Die Temperaturführung für Arzneimittel ist Apotheker Dr. Hermann Vogel jr. schon eine Weile ein Dorn im Auge: Dass Großhändler nach der EU-Richtlinie zur Good Distribution Practice (GDP) viel Geld in Temperaturkontrollen stecken müssen, während Versandapotheken Arzneimittel ohne Überwachung mit der Post verschicken, ist für ihn nicht nachvollziehbar. Nun hat sich Vogel in einem Offenen Brief an Noweda-Chef Wilfried Hollmann gewandt.
Von den Mitarbeitern des Fuhrparks habe er erfahren, dass die Noweda mittlerweile ihre Fahrzeuge mit Kühltechnik inklusive Temperaturkontrolle aufrüste. „Ich fordere Sie hiermit auf, diese Maßnahme schnellstmöglich zu stoppen“, schreibt Vogel.
Die „technische Aufrüstung“ verursache sehr hohe Kosten, „die letztlich an Ihre Kunden, uns Apotheken, weitergegeben werden müssen“, schreibt Vogel an Hollmann. Und weiter: „Die aktuelle wirtschaftliche Situation vieler Apotheken ist angespannt und es sollte unbedingt vermieden werden, dass der Rohertrag in Apotheken durch Maßnahmen, welche die Qualität der Arzneimittelversorgung nachweislich nicht verbessern, geschmälert wird.“
Vogel findet es nicht nachvollziehbar, eine Temperaturkontrolle während der wenigen Stunden zwischen Großhandelslager und Apotheke durchzuführen, wenn gleichzeitig im Versandhandel überhaupt keine Kontrolle notwendig sei. Dabei betrage die Lieferzeit regelmäßig mehr als 24 Stunden.
Vogel moniert, dass die Kunden und Patienten ansonsten künftig Arzneimittel unterschiedlicher Qualität erhielten: durchgängig kontrollierte aus der Apotheke vor Ort oder nicht kontrollierte Arzneimittel im Wege des Versandes. Darauf müssten die zuständigen Behörden aufmerksam gemacht werden.
Vogel ahnt auch, warum Versandapotheken bislang ausgenommen seien: Die EU-Richtlinie gehe auf das Jahr 2001 zurück – damals sei der Versandhandel hierzulande nicht zugelassen gewesen. „Vielleicht ist aus diesem Grund in dieser Leitlinie 'nur' der Pharmazeutische Großhandel erwähnt“, so Vogel.
Gerade die Noweda als apothekereigenes Unternehmen sollte Vogel zufolge die Auflagen der Aufsichtsbehörden kritisch hinterfragen und mit der Umsetzung warten, bis wirklich der gesamte Arzneimitteltransport unter diese Regelung falle.
Vogel betreibt mit seiner Winthir-Apotheke in München selbst einen Großhandel. Von der zuständigen Oberpharmazierätin war er darauf hingewiesen worden, dass er den Transport künftig temperaturkontrolliert beziehungsweise -dokumentiert durchführen müsse. Je nachdem, ob er ein Medikament an einen Verbraucher oder andere Apotheken schickt, muss Vogel nun unterschiedliche Vorgaben beachten.
Das führt aus seiner Sicht die Vorgaben zur Temperaturführung ad absurdum: Durch die GDP-Richtlinie solle gewährleistet werden, dass dem Verbraucher stets ein korrekt gelagertes Arzneimittel übergeben werde. Dies sei beim Versandhandel nicht gegeben.
Vogels Vater, Dr. Hermann Vorgel sen., hatte das Problem in der vergangenen Woche bei der Vorstandssitzung der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK) eingebracht. Er und sein Sohn vertreten die Auffassung, dass es entweder eine lückenlose Kontrolle zwischen Hersteller und Endkunden geben müsse oder gar keine.
Die Regelungen zu GDP wurden 2013 verschärft. Seit der Überarbeitung der EU-Richtlinie sind Lagerung und Transport gleichgestellt. Großhändler und Einzelimporteure sind seitdem damit beschäftigt, ihre Logistik anzupassen und nachzuweisen, dass die Lagertemperatur unterwegs eingehalten wurde. Auch Apotheken mit Großhandelserlaubnis müssen darauf achten, sich an die GDP-Vorgaben zu halten – sonst riskieren sie ihre Erlaubnis.
Hintergrund für die Verschärfung der Regeln waren extreme Temperaturen in Europa: In südlichen Ländern war Kühlware immer wieder aufgetaut, während Arzneimittel in Großhandelsfahrzeugen in Skandinavien gelegentlich einfroren.
Die Regelung betrifft nicht nur kühlpflichtige Arzneimittel. Auch Medikamente, die bei Raumtemperatur gelagert werden, dürfen künftig beim Transport den Temperaturbereich zwischen 15 und 25 Grad Celsius nicht verlassen haben. In den Apotheken müssen die Lagerungstemperaturen nach Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) dokumentiert werden.
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