Apotheken ausgeschlossen: Bayer will das Kontrastmittel Ultravist (Iopromid) selbst an die Praxen liefern. Diese Erfahrung machte ein Apotheker in Sachsen. Ein Aufreger.
Das Kontrastmittel Ultravist kann nicht über den Großhandel bestellt werden. Geliefert wird nur direkt vom Hersteller. Als ein Apotheker aus Sachsen zum ersten Mal das Präparat für den Sprechstundenbedarf der benachbarten Radiologin bestellen wollte, die auf das Bayer-Produkt umgestellt hatte, musste er eine Erfahrung der besonderen Art machen.
Vorab erkundigte sich der Apotheker bei Bayer über die Liefermodalitäten. Ein Mitarbeiter der Auftragsannahme gab grünes Licht für eine Bestellung. Im zweiten Telefonat wurde der Auftrag dann mündlich aufgenommen. Ultravist 300 zu 200 ml sei lieferbar, defekt war laut Mitarbeiter jedoch die 500 ml – eine Lieferung sei erst Ende März möglich. So bestellte der Apotheker schlussendlich zehn Packungen à 200 ml. Als einige Tage später noch keine Ware eingetroffen war, fragte der Apotheker nach.
Die Antwort überraschte: Das Kontrastmittel sei zur Zeit nicht lieferbar. Gegenüber APOTHEKE ADHOC bestätigte eine Sprecherin den Defekt. „Aufgrund eines technischen Problems wurde die Freigabe einiger Batches flüssiger pharmazeutischer Produkte, die an unserem Produktionsstandort in Berlin hergestellt werden, vorübergehend gestoppt.“ Voraussichtlich könne „die Versorgung mit diesen Produkten bis Ende Q1 2018 wieder fortgesetzt werden“. Betroffen seien Ultravist 240, 300 und 370. Dem Apotheker wurde jedoch eine Nachlieferung angeboten. Auf die Frage, warum er nicht über den Defekt benachrichtigt wurde, konnte nur geantwortet werden, man wisse es nicht.
Die nächste Überraschung folgte nur wenig später, als ein Bayer-Außendienstler die verordnende Ärztin aufsuchte und mitteilte: Apotheken dürften das Kontrastmittel nicht liefern und die Rezepte dürften nicht an die Apotheke, sondern an den Außendienst gegeben werden. So forderte die Ärztin die Verordnungen vom Apotheker zurück. Der Pharmazeut fühlte sich aus der Versorgung ausgeschlossen.
Auf Nachfrage schreibt Bayer: „Der Vertrieb von Kontrastmitteln erfolgt in Übereinstimmung mit dem Arzneimittelgesetz in der Regel direkt an die radiologischen Praxen, in einzelnen Fällen auch an Apotheken.“ Zum Vorgehen des Außendienstes bezog der Konzern keine Stellung. Nach eigenem Bekunden schließt Bayer „Apotheken bei der Belieferung mit Kontrastmitteln nicht aus“. Weiter heißt es nur: „Bayer hält sich dabei an die Vorgaben in den Sprechstundenbedarfsvereinbarungen zwischen den Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen, die je nach Bundesland variieren können.“
Zuständige Kasse ist im geschilderten Fall die AOK Plus. Nach Rücksprache mit dem Fachbereich steht jedoch fest: „Apotheken dürfen Kontrastmittel abgegeben und an Arztpraxen ausliefern.“ Der Arzt müsse lediglich aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes nach §12 Sozialgesetzbuch (SGB V) bei Arzneimitteln, die nach §§44 oder §§47 Arzneimittelgesetz von der Vertriebsbindung über die Apotheken ausgenommen sind, den wirtschaftlichsten Bezugsweg wählen“, was auch eine Lieferung durch die Apotheken sein könne.
Tatsächlich gab es bereits Fälle, in denen Ärzte dafür bestraft wurden, dass sie Patienten mit Rezepten über spezielle Produkte in die Apotheke geschickt hatten. Eine Ärztin aus Sachsen-Anhalt erhielt einen Regress über 16.000 Euro, weil sie Medikamente für einen Bluterpatienten günstiger direkt beim Hersteller hätte bestellen müssen.
Das Bundessozialgericht (BSG) erklärte in dem Fall, warum der „Aufschlag“ der Apotheken bei Gerinnungsfaktoren zu teuer und daher zu vermeiden ist. Die Ärztin habe „gegen das sie unmittelbar verpflichtende Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen“, so die Richter. Der Begriff „Wirtschaftlichkeit“ fordere im engeren Sinne entsprechend dem Minimalprinzip, mit dem geringstmöglichen Aufwand die erforderliche Leistung zu erbringen, hieß es in der Urteilsbegründung. „Die für die Behandlung von Blutern regelmäßig aufzuwenden Arzneimittelkosten sind erheblich, sodass sich bei einem Direktbezug – also ohne den an die Apotheken fließenden 'Aufschlag' – ein entsprechendes Einsparpotenzial ergibt.“
Alleine aus der Tatsache, dass Hersteller und Großhändler bestimmte Produkte – darunter Gerinnungsfaktoren – direkt an Ärzte liefern dürfen, lässt sich laut BSG allerdings noch keine allgemeine Pflicht der Ärzte ableiten, zumal sie gar nicht Adressat der Regelung sind. Normalerweise müsse es eine Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots geben, wenn Ärzten bei dessen Nichtbeachtung rechtliche Folge drohen. Auf einen absoluten Zwang zur billigsten Lösung wollten die Kasseler Richter die Mediziner nicht verpflichten.
Im konkreten Fall sahen sie die Ärztin aber in der Pflicht. Immerhin hätten Mitarbeiter der Kasse die Ärztin bereits im Oktober 2005 bezogen auf den konkreten Behandlungsfall auf die Möglichkeit des Direktbezugs hingewiesen. Die Ärztin habe ihr Vorgehen weder geändert noch dies gegenüber der Kasse begründet. Sie habe sich nur darauf kapriziert, sie sei zum Direktbezug nicht verpflichtet. „Damit verkennt sie Bedeutung und Reichweite des Wirtschaftlichkeitsgebotes, das sie im Rahmen ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit beachten muss, ganz grundlegend“, urteilte das BSG.
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