Woran denkt ein Apothekenkunde, wenn er eine Blumenwiese sieht? Das Oberlandesgericht Köln (OLG) musste sich mit der Frage befassen, wie stilisierte Pollen auf der Verpackung eines Heuschnupfenmittels auf Verbraucher wirken. Zum Glück hatte einer der Richter selbst Heuschnupfen. Das Gericht erlaubte das Antiallergikum Azela-Vision des Herstellers OmniVision in seiner ursprünglichen Aufmachung.
Azela-Vision war Ende 2013 auf den Markt gekommen; mit der Verpackung hatte Konkurrent Bausch + Lomb ein Problem. Die „Blumen- oder Gräserwiese“ auf der Azela-Packung sei werblich und irreführend, lautete der Vorwurf, der die Hersteller schließlich vor Gericht führte. Bausch + Lomb hat mit Vividrin akut ebenfalls ein Azelastin-haltiges Antihistaminikum auf dem Markt.
Während sich am Boden der Vividrin-Packung eine grüne Wiese erahnen lässt, zeigte Azela-Vision ursprünglich Gräser und stilisierte rosa Pollen. Der Konkurrent sah darin zunächst einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) beziehungsweise den Humanarzneimittelkodex. Demnach sind Zeichen oder Piktogramme auf der Verpackung zulässig, die für die Gesundheitsaufklärung wichtig sind. Verboten sind dagegen Angaben, die Werbecharakter haben können.
Bausch + Lomb fand die Blumenwiese aber auch irreführend: Heuschnupfenpatienten könnten dahingehend getäuscht werden, bei dem OTC-Päparat handele es sich um ein pflanzliches Arzneimittel oder ein homöopathisches Mittel. Vor dem Landgericht Hamburg erwirkte der Vividrin-Hersteller eine einstweilige Verfügung gegen den Konkurrenten; die Packung musste geändert werden. Auch das Landgericht Köln gab Bausch + Lomb im Hauptsacheverfahren Recht. Das OLG wies jetzt die Klage in zweiter Instanz ab.
Zwar kann den Pollen-Bildchen laut OLG „eine allgemeine Werbewirkung nicht abgesprochen werden“. Die Gestaltung erscheine grundsätzlich geeignet, Nachkäufe zu fördern, oder die Empfehlung des Arzneimittels gegenüber Dritten. Doch laut Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sei der Werbecharakter einer Verpackung erst dann unzulässig, wenn er entweder einen werblichen Überschuss enthalte oder zu Werbezwecken eingesetzt werde.
Das konnten die Richter bei der Packung von Azela-Vision nicht erkennen: Die Abbildung zeige „eine grüne Wiese nicht mit Blumen oder Blüten, sondern mit rosafarbenen Pollen in stilisierter Form, die gleichsam über der Wiese fliegen und sich in der Luft verbreiten“. Die Abbildung diene damit der unterstützenden Kommunikation von Pflichtangaben. Die Wiese mit Pollen transportiere den Verwendungszweck des Arzneimittels – laut Packungsbeilage „Schutz vor den Substanzen wie Histamin“ oder „Behandlung und Vorbeugung von Augenbeschwerden aufgrund von Heuschnupfen (saisonale allergische Bindehautentzündung)“.
Die Richter fanden die Verpackung zwar geschmacklich ansprechend, aber auch nicht außergewöhnlich: In der mündlichen Verhandlung hatten beide Hersteller das wettbewerbliche Umfeld präsentiert, also Packungen der Konkurrenz auf den Richtertisch gestellt.
Das hinterließ Eindruck: „So weisen insbesondere die Produkte 'Cetirizin-ADGC', 'Lorano', 'Cetirizin 10 1A Pharma', 'Cetirizin Aristo' und 'Cromo-CT Heuschnupfen-Set' deutlich weniger stilisierte Abbildungen etwa von Pusteblumen oder Margeriten oder sogar die Fotografie einer Fussball-Spielszene auf.“
Und dann ging es noch um die Frage, ob ein durchschnittlicher Apothekenkunde wegen der Wiese dem Eindruck erliegen könne, das Arzneimittel enthalte pflanzliche Bestandteile und verfüge über eine pflanzliche Wirkweise. Nun müssen Richter nicht zu jedem Fall ein Sachverständigengutachten einholen. Um sich in den durchschnittlich aufgeklärten Verbraucher hineinzuversetzen, genügt fast immer die Anwendung eines speziellen Erfahrungswissens. Das galt in diesem Fall um so mehr, da zum Senat „im Übrigen auch eine vom saisonalen Heuschnupfen betroffene Person gehört“.
Und damit war für das Gericht schnell klar: Niemand würde bei stilisierten Pollen zu der Annahme gelangen, es handele sich um ein homöopathisches Arzneimittel. Dagegen spreche schon der ausdrücklich angegebene Wirkstoff „Azelastinhydrochlorid“. Auch zeige die Verpackung keine konkrete Pflanze. Verbraucher würden die Abbildung daher zutreffend als „unterstützende bildliche Kommunikation des Verwendungszwecks, nämlich gegen Beschwerden bedingt durch Heuschnupfen und Pollen, verstehen und auffassen“.
Und dabei hatten die Richter nach eigenen Angaben sogar die strengen Grundsätze zugrunde gelegt, die bei Arzneimittelpackungen an Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit zu stellen seien. Weil die Gesundheit in der Wertschätzung des Verbrauchers einen hohen Stellenwert habe, sei Werbung hier besonders wirksam, irreführende Werbung entsprechend besonders gefährlich. Aber eben nicht bei rosa Pollen.
Das OLG hat keine Revision gegen das Urteil zugelassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handele. Dagegen kann Bausch + Lomb noch Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH einlegen, ansonsten wird das Urteil rechtskräftig.
Bausch + Lomb gehört mit einem Umsatz von 110 Millionen Euro (Apothekenverkaufspreise, AVP) zu den führenden OTC-Herstellern. Auch OmniVision ist auf den Bereich der Augenheilkunde spezialisiert. Ende 2003 von Burkhardt Hoffmann in Puchheim gegründet, kommt die Firma nach deutlich zweistelligem Wachstum in den vergangenen Jahren auf Erlöse von 31 Millionen Euro.
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