Apotheken dürfen ihren Kunden keine Payback-Punkte gewähren, wenn diese rezeptpflichtige Arzneimittel vorbestellen. Das Landgericht Mannheim hat dem Großhändler Phoenix eine entsprechende Werbung für seine App „deine Apotheke“ untersagt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, Phoenix hat bereits Berufung eingelegt. Die klagende Wettbewerbszentrale hat parallel ein anderes Verfahren um Payback-Punkte verloren und strebt eine höchstrichterliche Klärung an.
„Deine Apotheke“ war die Phoenix-App, bevor der Großhändler dem Projekt Gesund.de beigetreten ist. Das eigene Angebot wird migriert, „deine Apotheke“ noch in diesem Jahr aus dem App-Store entfernt. Doch die Frage ist grundsätzlicher Natur, weshalb die Parteien weiter darüber streiten.
Phoenix hatte gegenüber Endverbraucher:innen damit geworben, dass diese mit der Nutzung der Vorbestellfunktion der App einmal am Tag 50 Payback-Punkte bekommen. In der Anleitung hieß es: „Rezept oder Produkt fotografieren“ – verschreibungspflichtige Arzneimittel waren also explizit eingeschlossen. An anderer Stelle hieß es: „Über unsere App kannst du deine Apotheke auswählen und dort Medikamente, auch mit Rezept, vorbestellen.“
Das rief die Wettbewerbszentrale auf den Plan. Da die Kund:innen auch bei einer Rezepteinlösung 50 Payback-Punkte (im Gegenwert von 50 Cent) erhielten, erscheine die Bestellung eines Rx-Arzneimittels über die Phoenix-App günstiger als der Bezug über eine andere Apotheke. Payback-Punkte sind demnach eine Form von Rx-Boni, die die Preisbindung unterlaufen.
Phoenix hielt dagegen, dass der Vorteil gerade nicht für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel gewährt werde, sondern allein für die Nutzung der Vorbestellfunktion. Der Kaufvertrag werde erst vor Ort in der Apotheke geschlossen, in der App würden nicht einmal die Preise angezeigt. Eine verbindliche Bestellung über die App sei ebenso nicht möglich. Die Vorbestellfunktion soll laut Phoenix nur den Apotheken und ihren Kund:innen das Leben erleichtern.
Deshalb handelt es sich nach der Auffassung des Großhändlers auch um eine allgemeine Imagewerbung ohne konkreten Produktbezug – die für das Heilmittelwerbegesetz (HWG) relevante Unterscheidung. Doch selbst wenn das Gericht einen Produktbezug annehmen würde, wären die paar Payback-Punkte eher mit einem Ersatz der Parkgebühr zu vergleichen, die als Ausgleich von Unannehmlichkeiten zulässig ist, meinte Phoenix.
Die Richter am LG Mannheim stellten zunächst fest, dass der Produktbezug sehr wohl gegeben ist. Denn laut BGH-Rechtsprechung kann das auch dann der Fall sein, wenn das ganze Sortiment inbegriffen ist. Und bei der Payback-Aktion gehe es nicht um eine besondere Leistung der Apotheke, sondern um Absatzförderung von Arzneimitteln – und zwar auch rezeptpflichtigen.
Dass die Medikamente mit der App nur vorbestellt und erst in der Apotheke wirklich gekauft werden, ist aus Sicht der Richter unerheblich. Denn immerhin könnte es den Fall geben, dass Rx-Arzneimittel vorbestellt und abgeholt würden – bei einem bereits verordneten Arzneimittel sei das sogar der wahrscheinliche Fall. Das LG ist ferner überzeugt, dass sich die Patient:innen davon auch beeinflussen lassen und ihre Apotheke auch danach auswählen, wo sie eine Vergünstigung erhalten. Das Argument der Wettbewerbszentrale in diesen Fällen ist stets: Wenn der Anbieter nicht davon ausgehen würde, dass es einen Einfluss hat, warum gibt es die Vergünstigung dann und warum wird so hartnäckig vor Gericht darum gestritten?
Auch den Vergleich mit der erstatteten Parkgebühr akzeptierte das Gericht nicht. Den Kund:innen werde schließlich unabhängig von etwaigen Unannehmlichkeiten für jede Vorbestellung eines rezeptpflichtigen Arzneimittels ein Gegenwert von 50 Cent gewährt.
In der Rechtsprechung längst geklärt ist auch die Frage, dass der Bonus nicht unmittelbar gewährt werden muss, sondern auch als Gutschein nachträglich seine steuernde Wirkung entfalten kann. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich diesbezüglich schon eingehend mit Ofenkrustis befasst. Bei der Payback-Aktion müsse es sich zwar nicht immer um dieselbe Apotheke handeln, jedenfalls aber um eine am Programm teilnehmende, so die Richter. Unter dem Strich kam das LG zu dem Schluss, dass der Payback-Bonus geeignet ist, die Apothekenkund:innen unsachgemäß zu beeinflussen und die Werbung deshalb zu verbieten ist.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Phoenix wollte sich zu dem Urteil vorerst nicht äußern, hat aber bereits Berufung eingelegt, nächste Station ist das Oberlandesgericht Karlsruhe.
Die Wettbewerbszentrale hat wegen der Payback-Punkte ein weiteres Verfahren gegen ein Hörakustikerunternehmen geführt – und verloren. Das Landgericht Hamburg hielt den Bonus beim Kauf von Hörgeräten für zulässig. Die Kund:innen der Kette Amplifon erhielten bei jedem Einkauf pro Euro Umsatz einen Payback-Punkt mit einem Gegenwert von einem Cent. Die Wettbewerbszentrale sah auch darin einen Verstoß gegen das Zuwendungsverbot aus dem HWG, weil Hörgeräte als Medizinprodukte ebenfalls erfasst sind.
Amplifon vertrat – wie Phoenix im anderen Verfahren – die Ansicht, dass es sich um eine reine Imagewerbung handelt. In diesem Fall folgte das LG Hamburg dieser Auffassung. „Es steht somit nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung nicht die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte im Vordergrund, sondern die Darstellung des Unternehmens der Beklagten als Teil des Payback-Systems mit den damit verbundenen Vorteilen für die Kunden. Vor diesem Hintergrund ist eine Produktbezogenheit nicht gegeben“, so das Urteil.
Gegen diese Entscheidung hat wiederum die Wettbewerbszentrale Berufung beim OLG Hamburg eingelegt. In beiden Fällen soll eine grundsätzliche Klärung der Frage erfolgen, ob die Werbung für die Gewährung von Payback-Punkten für Heilmittel in den Anwendungsbereich des HWG fällt.
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