Der bayerische Apotheker Dr. Hermann Vogel jr. geht weiter gegen die Pflicht zur Temperaturführung im Pharmagroßhandel vor. Nun hat sich der Inhaber der Winthir-Apotheke in München an Dr. Edmund Stoiber (CSU) gewandt, der die EU-Kommission in Sachen Bürokratieabbau berät. Vogel fordert Stoiber auf, die strengen Regelungen für den Großhandel zu lockern – oder auf die gesamte Vetriebskette, also auch Versandapotheken, auszuweiten.
Nachdem Stoiber sein Amt als Ministerpräsident im Herbst 2007 niedergelegt hatte, wurde er zum Vorsitzenden der sogenannten Hochrangigen Gruppe im Bereich Verwaltungslasten ernannt. Die Gruppe beriet die Kommission, zeigte unnötige Belastungen für Firmen auf und half, die Rahmenbedingungen für Unternehmen zu verbessern. Laut Abschlussbericht konnten die Verwaltungskosten für Unternehmen in dieser Zeit um mehr als 25 Prozent reduziert werden.
Im Dezember wurde Stoiber von dem neuen Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum Sonderberater für bessere Rechtsetzung ernannt. In dieser Funktion soll Stoiber laut Kommission aufzeigen, „wie der Abbau von Bürokratie und Verwaltungslasten zugunsten von kleinen und mittleren Unternehmen vorangebracht werden kann“.
Für Vogels Kritik an der EU-Richtlinie zur Guten Vertriebspraxis (Good Distribution Practice, GDP) scheint Stoiber daher der richtige Mann zu sein. Vogel, zu dessen Apotheke nicht nur ein Versand-, sondern auch ein Großhandel gehört, stört sich an den strengeren Regeln, die seit 2013 gelten, und bittet Stoiber, sein Anliegen bei der EU-Kommission vorzutragen.
Denn nach der neuen GDP-Richtlinie müssen Arzneimittel so transportiert werden, wie sie gelagert werden müssen. Das bedeutet, dass nicht nur für kühlpflichtige Medikamente eine Temperaturführung notwendig ist. Auch bei Arzneimitteln, die bei Raumtemperatur gelagert werden, muss nun nachgewiesen werden, dass diese beim Transport einen bestimmten Temperaturbereich nicht verlassen haben. Dafür muss entweder eine aktive Temperaturführung oder eine durchgehende Temperaturkontrolle eingeführt werden.
Aus Sicht von Vogel ist diese Regelung allerdings unsinnig: „Bei dem Versand von Arzneimitteln über unserer Apotheke an den Endverbraucher ist diese Temperaturkontrolle nicht vorgeschrieben, obwohl die Transportzeit zwischen Apotheke und Endverbraucher/Patient deutlich länger ist als zwischen Großhandel und Apotheke“, schreibt der Apotheker an Stoiber.
Durch die Umsetzung Richtlinie würden zwei unterschiedliche Gruppen von Arzneimitteln in den Verkehr gebracht: Einerseits Arzneimittel, die aus der Apotheke vor Ort abgegeben würden und deren Lagertemperatur von der Produktion bis zur Übergabe an den Patienten durchgängig erfasst und kontrolliert werde, sowie Arzneimittel, die über den Versandhandel verschickt würden und die nicht durchgängig hinsichtlich der Lagertemperatur während des Transports kontrolliert würden.
„In Anbetracht der nicht vollständigen Temperaturkontrolle beim Versand von Arzneimitteln über die Apotheke macht die Kontrolle zwischen Großhandel und Apotheke keinen Sinn“, kritisiert Vogel. Und weiter schreibt er: „Als Unternehmer in Bayern wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie anstoßen könnten, diese Leitlinie zu korrigieren. Entweder müssen alle Transportwege von Arzneimitteln hinsichtlich Temperatur überwacht werden, oder gar keine.“
Denn der Aufwand für Großhändler sei nicht unerheblich und nur sinnvoll, wenn auch der Arzneimittelversand dahingehend kontrolliert werde. „Falls dies nicht so durchgeführt werden muss, sind alle Aufwände in diesem Bereich umsonst, da weder die Qualität der Arzneimittel erhöht noch deren Sicherheit verbessert wird“, schreibt Vogel.
In diesem Sinne hatte sich Vogel bereits in einem Offenen Brief an Noweda-Chef Wilfried Hollmann gewandt und ihn dazu aufgefordert, die Umrüstung der Fahrzeug „schnellstmöglich zu stoppen“. Die technische Aufrüstung verursache hohe Kosten, die letztlich an die Kunden weitergegeben werden müssten. Da die aktuelle wirtschaftliche Situation vieler Apothekern aber angespannt sei, solle es unbedingt vermieden werden, dass der Rohertrag der Apotheken durch solche Maßnahmen geschmälert werde.
Seit die neue GDP-Richtlinie gilt, sind Großhändler und Einzelimporteure damit beschäftigt, ihre Logistik anzupassen und nachzuweisen, dass die Lagertemperatur unterwegs eingehalten wurde. Auch Apotheken mit Großhandelserlaubnis müssen darauf achten, sich an die GDP-Vorgaben zu halten – sonst riskieren sie ihre Erlaubnis. Vogel war selbst von der zuständigen Oberpharmazierätin darauf hingewiesen worden, dass er den Transport künftig temperaturkontrolliert beziehungsweise -dokumentiert durchführen müsse.
Sein Vater, Dr. Hermann Vorgel sen., hatte das Problem Ende Januar bei der Vorstandssitzung der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK) eingebracht. Er und sein Sohn vertreten die Auffassung, dass es entweder eine lückenlose Kontrolle zwischen Hersteller und Endkunden geben müsse oder gar keine.
Hintergrund für die Verschärfung der Regeln waren extreme Temperaturen in Europa: In südlichen Ländern war Kühlware immer wieder aufgetaut, während Arzneimittel in Großhandelsfahrzeugen in Skandinavien gelegentlich einfroren. In den Apotheken müssen die Lagerungstemperaturen außerdem nach Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) dokumentiert werden.
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