Impfen im Outdoor-Geschäft: In acht deutschen Globetrotter-Filialen können sich Reiselustige von Ärzten nicht nur beraten, sondern auch impfen lassen. Ein umstrittenes Konzept, doch laut einer Gerichtsentscheidung sind Arztpraxen im Einzelhandel zulässig. Sauer stößt den Apotheken jedoch auf, dass in den Filialen fleißig gegen Tollwut geimpft wird, während die Apotheken vor Ort keinen Impfstoff bekommen.
In den Globetrotter-Filialen in Berlin, Dresden, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln und München führt das Berliner Centrum für Reise- und Tropenmedizin (BCRT) „Reisepraxen“ in denen sich Kunden beraten und auch gleich impfen lassen können. Die Flächen werden beim Outdoor-Geschäft angemietet. Neben einem festen Ärztestamm, arbeiten in den „Impffilialen“ auch Ärzte auf Honorarbasis.
Aktuell gibt es Ärger in Köln. Am Rhein wird in den Filialen gegen Tollwut geimpft – mit Tollwut HDC, so eine Sprecherin. An sich kein Problem, doch angesichts der angespannten Liefersituation bei Tollwut-Impfstoffen stellt sich die Frage, woher die Vakzine kommt. Derzeit sind Rabipur (GSK) und folglich auch die Parallelimporte sowie Tollwut-Impfstoff (HDC) inaktiviert (Sanofi) nur eingeschränkt bis gar nicht verfügbar. „Wir beliefern derzeit nur die Notfalldepots, um die Versorgung im Notfall, das heißt zur Postexpositions-Prophylaxe, sicherzustellen”, bestätigt eine GSK-Sprecherin. Das ist auch die Antwort, die Apotheker bei ihrer Bestellung erhalten.
Der Grund für den aktuellen Lieferengpass sei ein erhöhter Bedarf und Verzögerungen in der Herstellung. Die Belieferung des Großhandels mit dem Impfstoff werde voraussichtlich noch für diesen Monat erwartet. Sanofi begründet seinen Defekt mit einer „hohen weltweiten Nachfrage bei voll ausgelasteten Produktionsstätten”. Wann der Hersteller wieder in vollem Umfang lieferfähig sein wird, ist noch unklar. „In den nächsten sechs Monaten rechnen wir nicht damit”, so eine Sanofi-Sprecherin.
Wie dem auch sei, im Outdoor-Geschäft wird geimpft. Die Ware erhalten die privaten Praxen von Apotheken, so eine Sprecherin. Man habe könne noch auf einen Puffer zurückgreifen. Dem Vernehmen nach sollen jede Woche zwischen 60 und 100 Impfdosen nachbestellt werden können.
Der Mediziner Dr. Tomas Jelinek führt das BCRT als eine private Einzelpraxis. Daneben führt er allerdings Zweitpraxen in den Outdoor-Geschäften. Die Wettbewerbszentrale hatte dem BCRT vorgeworfen, die Reisepraxen nicht nur zu bewerben, sondern selbst zu betreiben. Dem Arzt wurden Verstöße gegen die Berufsordnung vorgeworfen. Doch sowohl das Landgericht Berlin als auch das Berliner Kammergericht im Berufungsverfahren wiesen die Klage überwiegend ab.
Das von der Wettbewerbszentrale geforderte generelle Verbot geht den Richtern zu weit. Es komme auf die konkrete Ausgestaltung an: Praxis und Shop müssten sauber voneinander getrennt werden. Dies war aus Sicht des Kammergerichts nur bei der Reisepraxis in Dresden nicht der Fall.
Der Vorteil im Wettbewerb für den Outdoorladen, dass sich Kunden gleich im Geschäft vor Antritt einer Fernreise impfen lassen können, reichte den Richtern für ein Verbot nicht aus. Das gleiche gilt aus Sicht der Richter für die erhöhte Aufmerksamkeit, die dem Arzt zu Teil wird. Verbraucher würden sowieso davon ausgehen, dass das Streben nach Einkommen auch ein Motiv ärztlicher Tätigkeit sei.
Kritisch wäre laut Urteil nur, wenn der Eindruck erweckt werde, die Praxis gehöre zum Outdoorladen. Denn in diesem Fall müsse der Verbraucher eine Einflussnahme des Betreibers befürchten. Anders als von der Wettbewerbszentrale moniert, reicht es dem Gericht aber aus, wenn auf die Unabhängigkeit des Arztes deutlich hingewiesen wird. Die Ärztekammer habe zudem die Möglichkeit, sich alle Verträge über die ärztliche Tätigkeit vorlegen zu lassen. Das sei ein weniger einschneidendes Mittel als ein generelles Verbot, so das Gericht.
Das Gericht untersagte aber den Betrieb der Reisepraxis im Dresdener Globetrotter. Diese war ein freistehender Quader, die weder an die Wände noch an das Dach des Marktes anstoße. Dies erweckte aus Sicht des Gerichts den Eindruck, als sei die Praxis Bestandteil des Angebots des Marktes. Zudem mache die Praxis nicht den Eindruck, als könne sie bei Bedarf in Umkleidekabinen umfunktioniert werden.
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