Truvada-Schutzzertifikat ist nichtig APOTHEKE ADHOC, 22.05.2018 12:07 Uhr
Gilead unterliegt vier Generikaherstellern vor dem Bundespatentgericht. Das ergänzende Schutzzertifikat für den HIV-Blockbuster Truvada (Tenofovirdisoproxil/Emtricitabin) wurde für nichtig erklärt. Gegen das Urteil kann Berufung beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe eingelegt werden.
Die Generikahersteller Mylan, Teva, Accord und Lupin haben sich gegen Gilead durchgesetzt. Ihre Auffassung, die Wirkstoffkombination sei nicht durch das Grundpatent geschützt und könne somit nicht durch das ergänzendes Schutzzertifikat (SPC) geschützt werden, wurde vom Bundespatentgericht bestätigt. Die Patentbeschreibung beziehe sich nicht in spezifischer Art und Weise auf den zweiten Wirkstoff.
Aber von vorn: Gilead verfügt für Truvada über das Grundpatent für den Wirkstoff Tenofovirdisoproxil (TDF). Dieses war am 25. Juli 2017 abgelaufen. Die Kombination mit Emtricitabin sollte das SPC in zwölf europäischen Ländern bis 2020 schützen. Gilead wollte die Einführung von Generika im Eilverfahren stoppen.
Doch das Landgericht München I wies im August 2017 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Gilead hatte die Exklusivität für das HIV-Backbone verloren. Truvada wird sowohl für die Behandlung als auch für die Prä-Expostionsprophylaxe von HIV-1-Infektionen eingesetzt.
Auch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wird über den Patentschutz gestritten. Und nach Auffassung von EuGH-Generalanwalt Melchior Wathelet genügt es für die Erteilung eines SPC nicht, wenn ein Wirkstoff in den Schutz des Grundpatents falle. Jeder Wirkstoffe oder jede Stoffbezeichnung des Arzneimittels müsse dem Grundpatent unterstellt sein.
Mit Truvada hat Gilead im 2016 etwa 3,6 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Die Kombination bildet als „Backbone“ die Basis des individuellen Therapieregimes und wird mit weiteren Wirkstoffen kombiniert. TDF und Emtricitabin gehören zur Gruppe der Nukleosidischen-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) und bewirken einen DNA-Kettenabbruch. Das Therapieregime kann mit einem Proteaseinhibitor (PI) wie Invirase (Saquinavir) oder Prezista (Darunavir) und/oder einem Entry-Inhibitor (EI) wie Celsentri (Maraviroc) als Dreifachbehandlung komplettiert werden.
Die Dreierkombination greift an verschiedenen Stellen in der Virusvermehrung an und gilt als hochaktive antiretrovirale Therapie. Der EI verhindert ein Eindringen des Virus in die Zelle über den Co-Rezeptor CCR5, die NRTI sorgen für einen Kettenabbruch während der Umschreibung der Virus RNA und der PI hemmt die Reifung des neuen Virus. Für den Einsatz von Maraviroc ist ein Tropismustest vor Therapiebeginn notwendig, dieser gibt an, über welchen Co-Rezeptor das Virus in die Zellen gelangt – CXCR4 oder CCR5. Zudem liegen für den Wirkstoff vermehrt Resistenzen vor.
TDF kommt bei etwa 70 bis 80 Prozent der HIV-Patienten zum Einsatz. Die NRTI-Kombination Truvada ist auch für die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) als Schutz vor Ansteckung zugelassen, die Kosten tragen die Krankenkassen jedoch nicht.