Die mysteriöse 52

Übersicht: Wer am E-Rezept arbeitet

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Berlin -

Mit keiner technischen Neuerung sind in der Apothekenbranche so viele Ängste und Hoffnungen verbunden wie mit dem E-Rezept. Entsprechend viele Player versuchen gerade, sich eine gute Ausgangsposition zu verschaffen. 52 Modellprojekte gibt es bereits – oder vielmehr: soll es geben. Die Zahl geistert seit November durch die Branche. Nur wo sie herkam, kann niemand so recht beantworten. Die wichtigsten Projekte im Überblick.

„Grundsätzlich halten wir Gerda für ein sehr gutes Konzept. Dennoch ist es nur eines von aktuell 52 E-Rezept-Projekten“, erklärte die Compugroup Medical im November. Auch die ABDA, die Netzgesellschaft Deutscher Apotheker (NGDA) oder etwa der Bund der Arzneimittelhersteller (BAH) kommen auf dieselbe Zahl an Projekten. Fragt man dort nach, ob man einen Blick auf die Liste werfen könnte, heißt es unisono, dass man die nicht habe.

Stattdessen wird auf die Gematik verwiesen. Deren Geschäftsführer Dr. Markus Leyck-Dieken hatte Anfang November auf einer Fachtagung des BAH seine Visionen vorgestellt, zu welchen Anwendungen und strukturellen Reformen die Digitalisierung des Gesundheitswesens noch führen soll. Dabei erwähnte er, fast beiläufig, die 52 Modellprojekte. Wenn nicht die Gematik einen umfassenden Überblick über die E-Rezept-Modellprojekte hat, wer dann? Eine dahingehende Anfrage bei der Gematik läuft aber lange ins Leere. Nach mehrfachem Nachfragen dann auch dort die Antwort: Die Liste existiert gar nicht. „Bei der Zahl handelt es sich um eine Schätzung“, so der Sprecher der Gematik. „Eine zentrale Registrierung von Modellprojekten gibt es nicht, weder bei der Gematik noch beim BMG.“

Auch bei der Gematik erfasst man also offensichtlich nicht systematisch, wer sich gerade alles am E-Rezept probiert. Dabei muss eigentlich schon die Frage gestellt werden, ob sich der Umfang der derzeitigen Erprobungen überhaupt in einer einzigen natürlichen Zahl ausdrücken lässt. Denn zwischen vielen Projekten gibt es personelle, unternehmerische, technische und (verbands)politische Überschneidungen. Ab wann ist etwas ein eigenes E-Rezept-Projekt? Wenn in zwei verschiedenen Regionen auf Grundlage derselben technischen Infrastruktur jeweils das E-Rezept erprobt wird, sind das dann zwei verschiedene Modellprojekte?

BAV-Projekt in Berlin: Die DAV-WebApp

In der Hauptstadt beispielsweise testet der Berliner Apothekerverein (BAV) seit November die E-Rezept-WebApp des Deutschen Apothekerverbands (DAV) – für die der Verband von der Politik ein Monopol verlangt. Dabei will sich der DAV nicht auf Google oder Apple einlassen: Die DAV-WebApp kann nicht im Playstore oder im Appstore runtergeladen werden, sondern ist eine browserbasierte Anwendung. Für den DAV sieht so die Zukunft aus – ob er recht hat, müssen die Patienten entscheiden – oder das Bundesgesundheitsministerium.

GERDA

Gleichzeitig ist der DAV am Modellprojekt Gerda in Baden-Württemberg beteiligt – ein Verband, zwei Modellprojekte also. Gerda – der „Geschützte E-Rezept-Dienst der Apotheker“ – wurde von der Landesapothekerkammer (LAK) und dem Landesapothekerverband (LAV) angestoßen und dient auch als Modellprojekt für das E-Rezept der ABDA, das 2020 kommen soll. Es ist angedockt an das Telemedizin-Modellprojekt DocDirekt, das die Kassenärztlichen Vereinigung (KV) initiiert hat und an dem als technischer Dienstleister Teleclinic beteiligt ist. Teleclinic bietet schon seit vergangenem Jahr elektronische Privatrezepte an und verbindet nun die DocDirekt-Ärzte mit Gerda. Die Avoxa-Tochter NGDA (Netzgesellschaft Deutscher Apotheker) hat für die Software-Entwicklung externen Sachverstand hinzugezogen, die Entwicklungsleistungen wurden in einem Pflichtenheft definiert. Bei der begrenzten Ausschreibung kamen drei Dienstleister in die engere Wahl, Noventi HealthCare (NHC) erhielt den Zuschlag. Gerda kann für sich in Anspruch nehmen, am weitesten zu sein: Im November gab Noventi bekannt, erstmals ein GKV-E-Rezept abgerechnet zu haben – zum ersten Mal hat eine elektronische Verordnung damit ihren gesamten Lebenszyklus abgeschlossen.

Techniker Krankenkasse

Ein anderer Primus ist die Techniker Krankenkasse (TK). Denn zwar rühmt sich Noventi damit, das erste E-Rezept abgerechnet zu haben, eigentlich war es aber nur das erste kassenunabhängige GKV-E-Rezept. Denn die TK erprobt bereits seit Anfang des Jahres ihr eigenes E-Rezept in Hamburg, wenn auch nur in sehr bescheidenem Rahmen mit zwei Apotheken und einer Arztpraxis in einem Stadtviertel. Und die TK ist nicht alleingeblieben, mittlerweile hat sich auch die Hanseatische Krankenkasse (HEK) dem Projekt angeschlossen. Die technische Infrastruktur dafür hat die Zur-Rose-Tochter eHealth-Tec programmiert.

Kry/ DocMorris

Zur Rose wiederum ist auch mit Kry verbandelt: Das schwedische Telemedizin-Unternehmen ist nämlich im Dezember auf den deutschen Markt vorgestoßen und kooperiert hier mit DocMorris. Kry bietet ebenfalls elektronische Verordnungen an – bisher allerdings nur Privatrezepte. Für GKV-E-Rezepte wolle man allerdings nicht auf die DocMorris-Lösung setzen. Die entsteht gerade im Vorder- und Hintergrund gleichzeitig: Im Vordergrund, weil DocMorris massiv für die Einlösung des E-Rezepts wirbt, im Hintergrund, weil noch keine konkrete Anwendung mit echten Patienten getestet wird. Doch hat DocMorris bereits einige mächtige Partnerschaften geschlossen, die die nötige Marktdurchdringung sicherstellen sollen: Neben den Tele-Ärzten von Kry vor allem mit dem Spitzenverband der Fachärzte Deutschlands (SpiFa) sowie dem Deutsche Hausärzteverband und dem Hausärzteverband Westfalen-Lippe.

Pro AvO

Spannend ist die Frage, wie die E-Rezept-Lösung von Pro AvO aussehen wird. Noch ist nichts vorgelegt, aber das digitale Versorgungsnetzwerk, an dem die Initiative von Noventi, Sanacorp, Gehe, BD Rowa und dem Wort & Bild Verlag teilnimmt, will sein gemeinsames Portal spätestens mit der Einführung des E-Rezepts starten. Dass sich Pro AvO jüngst für die Forderung nach einem marktoffenen E-Rezept – und damit gegen DAV und ABDA – ausgesprochen hat, deutet auf ein eigenes Produkt hin.

Zukunftspakt

Etwas netter zum DAV war hingegen Noweda-Chef Dr. Michael Kuck: Er erklärte für den Zukunftspakt von Noweda, Burda und Pharma Privat eine Zusammenarbeit mit dem DAV beim E-Rezept erwägen zu wollen – und kassierte eine Abfuhr vom DAV. Ob da noch was kommt, wird sich zeigen.

Dass noch etwas kommt, dürfte bei der Compugroup Medical (CGM) sicher sein – doch bevor die Gematik-Spezifikationen für das E-Rezept veröffentlicht wurden, will CGM sein E-Rezept noch nicht ans Licht der Öffentlichkeit bringen. Bis Mitte nächsten Jahrs kann sich also noch einiges tun. Und auch diese Aufzählung hier ist weit von der Vollständigkeit entfernt – es ist eher eine Schätzung, welche die wichtigsten Projekte sind.

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