Selbstgestricktes Preissystem Alexander Müller, 31.10.2015 09:59 Uhr
Apotheker sind Heilberufler und Kaufleute. Diese einfache Wahrheit bringt den Berufsstand nicht nur in der politischen Debatte regelmäßig in die Bredouille, sondern auch bei der monatlichen BWA. Denn den Heilberuf haben die Apotheker von der Pike auf gelernt, den Kaufmann müssen sie sich selbst beibringen. Mit der Preisgestaltung ihrer Sicht- und Freiwahl sind daher viele Apotheken überfordert – und übernehmen oft einfach die Listenpreise. Verschenkt, findet Helge Hagedorn. Für die Apotheken seiner Frau hat er das Preissystem Lupus entwickelt. Jetzt will er es auch an andere Apotheken verkaufen.
Hagedorn ist kaufmännischer Leiter der Phoenix-Apotheken in Wolfsburg. Vor etwa zweieinhalb Jahren hat er sich zum Ziel gesetzt, differenzierte Preise in die Warenwirtschaft einzuspielen, die sich automatisch aktualisieren. „Die Warenwirtschaftssysteme geben das nicht her, zumindest nicht im großen Stil“, so Hagedorn. So verlange ein befreundeter Apotheker immer noch den von seinem Vater eingetragenen Fixpreis für Grippostad, obwohl er die Apotheke vor acht Jahren übernommen hatte. „Vermutlich das beste Schnäppchen in der gesamten Republik, nur dass niemand davon wusste – inklusive des Apothekers“, so Hagedorn.
Mit Lupus kann die Apotheke ihre Preise aktiv kalkulieren, Gruppen bilden und bestimmte Regeln festlegen. Ausgangspunkt sind die aktuellen Preise aus dem Umfeld der Apotheke: In die Statistik fließen Zahlen aus der Region der Apotheke ein, jeweils das Gebiet mit den gleichen ersten beiden Ziffern bei der Postleitzahl. Da es rund 100 dieser Gebiete gibt, sei die Statistik schon ziemlich feinkörnig, so Hagedorn.
Die Apotheke entscheidet dann, ob sie sich am höchsten oder niedrigsten Preis der Umgebung orientieren möchte. Dieser Anker wird dann mit einem Faktor versehen: Für eine Preisbrecherstrategie wählt der Apotheker beispielsweise den Minimalpreis abzüglich 10 Prozent Rabatt. Man kann mit der Software aber auch die unverbindlichen Preisempfehlungen (UVP) der Hersteller jeweils nach oben aufrunden, um die Marge zu verbessern.
Alle berechneten Preise können je nach Einstellung auch auf 29, 59 oder 99 Cent auf- oder abgerundet werden. Über die gezielte Steuerung einzelner Produkte sind zudem Flyeraktionen möglich. „Wir geben keine Preisempfehlung, sondern ein Werkzeug, wie sich die Apotheke ihren lokalen Besonderheiten anpassen kann“, so Hagedorn. Diese kenne der Apotheker ohnehin am besten.
In den vier Apotheken seiner Frau sei der Ertrag im Testmonat August jeweils um mindestens 1500 Euro gestiegen, so Hagedorn. Im September wurde der Test auf drei weitere Apotheken in Wolfsburg und Magdeburg ausgeweitet. Eine funktionierende Anbindung gibt es bislang für die Software von Pharmatechnik, Awinta stehe unmittelbar vor der Umsetzung.
Lupus ist eine browsergestützte Software, die als Ergebnis eine CSV-Datei ausspielt. Diese kann in die Warenwirtschaft eingespielt werden; dafür gibt es im Prinzip in jedem System eine entsprechende Importfunktion. Detailarbeit bleibt bei der Anbindung trotzdem immer zu erledigen, weshalb Lupus noch nicht mit allen Systemen läuft.
Apotheken können Hagedorns Modul zunächst in zwei Phasen kostenlos testen. Im ersten Schritt können sie mit jeweils echten Zahlen einer Center-, Ärztehaus- und Land-Apotheke spielen und ausprobieren, wie sich die Erträge verändern. Im zweiten Schritt ist dies mit eigenen Daten möglich. Für einen Monat überspielt die Warenwirtschaft dann die Daten an Lupus, anschließend kann die Apotheke mit ihren eigenen Werten Vergleiche anstellen. Eine Datenschutzerklärung soll gewährleisten, dass die Daten nicht anders verwendet werden.
Mit der Prognoserechnung kann der Apotheker anschließend die Wirkung seiner Maßnahmen sehen. Dabei behandelt die Software die Daten des Vormonats so, als wären die neuen Preise schon in der Vergangenheit veranschlagt gewesen. Natürlich ist das eine Schwachstelle des Systems, weil Effekte der Preisbildung auf den Absatz nicht berücksichtigt werden. Der Apotheker soll eine ungefähre Vorstellung bekommen, wie viel mehr oder weniger er mit seinen Maßnahmen verdienen könnte. „In die Zukunft kann man sowieso nicht sehen“, sagt Hagedorn.
Bei Vertragsabschluss bekommt der Apotheker dann die Vergleichsdaten aus seinem Umfeld. Für die Nutzung der Software nimmt Hagedorn eine Installationspauschale von 1500 Euro, für mehrere Einrichtung am selben Tag gibt es Rabatt. Hinzu kommt einen monatliche Nutzungsgebühr von 360 Euro, 300 für Filialapotheken. Ab dem zweiten Jahr wird der Preis halbiert.
Hagedorn verhandelt nach eigenen Angaben derzeit mit drei kleineren Apothekenkooperationen, die Lupus in Mitgliedsapotheken testen wollen. Im kommenden Jahr strebt er außerdem einen Vertrag mit einem führenden Datenlieferanten an, um das Umfeld der Apotheke noch besser abbilden zu können. Ziel sind die 30 bis 40 nächstliegenden Apotheken. Das sei dann sehr genau und schon recht nah an der datenschutzrechtlich zulässigen Grenze, so Hagedorn.
Das Modul gibt es in dieser Ausprägung bislang nicht, vollkommen neu ist die Idee aber nicht. Anbieter wie Baufeldt & Partner bieten auf Grundlage eigener Daten und Analysen ebenfalls ein Preismanagementsystem. Eine Zusammenarbeit gibt es mit Lauer-Fischer.
Auch viele Apothekenkooperationen unterstützen ihre Mitglieder auf die eine oder andere Art bei der Preiskalkulation. Empfehlungen seitens der Systemzentrale kann es hier aber schon aus kartellrechtlichen Gründen nicht geben.