Tele-Dermatologen suchen E-Rezept-Apotheken APOTHEKE ADHOC, 21.01.2020 15:23 Uhr
Nach Teleclinic und Kry stürzt sich ein dritter Anbieter für fernmedizinische Behandlungen auf den Markt: OnlineDoctor ist der Ableger eines Start-ups aus der Schweiz, das eng mit dem Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) zusammenarbeitet. Rezepte werden derzeit noch nicht ausgestellt.
Bei OnlineDoctor ist der Patient nicht in direktem Kontakt mit dem Arzt, sondern sucht sich vorab einen Dermatologen aus, dem er Fotos seiner erkrankten Hautstellen schickt. Mithilfe eines eigens entwickelten Chatbots werden zunächst Informationen zum Hautproblem abgefragt. Nachdem der Nutzer drei Bilder hochgeladen und die Gebühr von 39 Euro bezahlt hat, wird die Anfrage abgeschickt. Innerhalb von 48 Stunden kommt eine erste Einschätzung samt Handlungsempfehlung.
Die erhobenen Daten werden über SSL/TLS verschlüsselt und ausschließlich auf deutschen Servern gespeichert. Größtmögliche Sicherheit soll dazu eine aus dem eBanking bekannte Zwei-Faktor-Authentifizierung bringen: Der Patient erhält sowohl eine E-Mail mit einem Link, der die Handlungsempfehlung enthält, als auch einen sechsstelligen SMS-Code, mit dem diese herunterladen werden kann. Laut Firmenangaben können 85 Prozent der Anfragen direkt online abgeschlossen werden, nur in 15 Prozent sei ein persönlicher Besuch in der Praxis noch notwendig.
E-Rezepte werden noch nicht ausgestellt – aus rechtlicher Sicht sei dies noch nicht möglich, schreibt das Unternehmen. Laut Deutschlandchefin Leonie Sommer ist das E-Rezept aber ein „relevantes Thema“, das möglichst bald angegangen werden soll. Am liebsten würde Sommer mit niedergelassenen Apotheken und Versendern gleichermaßen kooperieren. Derzeit sondiere man den Markt, um zu entscheiden, um man eine eigene technische Lösung aufsetzen müsse oder mit einem bestehenden Angebot arbeiten könne.
Ende letzten Jahres ist die Website online gegangen, mit der bisherigen Resonanz ist Sommer sehr zufrieden. Auch die Teilnahme der Ärzte hat sich gut entwickelt: 120 niedergelassene Dermatologen machen bereits mit, das sind mehr als in der Schweiz, wo OnlineDoctor seit Oktober 2017 am Markt ist. Analog hofft Sommer auf eine Quote von 20 Prozent, was aber bei 6000 Ärzten in 3500 Praxen eine andere Hausnummer ist.
Möglich machen soll es auch die Kooperation mit dem BVDD, bei dem das Unternehmen offene Türen einrennt: „Der Beruf wandelt sich. Niedergelassene Ärzte wünschen sich flexiblere Arbeitszeiten und einen effektiveren Einsatz ihrer Zeit. Fragen jenseits der Kernöffnungszeiten beantworten zu können, ist ein großer Vorteil“, so Präsident Dr. Klaus Strömer.
Bereits jetzt ist OnlineDoctor laut Sommer flächendeckend vertreten: „Wir haben eine sehr gute Verteilung und sind in jedem Bundesland vertreten“, so Sommer. Auf Kongressen sollen weitere Ärzte eingesammelt werden. Da die Mediziner zwei Tage Zeit haben, um die Anfrage zu beantworten, können sie das telemedizinische Angebot nebenher laufen lassen. Genutzt wird es laut Sommer überwiegend von Stammkunden und Patienten aus der Regionen, die im Ernstfall auch Arzt vor Ort aufsuchen können.
Für die Ärzte ist das Angebot kostenlos, sie müssen lediglich IBAN, E-Mail-Adresse, ein Foto und die Lebenslange Arztnummer (LANR) angeben. Mehr noch: Jeder Arzt erhält eine „vergleichsweise gute Vergütung für jeden bearbeiteten Fall“, wirbt OnlineDoctor auf seiner Homepage um die Gunst der Hautärzte. Privatversicherte können die Rechnung bei ihrer Krankenversicherung einreichen. Kassenpatienten müssen die Kostenvorerst selbst tragen. Ziel ist aber eine Kostenübernahmefür alle: „Wir wünschen uns natürlich die Erstattungsfähigkeit für alle unsere Nutzer. Wir sind sicher, dass die Krankenkassen die enormen Vorteile schnell erkennen werden“, sagt Sommer.
Auch Pflegepersonal soll in den Fokus genommen werden: „Es ist viel empfehlenswerter, über OnlineDoctor eine erste fachärztliche Einschätzung einzuholen, als pflegebedürftige oder schwer kranke Menschen den Anstrengungen eines Praxisbesuchs auszusetzen“, so Sommer. „Wir sehen hier großes Wachstumspotential für OnlineDoctor.“
Gegründet wurde OnlineDoctor von Paul Scheidegger. Als Hautarzt am Kantonspital Baden bekam er jeden Tag Fotos von Kollegen, Assistenzärzten, Freunden und Bekannten. Doch die Anfragen via WhatsApp, SMS oder Mailwaren nicht nur chaotisch und unvollständig, sondern vor allem nicht datenschutzkonform, wie er sagt. „Ich dachte: Das müsste man professionalisieren.“
Es wurde deutlich, dass Patienten viel selbstverständlicher auf Technologien zurückgreifen als Ärzte und dass ein echter Bedarf besteht.“ Scheidegger holte die beiden Wirtschaftsspezialisten Tobias Wolf und Philipp S. F. Wustrow an Bord. Die Finanzinvestoren EquityPitcher und FortyOne sind zuletzt für 2,5 Millionen Franken eingestiegen.