanz ein erstes Musterverfahren, in dem neben Hexal auch 1A und Mylan Beklagte sind. Darin geht es um eine 80-jährige Frau, die 2018 an Nierenkrebs erkrankt war und mittlerweile verstorben ist. Von August 2013 bis Juli 2018 hatte sie die Höchstdosis von 320 mg am Tag erhalten.
Klagevertreter Heiko Melcher gibt den drei Generikaherstellern eine maßgebliche Schuld an der Erkrankung und machen deshalb Auskunfts-, Schmerzensgeld- und Feststellungsansprüche geltend. Melcher argumentiert, dass sowohl die Gefährdungshaftung aus §84 AMG als auch das Unterlassen notwendiger Kontrollen im Herstellungsland die Ansprüche begründen. Auch hier haben die Klagevertreter eine gütliche Einigung abgelehnt.