Der Plattform-Markt wird um einen Player reicher: Aponow wurde von einem E-Commerce-Konzern übernommen und soll nun unter neuem Namen mit Millionen-Investitionen in Marketing und Infrastruktur zum Mitbewerber von Gesund.de, IhreApotheken.de, DocMorris und Shop-Apotheke gepäppelt werden. Geschäftsführer Thomas Engels sieht die eigene Plattform als drittes Konzept neben denen der Großhändler und der Versender. Das Netzwerk hat er bereits, jetzt will er zum Angriff blasen.
Aponow gehört zweifellos zu den Pionieren im Markt, um nicht zu sagen: Die landläufige Wahrnehmung ist, dass das Konzept seiner Zeit zu weit voraus war. Bereits 2014 hob Gründer Markus Bönig das Konzept der „nationalen Vorbestellplattform“ aus der Taufe, stieß damit bei den allermeisten Apotheken aber auf recht wenig Gegenliebe – nicht zuletzt, weil die Bestellungen ungefragt eingingen und nach einem sogenannten Auktionsmodell vergeben wurden: Reagierte die erste Apotheke nicht innerhalb von 15 Minuten, ging der Auftrag an 15 weitere Apotheken im Umkreis, danach an 50 und so weiter. Einigen Betrieben brachte Aponow tatsächlich darstellbare Zusatzeinnahmen, generell fristete die Plattform aber trotz Expansion in den vergangenen Jahren eher ein Nischendasein.
Das soll sich nun grundlegend ändern. Dass Veränderungen anstehen, hat sich in den vergangenen Monaten bereits angedeutet: Unter der Marke Doc.Green verpasste sich die Plattform einen neuen Anstrich, das Konzept blieb aber vorerst dasselbe. Jetzt soll es umgebaut und hochskaliert werden, und zwar mit zusätzlichem Kapital im Rücken: Zum 1. August hat The Platform Group, ein E-Commerce-Konzern aus Wiesbaden, die Mehrheit an Aponow übernommen. Für die Wiesbadener ist es der Einstieg in den Apothekenmarkt: Ursprünglich kommen sie aus dem stationären Schuhgeschäft. In fünfter Generation führt CEO Dr. Dominik Benner die Gruppe, er brachte den Familienbetrieb ab 2012 auf die Höhe der Zeit, erst mit einer Plattform für Schuhe, dann sukzessive mit immer mehr Portalen in Branchen von Mode über Möbel bis zum Maschinenbau.
Nun kommt als nächste Branche also der Arzneimittelhandel hinzu. „Der Apothekenmarkt ist stark im Umbruch und wir haben Interesse daran, viele Apotheken an uns zu binden und einen digitalen Order-Prozess bei ihnen zu etablieren“, sagt Benner. Über den Kaufpreis oder die prozentuale Höhe der Mehrheitsanteile haben beide Parteien Stillschweigen vereinbart. „Was aber feststeht: Wir werden diese Beteiligung langfristig halten und relevante Investitionen im Millionenbereich tätigen. Wir werden keine Mitarbeiter entlassen“, so Benner. „Wir sind nicht eingestiegen, um zu sagen, es bleibt, wie es ist, sondern wir wollen die Plattform durch einen Relaunch, besseres Marketing und eine bessere technische Verbindung mit den Apotheken voranbringen.“ Dabei wird sich auch einiges am Modell ändern.
Aponow geht nämlich in den kommenden Tagen komplett vom Netz, noch im Laufe des August soll es unter der Marke Doc.Green neu gelauncht werden. Aponow bleibt trotzdem erhalten, und zwar nicht nur als Firmenname: Der Markenname geht nämlich auf das Tool KlickA über, mit dem Hersteller bei ihren Online-Kampagnen direkt eine Bestellung in den Apotheken auslösen können. Laut Engels sind mittlerweile mehr als 100 Firmen dabei, darunter auch Schwergewichte wie Ratiopharm oder Klosterfrau. „Die Aponow GmbH hat dann zwei Säulen: Die Plattform DocGreen als Verbindung zwischen Endverbraucher und Apotheke sowie Aponow als Servicetool vom Hersteller für die lokalen Apotheken“, so Engels.
Mit dem Konstrukt und dem nötigen Kapital im Rücken will er nun neue Wege gehen. „DocGreen mit den lokalen Apotheken wird ein drittes Plattformmodell neben dem der Versender und dem der Großhändler, wobei wir allerdings unabhängig sind, weil wir in keinen Kooperationen mit Verlagen oder Großhändlern sind.“ Gründer Bönig ist nicht mehr dabei, er habe seine Mehrheitsanteile komplett verkauft und halte nur noch eine kleinere Beteiligung, habe aber keinerlei Einfluss mehr auf das operative Geschäft. Von Bönigs bisherigem Stil werde sich die künftige Plattform unterscheiden, erklärt Engels. „Wir sehen die Apotheken eindeutig als gleichberechtigte Partner und wollen uns mit ihnen gemeinsam im E-Commerce weiterentwickeln.“
Dabei steckt er sich durchaus ambitionierte Ziele und will dabei auf den geschaffenen Strukturen aufbauen. „Wenn man von oben auf den Markt schaut, sieht man, dass die bisherigen Plattformen alle nur einen bestimmten Teil der Apotheken an sich binden. Wir hingegen haben in den vergangenen 18 Monaten 17.324 Apotheken Bestellungen zukommen lassen, das sind über 90 Prozent der Apotheken in Deutschland.“ Auch in Österreich sei die Plattform bereits auf dem Vormarsch, dort seien es bereits 792 Apotheken – der halbe Markt. Die Kontakte zu den Apotheken werde weiterhin Silvio Schnabel als Leiter des Kundescenters managen.
„Thomas Engels hat in den vergangenen Jahren schon eine große Plattform aufgebaut, von daher starten wir nicht bei null. Wir sind kein Newcomer, kein Start-up, das neu anfängt“, sagt Benner. Ziel sei, Aufträge stark regional an die Apotheken auszuspielen und – neben dem Pick-up – bei der Lieferung auf Kundenkomfort und Geschwindigkeit zu setzen. „Dabei wollen wir versuchen, die Zeitfenster der Zustellung zu verkürzen, um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Es gibt immer mehr Apotheken, die sich stärker am Kunden orientieren und die, statt einer oder zwei Botendienst-Touren zu fahren, mehrfach am Tag auszuliefern“, so Benner.
„Wir bleiben da aber realistisch. Natürlich kann nicht jede Apotheke ständig Bestellungen ausfahren“, hakt Engels ein. Deshalb strebe Aponow zuerst in den großen Städten Kooperationen an, in Berlin beispielsweise mit Sendit.Green, einem Versand-Dienstleister für nachhaltige Lieferungen. Die Apotheken werde der Service nichts kosten, denn die Liefergebühr zahle der Endverbraucher. „Denkbar sind auch Deals mit Pharmaunternehmen, die für ihre Produkte die Gebühr zahlen“, erklärt Engels. Beim Pick-up könne der Verbraucher jede Apotheke frei auswählen. „Die Same Day Delivery wiederum wird demnächst sukzessive in den meisten Großstädten starten. Das ist vorerst unser Fokus, aufs Land gehen wir danach.“ Geplant sei, im September mit zwei bis drei Städten zu starten und dann schnell weitere folgen zu lassen. „Jeden Monat zwei bis drei Städte hinzuzunehmen, ist kein Problem für uns, da wir kaum etwas vor Ort machen müssen“, so Engels.
Apotheken, die die Same Day Delivery mit dem eigenen Botendienst oder einem externen Dienstleister anbieten wollen, können sich dann über das Backend als Partner registrieren. Das bisherige Auktionsmodell von Aponow werde hingegen abgeschafft. Genügend Partner zu finden, soll nach Engels‘ Darstellung kein Problem sein. „Ich war von 1997 bis 2012 für die Verkaufsförderung bei Elac zuständig. Allein aus dieser Zeit kenne ich schon ungefähr 4000 Apotheker aus verschiedensten Kooperationen persönlich“, sagt er. „Das erleichtert den Aufbau des Netzwerks zusätzlich.“
Bleibt nur die Gretchenfrage: Was kostet das Ganze? Hier kann Engels noch keine konkreten Angaben machen, kündigt aber bereits an, dass der Preis eines der besten Argumente seiner Plattform sein wird. „Die Preismodelle, die von den anderen Plattformen gefahren werden, führen in letzter Zeit häufig zu Irritationen unter den Apotheken“, sagt er. Das spiele Aponow in die Hände. Das eigene Preismodell stehe zwar noch nicht abschließend fest, aber: „Wir erarbeiten es gerade zusammen mit mehreren Apotheken, um auch deren Wünsche und Bedürfnisse möglichst stark zu berücksichtigen. Ich glaube, das Preismodell wird sehr attraktiv.“ Künftig werde auch die einfache Handhabung ein weiteres Argument für Aponow sein, denn auch hier höre er auf die Inhaber. „Der letzte Wunsch der Apotheken ist, dass die Bestellungen direkt in der Warenwirtschaft landen. Das wird über unser Backend auch funktionieren. Ich gehe davon aus, dass wir ab dem ersten Quartal 2022 eine komplett funktionierende Schnittstelle zu allen Warenwirtschaften haben.“
Zum Geschäft gehören aber immer mindestens zwei: Käufer und Verkäufer. Hier hatte Aponow im vergangenen Jahr bereits einen großen Aufschlag mit Fernsehwerbung bei Sat.1 und ProSieben. Doch das war offenbar kein so gut angelegtes Geld: „Fernsehwerbung werden wir nicht nochmal machen. Man muss auch zugeben, wenn etwas nicht gut lief. Wir hatten Werbung geschaltet, die auch Kunden gebracht hat, das war aber nicht effizient“, sagt Benner. Der Lerneffekt: Künftig soll das Geld in lokalisierte Werbung samt Social-Media-Marketing und GoogleAds fließen.
Vor allem aber will die Platform Group das größte Kapital ausspielen, das Plattformbetreiber gemeinhin haben: die Kundendaten. In den vergangenen neun Jahren seien da nämlich so einige angefallen, die nun gezielt mit Werbung bespielt werden können. „Wir sind mittlerweile in 13 verschiedenen Branchen aktiv und werden dieses Jahr ein Volumen von 200 Millionen Euro haben. Pro Jahr haben wir 2,5 Millionen Kunden und entsprechend mittlerweile einen Kundenstamm von über 10 Millionen im DACH-Bereich“, erklärt Benner. Diese Kundendatenbank solle nun DSGVO-konform genutzt werden, um beispielsweise Newslettern Werbung für Apothekenprodukte auszuspielen. Auch könne über lokale Kooperationen wie Sendit.Green die Werbetrommel für Doc.Green gerührt werden, indem deren Fahrer bei ihren Lieferungen Flyer für die Apothekenplattform verteilen.
Nur über eines wolle Doc.Green nicht werben: den Preis. „Eines möchten wir sicherstellen: Dass wir niemals ein Tiefpreisanbieter werden, sondern immer mit dem UVP arbeiten“, versichert Benner. Natürlich könne es „selektiv kleinere Anpassungen wie Aktionen“ geben, das werde aber alles immer in Abstimmung mit und im Sinne der Apotheken erfolgen. „Wir müssen hohe Preisstabilität gewährleisten, sonst kündigen uns die Apotheker.“
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