Arzneimittelpreise

Trumps Preispolitik: Auch deutsche Hersteller geben nach dpa/ APOTHEKE ADHOC, 30.07.2018 14:44 Uhr

Berlin - 

US-Präsident Donald Trump prangert immer wieder teure Medikamente an – und immer mehr Pharmakonzerne geben nach. Deutsche Unternehmen verzichten nun ebenfalls auf Preiserhöhungen, um keinen Ärger zu provozieren. Für Patienten könnte das langfristig auch gefährlich werden.

Nach harscher Kritik von Präsident Donald Trump an hohen Medikamentenpreisen in den USA machen jetzt auch deutsche Pharmakonzerne Zugeständnisse. Sie folgen einer Reihe von Branchen-Schwergewichten, die auf Preiserhöhungen in Amerika verzichten, um Trump nicht zu provozieren. Was für Patienten zunächst eine gute Nachricht ist, kann langfristig jedoch auch Risiken für die Entwicklung neuer Arzneien bergen, fürchten Experten.

Der Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck hat inzwischen ebenfalls reagiert. „Wir planen derzeit keine Preiserhöhungen in den USA für den Rest des Jahres 2018“, teilte Merck mit. Man treffe aber Preisentscheidungen „unabhängig“. Ferner gibt der Pharmariese Bayer Trumps Druck nach: Man habe eine Vereinbarung unterzeichnet, die Preise für alle rezeptpflichtigen Medikamente bis zum Jahresende nicht zu erhöhen, erklärte der Konzern. Darüber sei US-Gesundheitsminister Alex Azar „persönlich“ informiert worden.

Trump hat wiederholt die hohen Kosten im US-Gesundheitssystem bemängelt, das als eines der ineffizientesten weltweit gilt. Gerade teure rezeptpflichtige und patentgeschützte Medikamente stören ihn. Vor knapp drei Wochen hatte Trump dann Pfizer direkt attackiert. Der Konzern „und andere“ sollten sich für ihre Preiserhöhungen schämen; Sie würden sich auf Kosten der Armen einen Vorteil verschaffen. Daraufhin hatten Pfizer und andere Pharmariesen wie Roche oder Novartis eingelenkt und auf Preiserhöhungen in den USA zu verzichtet. Der US-Konzern Merck & Co kündigte gar niedrigere Preise an.

Daraufhin hatte Trump sich per Twitter bedankt. „Vielen Dank an Novartis, dass Sie Ihre Preise für verschreibungspflichtige Medikamente nicht erhöht haben. Gleiches gilt für Pfizer“, schrieb er über den Kurznachrichtendienst. Man sei dabei, einen großen Schritt zu machen, um die Preise für rezeptpflichtige Medikamente zu senken.

Analysten sehen in dem schnellen und geschlossenen Handeln der Konzerne eine Vorsichtsmaßnahme. „Sie wollen aus der Schusslinie von Trump“, meint Ulrich Huwald, Analyst bei der Privatbank M.M. Warburg. Hohe Arzneipreise seien ein Politikum: „Im Herbst sind dort Halbzeitwahlen, für die Trump Erfolge braucht.“ Viele Ankündigungen seien aber sehr weich formuliert. „Keiner hat angekündigt, für alle Zeiten auf Preiserhöhungen in den USA zu verzichten“, sagt Huwald.

Deutsche Konzerne trifft die Debatte am Rande. Merck erzielte 2017 in seiner Arzneisparte in Nordamerika rund 1,5 Milliarden Euro Umsatz – knapp zehn Prozent der Gesamterlöse. Auch Bayer erwirtschaftete mit Arzneien auf Rezept – darunter der Blutverdünner Xarelto – in Nordamerika weniger als ein Zehntel der Konzernumsätze. Neben Merck und Bayer sind auch das Familienunternehmen Boehringer Ingelheim und der Gesundheitskonzern Fresenius in den Vereinigten Staaten vertreten – letzterer mit seiner Dialysetochter FMC sowie intravenös verabreichten Generika.

Doch Trumps Ärger richtet sich vorrangig gegen teure Originalpräparate. Boehringer wiederum wollte sich nicht zu Preisänderungen äußern. Trumps Verbaloffensive trübt gleichwohl die Perspektiven von Pharmakonzernen auf dem wichtigen US-Markt. „Während in Deutschland die Arzneipreise stark reguliert sind, konnten die Unternehmen in den Vereinigten Staaten die Preise frei setzen“, sagt Huwald. „Für sie waren die USA bisher ein Eldorado.“

Sollten aus Trumps Drohungen Gesetzesänderungen resultieren, würde das die Pharmakonzerne treffen. Merck nutzte den Spielraum in Übersee etwa, um Erlösrückgänge seines Blockbuster-Mittels Rebif gegen Multiple Sklerose über Preiserhöhungen zu dämpfen. Und für das Krebsmedikament Bavencio hat der Konzern erst im Frühjahr 2017 die US-Zulassung gegen einen seltenen Hautkrebs sowie gegen Tumore im Harntrakt bekommen. Das Mittel ist für Merck mit einem US-Listenpreis von 13.000 Dollar im Monat lukrativ und die größte Arznei-Hoffnung der Darmstädter.

Die teure Entwicklung neuer Arzneien könnte für Pharmakonzerne bei einer dauerhaften Preisdebatte unattraktiver werden. Natürlich sei der Verzicht auf Preissenkungen für US-Patienten zunächst positiv, meint Huwald. Langfristig gebe es aber durchaus Gefahren: „Wer investiert schon in die Entwicklung von Medikamenten, wenn er keine Planungssicherheit für die Preise hat?“ Im schlimmsten Fall könnten Pharmakonzerne die Forschung an neuen Mitteln auf den Prüfstand stellen. „Das wäre nicht im Sinne von Patienten.“