Der Ulmer Generikahersteller Ratiopharm wird laut Finanzkreisen an den weltgrößten Generikahersteller Teva verkauft. Dies berichtet die Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX unter Bezugnahme auf mit der Transaktion vertraute Kreise. Das israelische Unternehmen sei kurz davor, für 3,5 Milliarden Euro den bislang zur Merckle-Gruppe gehörenden Generikahersteller aus Ulm zu übernehmen, sagte eine zweite Quelle. Sowohl Ratiopharm als auch Teva lehnten auf Anfrage einen Kommentar ab.
Am Nachmittag will Ratiopharm offiziell über den Verkaufsprozess informieren. Sollte sich der Kaufpreis bestätigen, hätte die Merckle-Gruppe deutlich mehr mit dem Traditionsunternehmen verdient als bislang angenommen. Beobachter waren von einem Kaufpreis von rund 3 Milliarden Euro ausgegangen. Durch den Aufschlag könnte sich die Familie des verstorbenen Unternehmers Adolf Merckle schneller entschulden und damit weitere Teile ihres Imperiums, insbesondere den europäischen Marktführer im Pharmahandel, Phoenix, retten.
Der kolportierte Übernahmepreis spricht für ein erhebliches Gerangel im Finale des Bieterverfahrens. Neben Teva sollen bis zuletzt Pfizer und Actavis im Rennen gewesen sein. Insbesondere die Isländer könnten hoch geboten haben: Beobachtern zufolge hatte die Deutsche Bank als Hauptgläubiger von Actavis versucht, durch die Ratiopharm-Übernahme ihren vier Milliarden Euro schweren Kredit zu retten. Die Frankfurter hatten die Übernahme des isländischen Konzerns durch den Milliardär Björgólfur Thor Björgólfsson im Jahr 2007 vorfinanziert.
Teva soll den bisherigen Eigentümern und Arbeitnehmervertretern zugesagt haben, sein Europageschäft nach Ulm zu bringen und die Produktionsstandorte zu erhalten. Derzeit verwaltet der Konzern seine europäischen Aktivitäten im niederländischen Utrecht, die Deutschlandzentrale ist in Radebeul bei Dresden angesiedelt.
Bis 2015 will Teva den Konzernumsatz von 13,9 Milliarden US-Dollar auf 31 Milliarden Dollar steigern; in Europa sollen sich die Umsätze sogar auf 9,2 Milliarden Dollar nahezu verdreifachen. In Deutschland ist das Unternehmen nur mit einem Marktanteil von deutlich unter 5 Prozent vertreten. Mit Ratiopharm würde Teva in Europa zum Marktführer.
Um die anvisierte durchschnittliche Wachstumsrate von knapp 20 Prozent pro Jahr zu erreichen, brauchte Teva Zukäufe in Europa. Konzernchef Shlomo Yanai hatte bereits im vergangenen Jahr ankündigt, große Zukäufe seien auch nach der gut 9 Milliarden US-Dollar schweren Barr-Übernahme, in deren Rahmen auch das Radebeuler Unternehmen AWD Pharma an Teva gefallen war, kein Problem.
Bei der Präsentation vor einer Führungsriege von Ratiopharm hatten Yanai und Europachef Gerard van Odijk Ende Februar dem Vernehmen nach auf die langjährige Erfahrung mit Großübernahmen verwiesen. Seit 2003 hat Teva mehr als fünf Milliarden Dollar an Umsatz zugelegt und dafür mehr als 18 Milliarden Dollar ausgegeben.
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