Drogerieketten-Pleite

Urteil im Schlecker-Prozess erwartet

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Stuttgart -

Es ändert ja nichts, meint Christel Hoffmann. Gefängnis oder nicht für Anton Schlecker – die Arbeitsplätze, betont die einstige Betriebsratsvorsitzende der Drogeriekette, bringt das auch nicht zurück. Ihr wäre etwas anderes wichtig: „Ich würde mir eine aufrichtige Entschuldigung von Herrn Schlecker wünschen, nicht nur eine Äußerung des Bedauerns.“ Von ihrer Verantwortung, sagt Hoffmann, könne und werde sie die Familie ohnehin nicht freisprechen.

Heute verkündet das Landgericht Stuttgart sein Urteil im Prozess gegen Anton Schlecker, den einstigen König der Drogeriemarktbranche. Die Pleite vor Augen soll die Familie Millionen beiseite geschafft haben, um das Geld vor den Gläubigern in Sicherheit zu bringen. Auch Schleckers Sohn Lars und Tochter Meike sind angeklagt, sie führten damals ein Tochterunternehmen, das für die Logistik zuständig war. Die Staatsanwaltschaft will alle drei im Gefängnis sehen, die Verteidigung hält das für völlig überzogen.

Fast sechs Jahre ist die Insolvenz der damals größten Drogeriekette Europas inzwischen her, seit März 2017 läuft in Stuttgart das Verfahren. Sofern das Urteil Bestand hat, wäre die strafrechtliche Aufarbeitung damit wohl abgeschlossen. Der Schlussstrich unter dem Fall Schlecker wäre es aber nicht.

Zwar haben die Richter den Niedergang des einst milliardenschweren Konzerns bis ins kleinste Detail durchleuchtet, haben Zahlenkolonnen, Grafiken und Kontoauszüge studiert, Gutachter und Zeugen angehört. Ex-Führungskräfte haben geschildert, wie Anton Schlecker quasi allein über sein Milliardenimperium herrschte, keinen Widerspruch duldete, wie selbst Direktoren bis zum bitteren Ende davor scheuten, dem Chef schlechte Nachrichten zu überbringen. Wie Schlecker aber auch darauf bestand, den Mitarbeitern noch Ende 2011 nicht nur pünktlich das Gehalt, sondern auch Weihnachtsgeld zu zahlen. Und wie er unbeirrt an den Fortbestand seines Lebenswerks geglaubt hat.

Über Stunden hinweg hat Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz aber auch dargelegt, wie die Rettung scheiterte – und warum. Wie Schlecker mit Tausenden unattraktiven Mini-Filialen mehr und mehr Kunden an die Konkurrenz verlor, wie das Geld für ein geplantes Umbaukonzept fehlte, wie ein potenzieller Käufer in letzter Sekunde absprang.

Und über allem schwebten immer die Bilder der „Schlecker-Frauen“, der Dramen, die sich abspielten, als in Folge der Insolvenz 2012 die Läden schlossen und Zehntausende ihren Job verloren.

Schlecker ist dafür verantwortlich, man kann ihm die Schuld daran geben. Dafür schuldig sprechen kann man ihn nicht. „Insolvenzverursachung an sich ist kein Straftatbestand“, erklärt der Mannheimer Rechtsprofessor Georg Bitter. Auch Schleckers Anwalt Norbert Scharf hat das in seinem Schlussvortrag extra betont: „Es kann nicht darum gehen, den Unternehmer Anton Schlecker irgendwie für sein Scheitern zu bestrafen.“ Und ausnahmsweise waren Verteidigung und Staatsanwaltschaft da sogar mal einer Meinung.

Insgesamt gut 14 Millionen Euro haben die Schleckers an Geiwitz zurückgezahlt, davon 10 Millionen im Rahmen eines Vergleichs, nachdem der Verwalter Vermögensübertragungen angefochten hatte. Die vier weiteren Millionen überwiesen sie freiwillig kurz vor Ende des Prozesses, als „Schadenswiedergutmachung“, wie Lars Schlecker es ausdrückte. Strafrechtlich von Bedeutung sind nach Ansicht der Staatsanwaltschaft etwa 23 Millionen Euro – Verluste aus überhöhten Stundensätzen für die Firma LDG von Meike und Lars Schlecker, mutmaßlich von Anton Schlecker aktiv beiseite geschafftes Geld sowie unrechtmäßige Gewinnausschüttungen an die Kinder.

Betrachtet man den Fall nicht nur strafrechtlich, sind die Dimensionen anders. Gut 22.000 Gläubiger haben Forderungen angemeldet, das Volumen liegt bei mehr als einer Milliarde Euro. Einige Hundert Millionen versucht Verwalter Geiwitz mit Kartellklagen gegen damalige Lieferanten einzutreiben. Wie viel er bekommt und wer dann davon und in welchem Maße profitiert - noch nicht absehbar. Das Urteil des Gerichts ändert daran nicht viel.

Grundsätzlich könne es zwar sein, dass sich für Gläubiger aus einem solchen Verfahren noch zivilrechtliche Ansprüche ergeben, erläutert Jurist Bitter. „Nur: Diese Gläubiger haben ja ohnehin Ansprüche angemeldet.“ Relevanter sei diese Möglichkeit bei Insolvenzen von GmbHs, dann könnten sich noch Ansprüche gegen Gesellschafter oder Geschäftsführer ergeben. Schlecker aber war „eingetragener Kaufmann“, haftete also sowieso persönlich mit seinem Vermögen für die Firma.

„In der Insolvenz des eingetragenen Kaufmanns sehe ich nicht, dass sich daraus noch ein Vorteil ergeben könnte“, sagt Bitter.

Schlecker selbst hat im Gericht gesagt, er habe sein gesamtes Vermögen verloren. Was nicht mehr ihm, sondern seiner Frau gehört, zum Beispiel das Haus, kann ihm niemand streitig machen. Geiwitz hat den Prozess dennoch genau verfolgt, um zu sehen, ob die Staatsanwaltschaft doch noch irgendwo Geld findet, wie er dem „Handelsblatt“ gesagt hat. „Allerdings ist diesbezüglich nichts aufgetaucht.“

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