Die temperaturkontrollierte Auslieferung ist für DocMorris & Co. eine Achillesferse. Schon mehrfach wurden Rufe laut, die GDP-Standards auch auf den Versandhandel auszuweiten, was das Geschäftsmodell empfindlich stören könnte. Der Logistikdienstleister Trans-o-flex will diese Lücke jetzt schließen.
Trans-o-flex bietet ab sofort den Service B2C Pharma an, der für den aktiv temperaturgeführten Versand von Arzneimitteln an Endkunden entwickelt wurde. „Uns erreichen immer mehr Anfragen, beispielsweise von Versandapotheken, denen ein untemperierter oder nur passiv gekühlter Versand mit einem normalen Paketdienst im Hinblick auf die Wirksamkeit der Arzneimittel zu unsicher ist“, sagt Wolfgang P. Albeck, Vorsitzender der Geschäftsführung. „Deshalb können Kunden unsere gesamten aktiv temperaturgeführten Dienstleistungen jetzt auch für den Versand an Endkunden nutzen.“
Der Zeitpunkt für die Serviceerweiterung sei bewusst gewählt, so das Unternehmen, das seine Pläne für einen Börsengang im vergangenen Jahr vorerst beerdigen musste. „Der Versandhandel von Arzneimitteln hat sich in der Corona-Pandemie deutlich verstärkt und dieser Trend scheint unumkehrbar“, so Albeck. „Deshalb war es an der Zeit, auch im Raumtemperaturbereich, in dem die Masse der Arzneimittel transportiert wird, eine sichere Transportalternative für Privatzustellungen anzubieten.“
Da Trans-o-flex in den vergangenen Jahren ohnehin einen Großteil seiner Flotte auf die aktive Temperaturführung umgestellt hat, sind die Kapazitäten im Grundsatz vorhanden. Der Service ist daher nicht auf bestimmte Regionen begrenzt, sondern wird bundesweit innerhalb von 24 Stunden angeboten. Ein Temperaturlebenslauf, bei dem sich auch der Empfänger die Temperatur seiner Sendung während des gesamten Transports anzeigen lassen kann, gehört ebenfalls zum Angebot. Laut einer Sprecherin gibt es konkrete Interessenten, Namen nenne dürfe sie aber nicht.
„Als Marktführer im Bereich der flächendeckenden Transporte von Sendungen für die Pharma- und Healthcare-Branche sehen wir uns in der Pflicht, unser Netz auch für 2C-Sendungen im Raumtemperaturbereich zu öffnen, um mit unserer aktiven Temperaturführung sicherzustellen, dass die Arzneimittelwirksamkeit nicht durch zu hohe oder niedrige Temperaturen auf dem Transportweg gefährdet wird“, so Albeck.
Mit B2C Pharma führt Trans-o-flex nach eigenen Angaben seine Strategie fort, den Service für Zustellungen an Privathaushalte in ausgewählten Bereichen gezielt auszubauen. Bereits 2018 hatte der Expressdienst, der die meisten Sendungen zwischen Firmen (B2B – business to business) transportiert, Lieferungen an Privatadressen als gesondertes Angebot in sein Produktportfolio aufgenommen. Jetzt wird dieser Service erweitert, indem Kunden bei Privatzustellungen auch die komplette Palette aktiver Temperaturführung hinzuwählen können. Angeboten werden zwei Korridore: 2 bis 8 °C und 15 bis 25 °C.
Trans-o-flex hatte 2020 mit rund 153.000 systematischen Messungen der Temperatur im Laderaum untemperierter Lkw nachgewiesen, dass es in Deutschland praktisch keine Tage gibt, an denen nicht ein erhebliches Risiko besteht, den Temperaturbereich 15 bis 25 °C zu unter- oder überschreiten, in dem die meisten Medikamente ohne Beeinträchtigung ihrer Wirksamkeit transportiert werden können.
Die Messungen hatten ergeben, dass die Temperatur im Laderaum eines untemperierten Fahrzeugs dem Anstieg der Außentemperaturen im Tagesverlauf ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung folgt. Dabei heizt sich der Laderaum aber nicht langsam und parallel zum Anstieg der Außentemperatur auf, sondern die Temperatur im Innenraum steigt teilweise exponentiell zur Außentemperatur an.
Schon bei einer Außentemperatur von 16 Grad wurden bei 10 Prozent aller Messungen im Laderaum Temperaturen von mehr als 25 °C festgestellt. Und bei 23 °C Außentemperatur wurden auf den Ladeflächen Temperaturen von über 50 °C gemessen. Zusätzlich wird die Arzneimittelsicherheit durch erhebliche Temperaturschwankungen gefährdet, etwa bei Transporten übers Wochenende oder bei nächtlichen Transporten, auf denen nicht selten Minusgrade in den Laderäumen untemperierter Lkw herrschen.
Tatsächlich sind die Versender unter Druck, den Transport sicherer zu machen. Vor zwei Jahren war dem CSU-Abgeordneten Stephan Pilsinger ein Coup gelungen: Kurz vor Verabschiedung des Apothekenstärkungsgesetzes (VOASG) im Bundestag hatte er über einen Änderungsantrag bewirkt, dass sich auch ausländische Versandapotheken an die Temperaturvorschriften halten müssen. Die Linke hatte kritisiert, dass es dazu keine Kontrollmechanismen gibt, doch die ersten Landesbehören machen dem Vernehmen nach bereits Druck, dass die Vorgaben auch umgesetzt werden.
Unklar ist, welche Folgen ein solches Angebot auf die Preise haben wird – hohe Versandkosten schrecken viele Verbraucher:innen ab. Die Sprecherin will nicht verraten, was der Service kostet. Erschwerend kommt für die Versender hinzu, dass dank der Lieferdienste wie Mayd eine Wettbewerb um eine besonders schnelle Zustellung entstanden ist. Hier will auch der Logistikkonzern Fiege über sein Netzwerk Angel mitmischen. Auch hier könnte die Temperaturkontrolle ein entscheidendes Wettbewerbsinstrument werden, so sie sich wirklich durchsetzt.
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