Therapieallergene werden für Patienten zwar individuell bestellt, trotzdem dürfen die Hersteller eigentlich nicht wissen, für wen sie produzieren. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verbietet die Verarbeitung personenbezogener Daten ohne Zustimmung des Betroffenen. Daher sind mehrere Hersteller dazu übergegangen, den Patienten bei der Bestellung eine Einverständniserklärung unterzeichnen zu lassen. Die Konkurrenten Allergopharma und Leti haben sich deswegen vor Gericht getroffen. Beide Seiten haben verloren.
Allergopharma verwendet nach eignen Angaben seit 2014 ein Formular über eine Einwilligung zur Datenübermittlung und -verarbeitung. Dies sei mit der zuständigen Landesdatenschutzbehörde in Schleswig-Holstein auch abgestimmt. Bei der Bestellung der Therapie kann der Patient auf diesem Formular auch ankreuzen, dass er eine Pseudonomisierung wünscht, der Name wird dann durch eine Nummer aus dem Patientenverwaltungssystem ersetzt und an den Hersteller übermittelt.
Die Datenschutzbehörden sind allerdings nicht in allen Bundesländern gleich streng, so dass es auch Hersteller gibt, die keine Einwilligung einholen lassen. Weil das für die Ärzte und Patienten bequemer ist, sah man bei Allergopharma offenbar einen Wettbewerbsnachteil. Konkurrent Leti wurde im Dezember 2015 abgemahnt – wegen vermeintlicher Verstöße gegen das BDSG.
Leti hatte daraufhin selbst Testbestellungen bei Allergopharma durchgeführt und den Konkurrenten ebenfalls abgemahnt. Denn in drei Fällen wurde nur das Rezept an die Merck-Tochter geschickt, die Bestellungen trotzdem allesamt beliefert. Laut Allergopharma war das ein Versehen. Und so verklagten sich die Firmen gegenseitig – und wurden vom Landgericht Hamburg beide verurteilt.
Leti wurde vom Gericht verboten, Bestellbögen ohne Einwilligung des Patienten zu benutzen. Der Hersteller aus Ismaning muss Allergopharma zudem Auskunft über Art und Umfang der bislang benutzten Bestellbögen erteilen und daraus entstandene Schäden ersetzen – was in der Praxis allerdings so gut wie nie durchzusetzen ist. Doch Allergopharma wurde auf Grundlage der Testkäufe in der selben Weise verurteilt – Unterlassung, Auskunft, Schadenersatz. Der Fall liegt jetzt beim Oberlandesgericht Hamburg (OLG), die Entscheidung ist also noch nicht rechtskräftig.
Bei Leti war man der Ansicht, dass eine Datenerhebung den Wettbewerb gar nicht berühre, sondern nur den Patienten allein betreffe. Zudem werde stets eine Einwilligung eingeholt, beteuerte der Hersteller im Verfahren. Das entsprechende Formular wollte man vor Gericht aber nicht vorlegen, weil der Hersteller grundsätzlich klären lassen wollte, ob die Einwilligung überhaupt erforderlich ist.
Das Landgericht hält die Datenerhebung – bei erfolgter Zustimmung des Patienten – grundsätzlich für zulässig, „da sie zum Zweck der Gesundheitsversorgung und Behandlung ‚erforderlich‘ ist“, heißt es im Urteil vom 2. März. Sogar Allergopharma räume ein, dass das Risiko einer Verwechslung bei der Verwendung einer PVS-Nummer größer sei, als wenn die Präparate mit Namen und Geburtsdatum des Patienten beschriftet seien. Kurz vor Verabreichung sei ein Abgleich so leichter, so das Gericht.
Beide Seiten hatten Anspruch auf Auskunft und Schadenersatz gestellt, da das Vorgehen des jeweils anderen durchaus vertriebsrelevant sei. In einem engen Markt mit etwa einer Handvoll relevanter Anbieter könne sich eine Umstellung der Vertriebspraxis bei einem Wettbewerber unmittelbar auf die Umsätze der anderen auswirke. Damit beste eine gewisse Schadenswahrscheinlichkeit, konstatiert das Gericht. Die Kosten des Rechtsstreits wurden gegeneinander aufgehoben.
Leti wollte sich zum Verfahren auf Nachfrage nicht weiter äußern. Eine Sprecherin von Allergopharma teilte nur mit: „Wir halten uns stets an die datenschutzrechtlichen Vorgaben. Darüber hinaus verbessern wir unsere Bestellprozesse kontinuierlich. Das heißt, trotz vieler Umstellungen in unserem Bestellprozess, versuchen wir, eine Balance zwischen dem Schutz der Patientendaten und dem Bedürfnis der Ärzte, den Patientennamen auf dem Präparat zu platzieren, zu erreichen. Diesen Ansatz werden wir auch weiterhin in enger Abstimmung mit dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein verfolgen.“ Zum Verfahren sei mit dem Urteil alles gesagt.
Mit Allergenen wurden im Jahr 2015 laut IMS-Zahlen rund 303 Millionen Euro Umsatz auf Basis der Herstellerabgabepreise (ApU) erwirtschaftet. Die Zahl der abgegebenen Packungen lag bei 921.000. Die drei führenden Hersteller – Alk Abelló, Allergopharma und Hal Allergie – teilen sich knapp zwei Drittel des Marktes. Neben Leti sind noch Roxall, Lofarma, Stallergenes und Allergy Therapeutics auf dem deutschen Markt aktiv.
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