Träume einer Discount-Apothekenkette Patrick Hollstein, 02.05.2009 01:22 Uhr
Es war ein Planspiel von Betriebswirten und Marketingexperten. Im Apothekenmarkt müsste sich doch angesichts der sicheren Filetierung leicht Geld verdienen lassen, mag sich das Team um Professor Dr. Christian Schleuning Ende 2006 gedacht haben. Schließlich hatte man mit dem Verkauf der VfG-Versandapotheke an „Zur Rose“ erst kurz zuvor Kasse gemacht.
Die ersten Geldgeber waren schnell gefunden: Wie schon bei der VfG sprang die S-Unternehmensbeteiligungsgesellschaft der Sparkasse Leipzig GmbH bei der neu gegründeten Kosmas GmbH ein. Geschäftsführer und Mitarbeiter kamen aus dem Umfeld der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig. In den ehemaligen Büroräumen der VfG in der Leipziger Innenstadt begannen die Vorbereitungen für die Discount-Apothekenkette.
Im Mai 2007 war es dann soweit: In einem ausrangierten Aldi-Markt in einem Industriegebiet am Ortsrand von Halberstadt öffnete die erste damian-Apotheke - als „Analyse- und Testobjekt“, wie den Investoren mitgeteilt wurde. Standort und Einrichtung wurden von Kosmas gestellt, das Leipziger Unternehmen kümmerte sich außerdem um die Bewerbung des Discount-Konzepts: "Rezept = Geschenk" hieß es auf den ersten Prospekten der damian-Apotheke.
Auf der Basis der vor Ort gewonnenen Daten wollte Kosmas im Eiltempo in die Fläche gehen. Zum Problemfall wurde das bestehende Fremd- und Mehrbesitzverbot. Aufgrund „der kurzfristigen Eröffnung vor dem rechtlichen Hintergrund“ müsse man zunächst mittels einer Art Franchise-Modell arbeiten, teilte Kosmas intern mit.
Betreiber der ersten damian-Apotheke war daher ein Apotheker, der nach seiner Zeit beim MVDA zuletzt für „Zur Rose" gearbeitet hatte, wo er mit Schleuning und dessen Team in Kontakt gekommen sein dürfte.
Die Eigentümersituation sollte sich nach den Plänen der Unternehmer allerdings zügig ändern: Im November 2007 wurde Kosmas im saarländischen Gesundheitsministerium vorstellig. Was DocMorris kann, kann Kosmas auch, so die Logik, der sich offenbar auch Staatssekretär Wolfgang Schild (CDU) anschloss. Weil die Rechtsauslegung im Saarland also außerordentlich komfortabel schien, suchte Kosmas Ende 2007 bereits per Anzeige und Telefonakquise nach pharmazeutischem Personal.
Statt des ursprünglich geplanten niederländischen Ablegers wurde Anfang 2008 nach bewährter VfG-Manier in Tschechien ein Tochterunternehmen gegründet, das Eigentümer der Apotheken werden sollte. An der Prager Firma war neben Kosmas ein österreichisches Unternehmen namens Apocatena beteiligt, an dem wiederum verschiedene, überwiegend deutsche Unternehmen und Privatiers Anteile gezeichnet hatten. Als Aufsichtsratschef fungierte übrigens kein Geringerer als Schleuning, der sich ansonsten komplett im Hintergrund hielt.
Die tschechische Firma beantragte beim saarländischen Ministerium eine Betriebserlaubnis. Aus der geplanten Filiale in Neunkirchen wurde aus unbekannten Gründen jedoch bis zuletzt nichts, ebenso wenig wie aus der Verlegung der Firmenzentrale von Leipzig nach Karlsruhe.
Es blieb also bei Ostdeutschland. Das „Analyse- und Testobjekt“ hatte als Apotheke im ersten Jahr knapp 1,6 Millionen Euro umgesetzt. Im Laufe des Jahres 2008 eröffneten in Schönebeck, Eisleben, Berlin und Leipzig weitere damian-Apotheken. Standorte waren zudem in Aschersleben und Wurzen geplant. Per Mailingaktion suchte Kosmas neben Filialleitern und Mitarbeitern auch verkaufswillige Apotheker und - ziemlich unverblümt - Strohmänner.
Regelmäßig tauchten in den Apotheken Kosmas-Mitarbeiter zur Stippvisite auf; ein halbes Dutzend Personen arbeitete zuletzt für die Systemzentrale - darunter eine Kollegin, die in erfrischender Vielfalt wahlweise als „Leiterin Geschäftsentwicklung“, „Key Account Managerin“ oder einfach nur als „studentische Mitarbeiterin“ auftrat.
Im September 2008 wurde erstmals per Postwurfsendung für Rezeptgutscheine geworben. Den Verbrauchern blieb zum Einlösen nicht mehr viel Zeit, denn offenbar war Kosmas zu diesem Zeitpunkt bereits ins Schlingern geraten. Anfang Oktober standen plötzlich vier der fünf Apotheken „einzeln oder im Paket“ zum Notverkauf. Geldgeber im Hintergrund seien ihren Zahlungsverpflichtungen nicht wie vereinbart nachgekommen, hieß es damals aus dem Unternehmen. Der operative Geschäftsbetrieb sei aber nicht in Gefahr. Zwei Monate später folgte der Insolvenzantrag.